Kapitel 4: Zwei Tazuras später
Teil 1: Zwölfstadt, Valles Marineris, Mars
Auf dem Mars herrschte reges Treiben. Stündlich starteten Schiffe von dem Planeten und evakuierten die Bewohner. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Verteidigung brechen und die AGI den Planeten einnehmen würden. In den zwei Tagen seit dem Angriff war viel passiert. Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun waren von den AGI überrannt worden. Der Kontakt zur Schiffswerft in Saturn war abgebrochen. Im Sektor Neptun kamen die AGI aus zwei Richtungen, dem Tor nach Aldrin und dem TOB, wie die riesigen transorbitalen Beschleunigerringe auch genannt wurden, aus Uranus.
Das Tor nach Aldrin war bei den Gefechten zerstört worden, sodass die AGI wenigstens den langen Weg nehmen mussten, bevor sie den letzten bewohnten Planetoiden – Eris – auch zerstören konnten. Der Planetoid war zwar bereits evakuiert worden, doch die Schiffe dort konnten auch nicht fliehen. Angeblich gab es im Sektor Oortsche Wolke sogar noch einen TOB, welcher zu einem geheimen Sektor führte, doch daran glaubte Harold Berkim, Prospektor des Mars, nicht.
Seine Familie lebte schon seit Generationen auf diesem Planeten, einer seiner Urahnen gehörte zu den ersten Siedlern und lebte noch in den Sauerstoffzelten. Harold war einer der letzten Bewohner des Mars und er würde bis zu seinem Lebensende auf diesem Planeten bleiben. So wie es momentan aussah, wäre das schon sehr bald.
Die meisten Bewohner des roten Planeten waren schon durch den TOB zum Erdsektor geflohen. Erstmalig erlaubten die Terraner jedem ihrer Bürger, die schöne blaue Perle namens Erde zu betreten. Erstmalig war aber auch das ganze Sonnensystem in großer Gefahr. Nein, nicht erstmalig. Vor ungefähr tausend Jahren, als die Ur-Terraformer zurückgekehrt waren, um die Erde zu re-terraformieren, da war das Solsystem ebenfalls in großer Gefahr. Doch das war lange her. Sehr lange. Harold beobachtete die Bildschirme seiner Zentrale. Die letzten Schiffe hoben gerade ab. Es stand nur noch ein einziger Transporter auf dem Landefeld, falls sich die Prospektoren doch noch umentscheiden würden.
Von seinem Bildschirm aus konnte Harold den ganzen Sektor überblicken. Er sah genau, dass die Schiffe vor dem TOB zum Asteroidengürtel warteten und dass ein wahrer Strom von Schiffen zu dem anderen TOB zur Venus flog. Dann geschah es. Einer nach dem anderen verschwanden die Punkte der Wachen von dem Bildschirm. Die restlichen bewegten sich mit enormer Geschwindigkeit zur Venus. Und dann brachen sie durch. Harold zählte elf AGI bevor der Alarm losging.
Die Anzeigen standen vollständig auf rot, kein einziges Schiff im Sektor gehörte nicht den AGI an. Sie kamen mit hohen Geschwindigkeiten und schon sah Harold einen Aufklärer am Horizont auftauchen. Am Horizont? So schnell schon? Tatsächlich war es ein Aufklärer der Terraner gewesen, den Harolds Zentrale nicht erfasst hatte. Der Prospektor beobachtete das Schiff. Plötzlich schoss ein weißer Strich vom Himmel und der Aufklärer stürzte in ein Gebäude.
Harold hob instinktiv die Hände vor sein Gesicht und schirmte seine Augen vor der Hitzewelle ab. Woher war der Strich gekommen? Harold blickte entsetzt auf seine Anzeigen. Eine Masse an Lenkflugkörpern schoss auf den Planeten zu. Harold zählte sechs Stück pro Welle und insgesamt sechs Wellen. Die erste Welle galt nicht der Zentrale sondern stürzte auf die Verteidigungsanlagen. Natürlich! Auf dem Mars war eine Ionenkanone installiert, falls einige AGI angreifen sollten. Doch bei einer Invasion wie dieser war das natürlich nutzlos.
