Zeit der Jugend
Kapitel ? - ???
„Nur der Stärkste wird überleben!“
Unbekannter ägyptischer Metarao
Volksschule Stallwang
Freitag, 04.06.1999
Ich hasse Schule! Was gibt es langweiligeres als stundenlang trockenes und nutzloses Wissen eingebläut zu bekommen?
„Felix!“ Der Gerufene zuckte zusammen und sah auf.
„Was denn?“
„Die Aufgabe an der Tafel!“
Felix sah kurz hin, las die mathematische Formel und hätte mit Leichtigkeit die Lösung sagen können. Aber stattdessen legte er sich, mal wieder, lieber mit dem Lehrer an. Der war alt, mindestens sechzig, und hatte kurzes graues Haar. Allerdings waren seine braunen Augen immer hellwach und registrierten das kleinste Detail, auch wenn er nur eins-fünfundsechzig groß war. Trotzdem zum Leidwesen der ganzen Klasse, da niemand bei Prüfungen abschreiben konnte.
„Was brauch ich höhere Mathematik im Leben?“ Zustimmendes Gemurmel erfüllte den Klassenraum, mit den insgesamt einunddreißig Anwesenden. „Mir reichen schon die Grundlagen. Plus, Minus, Geteilt, Mal. Nötigenfalls noch der Dreisatz.“ Laute Bestätigungen kamen vereinzelt aus verschiedenen Mündern. „Aber das da …“ Felix zeigte an die Tafel. „… brauch ich nur, wenn ich in die Wissenschaft gehe. Und ich weiß genau, dass ich da nicht hingehe.“ Felix‘ Mitschüler klatschten Beifall und der Lehrer schüttelte resignierend den Kopf.
„Willst du wieder diese Diskussion führen? Wie oft denn noch?“ Es war dem alten Mann anzusehen, dass Felix‘ Einstellung an ihm zerrte.
Doch bevor die Diskussion überhaupt in Fahrt kam, klingelte die Schulglocke für die Pause. Es war 11:20 Uhr und alle freuten sich schon auf das Schulende um 13:00 Uhr. Vor allem da Freitag war und das Wochenende vor der Türe stand. Da auch noch Sommer war und die Wettervorhersage zwei heiße Tage voraussagte, war die Stimmung euphorisch.
Doch bevor die Ersten auch nur einen Schritt machen konnte, verharrten sie sofort wieder in ihrer Position, als aus den Lautsprechern ein Gong ihre Aufmerksamkeit forderte.
„Liebe Schüler und Schülerinnen!“ Das war die Stimme des Direktors persönlich. Viele mochten ihn. Auch Felix. Vor allem wegen seinem Humor und der lockeren Umgangsart. „Bitte bleibt während der Pause in den Klassenräumen. Es sind Mitarbeiter des GSDs im Hause, die wieder eine Überprüfung durchführen.“
Ein kollektiver Seufzer ging durch die Klasse und durch die geöffnete Türe hörte man auch aus anderen Räumen abwertende Geräusche.
Der GSD schon wieder! Wieso zur Hölle tauchen die in letzter Zeit immer öfters auf?
Der genetische Sicherheitsdienst kam jedes Quartal an alle Schulen deutschlandweit und untersuchte die Schüler und Studenten auf Anzeichen des Meta-Genoms, das dafür verantwortlich war, dass ein Mensch besondere Fähigkeiten entwickelte. Bei Felix hatte man seine Fähigkeit schon als Baby festgestellt. Er konnte Blitze erschaffen und kontrollieren. Seine Klassenkameradin Kristin war ein Feuerelementar und Andi ein Psioniker mit der Fähigkeit zur Empathie und Telepathie. Letzteres war besonders hilfreich, wenn man bei Prüfungen schummeln wollte. So konnte man einfach eine Verbindung untereinander herstellen und in Gedanken miteinander reden.
Als die Durchsage mit einem weiteren Gong beendet wurde, trat im selben Augenblick ein in schwarz gekleideter Mann durch die Türe. Felix wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, denn ihn begleiteten mehrere Personen, die in weiße Mäntel gehüllt waren.
Ärzte? Dieses Emblem! Nein … Das kann nicht sein!
Felix sah einen goldenen DNA-Strang, der von einer silbernen Hand ergriffen wurde, an beiden Ärmeln der weißen Mäntel. Sofort gingen er und alle Metas in der Klasse in Verteidigungsposition. Energien umhüllten die elementar begabten Metas, während man den Wilden und Psionikern nicht ansehen konnte, ob sie ihre Fähigkeiten benutzten oder nicht.
„Es gibt also Genomex wieder?“ Felix‘ Worte waren fest und von Ablehnung geprägt, die durch seine schlechten Erfahrungen mit diesem Konzern stammten. „Ihr werdet euch sofort ergeben und auf die Polizei warten!“
Der GSD-Beamte hob seine Hände beschwichtigend, aber dennoch so, dass man seine Schockwaffe sah. Sie war effizient darin jemanden Schmerzen zuzufügen, ohne ihn zu töten. Zumindest nicht absichtlich. Es war klar, dass er damit drohen wollte, aber es war genauso offensichtlich, dass er hier vollkommen unterlegen war.
„Bitte, Kinder. Beruhigt euch. Diese Herren hier sind von der Firma Genom X. Dem Namen nach dürfte euch klar sein, dass sie die Nachfolger von Genomex sind. Jedoch steht der Konzern unter Aufsicht des Staates.“ Die Energien der Elementaren ging etwas zurück, verlöschte aber nicht ganz. „Die Genom X Corporation und der GSD arbeiten zusammen, um effizienter Metas zu erkennen und zu katalogisieren. Ihr braucht euch wirklich keine Gedanken machen. Sollte die GXC wirklich böses vorhaben, so würden wir das herausfinden.“
Die Energie von Felix schwoll an und eine blaue Aura aus Elektrizität umgab ihn.
„So wie ihr das von Genomex herausgefunden habt? Wenn wir nicht gewesen wären, dann würde diese Firma noch heute ihr Unwesen treiben!“
Verdutzt sah der GSD-Beamte Felix an. Dann holte er einen PDA hervor und tippte auf ihn herum. Plötzlich schlich sich Erkenntnis in seinen Gesichtsausdruck.
„Felix Boßler! Du warst eines der Kinder, die Genomex damals entführt hatte. Das tut mir wirklich sehr leid. Ich wusste nicht …“
Doch der Beamte kam nicht dazu seinen Satz zu Ende zu bringen. Die beiden Mitarbeiter von Genom X wurden von Kristin in Feuer gehüllt, das ihre Mäntel sofort in Flammen aufgingen. Jedoch beherrschte sie es so gut, dass die beiden Männer nur leicht verbrannt wurden.
Der GSD-Beamte zog seine Waffe, hielt jedoch in der Bewegung inne, als er auf Felix blickte. Dieser hatte seine rechte Hand erhoben und zielte auf ihn. Die Hand wie eine Pistole geformt, an dessen Zeigefinger ein murmelgroßer Kugelblitz verharrte.
„Das würde ich an Ihrer Stelle nicht machen. Legen Sie Ihre Waffe vorsichtig beiseite, ansonsten werd ich bei der kleinsten falschen Bewegung feuern.“ Felix‘ Gesicht zeigte pure Entschlossenheit. „Und glauben Sie mir … Wenn ich mit Ihnen fertig bin, würden Sie sich wünschen tot zu sein!“