Die nächste Welle stürzte auf seine Zentrale zu, doch die Halbkugel hielt. Die anderen vier Wellen stürzten nicht in seinem Sichtbereich nieder. Harold sah zu dem Transporter. Nicht weit entfernt von ihm tauchte ein AGI auf und sprengte Harolds letztes Fluchtmittel. Er machte das letzte, was er tun konnte und aktivierte den Aufzug. Seine Zentrale würde nun zwei Kilometer nach unten fahren und dort verbleiben. Doch seine Bemühung war umsonst. Das letzte was Harold sah war ein Marschflugkörper, der die Kuppel direkt über ihm zerriss. Dann nur noch ein blendendes Licht.
John Alman
Seine Heckkanzel hatte es noch geschafft, einen weiteren der drei Verfolger abzuschießen, bevor ein Plasmaschuss den Schild durchbrach und genau in das Geschütz einschlug. „Heckgeschützkanzel zerstört!“, hatte Al den Vorgang kurz kommentiert. Doch durch die Explosion sahen sich die beiden Chimären gezwungen, kleineren Trümmerstücken auszuweichen, sodass eine Lücke in ihrer Formation prangte. Diese Möglichkeit hatte John dankend benutzt und das Schiff gewendet. Die Sreb waren allerdings nur kurzzeitig vor Überraschung verwirrt und hatten auch ihre Chance genutzt. Die beiden Schiffe wendeten und beschossen den Abfangjäger zwischen ihnen.
„Schilde bei 20%. Zwanzig Sekunden bis 0% bei gleichbleibender Belastung“, informierte Al. John hatte ihm längst die Steuerung überlassen. Und während das Schiff wilde Haken schlug und dem Beschuss mehr schlecht als recht auswich, näherte sich die kleine Gruppe wieder dem Trümmerfeld.
„Schilde bei 15%. Achtzehn Sekunden bis 0%“, meldete Al nur wenige Sekunden später. John saß in seinem leichten Raumanzug auf dem Pilotensitz und beobachtete die scharfkantigen Ungetüme vor sich. Mit einem lauten Pfeifen machte die Kalypso plötzlich einen Satz nach vorn und wurde merklich langsamer.
„Warnung: Triebwerke getroffen, Reaktor: Leck, Warnu…“, versuchte der Computer das Getöse zu übertönen. Al wurde sich der Boronin bewusst, die seit einiger Zeit still hinter ihm schwebte, und er schaute sich zu ihr um. Es hatte den Anschein, als wäre Huli Lu in Schutzkatalepsie gefallen, was allerdings eine Eigenschaft der Teladi war. Als er sich wieder nach vorne drehte, sah er, wie sein Schiff unkontrolliert auf die Reste eines boronischen Cockpits zustürzte.
Nur wenige Sezuras vor dem Aufschlag gab Al Umkehrschub in den seitlichen Düsen und das Schiff schabte kreischend an dem Brocken vorbei. Nun ja, nicht das ganze Schiff, nur der linke Flügel wurde bei dem Manöver abgerissen. Doch einer der Verfolger hatte nicht so viel Glück und traf das grüngraue Stück Raumschrott frontal. Mit einer blendenden Explosion zerriss die Chimäre sich und das Wrack. Kleinere Trümmerstücke flogen in alle Richtungen davon und bohrten sich in die Kalypso.
Das Schiff verlor Sauerstoff, doch sowohl Huli Lu als auch John Alman trugen ihre Raumanzüge. Unglücklicherweise trafen die Trümmerstücke jedoch sowohl die inzwischen nutzlosen Schildgeneratoren als auch den bereits lecken Atomreaktor der Kalypso. Mit einem letzten Aufkreischen erstarben die Triebwerke und auch die künstliche Schwerkraft nahm langsam ab. Anscheinend waren die Podkletnovaggregate noch nicht ganz ausgefallen.
John schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete sah er ein großes rostbraunes Ungetüm vor sich, die verbliebene Chimäre. Mit dem letzten Funken Energie beförderte Al seine Passagiere in die nicht sehr geräumige Rettungskapsel und die Kalypso in ihr Verfolgerschiff.
Ehe John begriff, was gerade geschehen war, trieb er, angetrieben von einem winzigen Triebwerk und der Schockwelle der Explosion von seinem zerstörten Zuhause davon.
Teil 2: Mondsplitter
Ray Ishiyama
Verärgert und auch etwas verzweifelt saß der Chef der ATF in seinem Büro im Torus. Der Transorbitale Beschleuniger zum Mond war selbstverständlich außer Betrieb genommen worden, doch die Terraformer konnten den Sektor noch über den Normalraum erreichen. Und die Reise zwischen Mond und Erde dauerte nicht einmal eine Stunde. Nicht bei der Technologie.
Während um ihn herum hunderte Kampfschiffe in Stellung um den Planeten gingen, näherte sich der Feind. Erst gerade eben war der Kontakt zur Mondbasis abgebrochen. Ray Ishiyama schlug wütend auf den Polydiamandoid-Schreibtisch. Entnervt ging der Eurasier auf und ab doch nichts konnte ihm helfen. Er setzte sich wieder. Er allein war an der ganzen Misere schuld. Er hatte den Befehl gegeben, dass Update auszustrahlen. Er hätte wissen müssen, dass die AGI nicht einfach ihre Waffen deaktivieren würden. Natürlich hatte er weder das erste noch das zweite Update verpfuscht, doch er hatte es nicht überprüfen lassen. So einen Fehler beging man nur einmal im Leben.
Ishiyama wurde klar, was er da gerade gesagt hatte. Einmal im Leben… für ein zweites Mal war sowieso keine Zeit.
Plötzlich kam eine junge Frau in seinen Raum gestürzt. „Sir! Wir haben da etwas auf unseren Scannern“, rief sie.
Ray holte tief Luft und schaute die junge Frau fragend an. Auf ihrer Uniform war ein Namensschild angebracht, „First Lieutenant J. Cortez“ stand darauf. Höchstens zwei Jahre im Dienst, dachte er und wischte den Gedanken sofort weg. Es gab wichtigeres zu erledigen. „Der Mond… er kommt direkt auf uns zu!“ Die Augen des ATF-Chefs wurden größer. „Was?“, rief er. „Er… er kommt auf uns zu. Die AGI haben ihn abgelenkt. Wir beschießen ihn schon seit einiger Zeit mit unseren Lasern, doch…“, antwortete sie aufgeregt. Ray dachte nach. Er hatte niemals damit gerechnet, dass die AGI den Mond auf die Erde lenken würden. Im ersten Terraformerkrieg hatten sie einen Asteroiden auf die Erde gelenkt, doch den ganzen Mond? So ein gewaltiger Brocken würde nicht nur einen nuklearen Winter auf dem Planeten auslösen, sondern vielleicht den ganzen Planeten zerreißen!
In Anbetracht der Tatsachen richtete sich der Chef der AGI Task Force auf und lief zur Tür.
Angekommen in der Zentrale des Torus erkannte Ray sofort, was los war. Die Maschinen hatten dem Mond nur einen kleinen Schubs gegeben. Die Anziehungskraft der Erde tat ihr Ihriges. Vermutlich hatten die AGI noch starke Schilde vor dem Mond errichtet, es war nicht anders zu erklären, dass die starken Laser des Torus den Mond nicht längst pulverisiert hatten. Schaute man aus der riesigen Kuppel des erdumspannenden Ringes, sah man bereits den Mond größer und größer werden.
Laut den Wissenschaftlern würde der Mond erst auf den Torus und dann auf die Erde treffen. Es war zu spät, den Torus zu drehen, doch man konnte möglicherweise die Geschwindigkeit des Mondes verringern. In Höchsteile stattete man das Segment des Torus, welches von dem Trabanten getroffen werden würde, mit schubkräftigen Triebwerken aus. Für die Umsetzung des Plans blieben aber nur wenige Minuten.
Ray Ishiyama schaute abwechselnd aus dem Fenster und auf die Scanner. Die AGI hielten sich im Hintergrund, während der Mond schneller und schneller auf den dritten Planeten des Systems zufiel.
Er erkannte vor der grauen Masse der Oberfläche schon die kleine Stadt mit den Gebäuden. Und direkt daneben den Strahl des Lase… Rays Augen weiteten sich, als er begriff, worauf die Terraformer aus waren. „Scheiße!“, rief er. „Schaltet sofort den Laser ab!“
Ray sah, wie sich der Strahl durch den grauen Leib des Mondes bohrte und ihn zersprengte. Die Terraformer hatten den Plan vorausgesehen! Plötzlich sah Ray kein Leuchten mehr, endlich war der Laser deaktiviert. Doch das Unheil war nicht mehr aufzuhalten. Geräuschlos zerbrach der Mond in hunderte Einzelteile und traf nicht nur das einzelne Segment des Torus. Ray sah ein Trümmerstück genau auf die Zentrale zukommen. „Der Kampf ist verloren“, war das letzte, was Ray Ishiyama, ehemaliger Leiter des ehemaligen Geheimdienstes eines verlorenen Volkes, begriff.
Der Aufschlag war verheerend. Mehrere Anlagen des Torus wurden aus dem sonst so makellosen Ring gerissen und stürzten auf die Erde zu. Ein Großteil des verbliebenen Ringes wurde von der Wucht des Aufpralls mitgerissen, nur vereinzelt blieben Segmente an ihrem Platz in der Umlaufbahn.
Paris: Die Augen weit aufgerissen schauten die Menschen in den Himmel. Der Mond war immer größer und größer geworden, bis er plötzlich zersprang. Glühende Striche zogen über den Himmel und schlugen in der gesamten Stadt ein. Schreiend rannten die Menschen vom Eiffelgebäude davon, als ein Mondstück in den gewaltigen Stützpfeiler einschlug und das kilometerhohe Gebäude erst gegen den mehr als tausend Jahre alten Turm und dann auf die Stadt fallen ließ.
Jennifer Cortez, die Frau, die Ray Ishiyama die Warnung überbracht hatte, war dem Unglück entkommen. Fassungslos schaute sie aus der Andockschleuse 9 auf die Erde nieder, die sich an mehreren Stellen vor Rauch und Trümmerwolken grau färbte. Sie begriff, dass der Mensch in seiner Ignoranz und seinem Stolz an dem ganzen Unglück schuld war, dann brach die Hölle los; die Terraformer griffen an.
Illireos
Illireos saß auf derselben Hartplastikbank wie vor drei Tazuras. Und er machte dasselbe wie drei Tazuras zuvor, er schaute sich die ETNO News an. Der Bildschirm war in mehrere Quadrate unterteilt, aus dem größten blickte Illireos ein junger Argone entgegen. Er berichtete über die Angriffe auf den Mars und den Mond, zeigte Bilder von gigantischen Trägern, Zerstörern und CPU-Schiffen und schließlich von dem Angriff auf die Erde. Ein anderes Quadrat verdrängte das des Sprechers und zeigte leicht verschwommene Aufnahmen von einer großen grauen Kugel, die auf die Erde zusteuerte. Illireos begriff, dass das der Mond sein musste.
Während der Erdtrabant seine Flugbahn beibehielt, vernahm Illireos eine Änderung in dem Bild. Der Mond war plötzlich wesentlich klarer zu erkennen und feine Risse bildeten sich schnell auf seiner Oberfläche. Schließlich versiegte ein kleiner roter Strahl, den der Teladi vorher gar nicht bemerkt hatte. Plötzlich blickte Illireos nicht mehr auf einen großen Himmelskörper, sondern auf eine ganze Reihe Bruchstücke, die an verschiedenen Stellen in den großen Torus-Ring einschlugen und ihn mitrissen.
Die Kameradrohne, von der die Aufnahmen zweifellos kamen, steuerte in die Atmosphäre der Erde. Nach wenigen Sekunden voller weißer, watteähnlicher Ballen, die wohl Wolken waren, zeigte sich eine Explosion, dann noch eine und noch eine. Plötzlich drehte sich die Kamera und man sah nur kurz etwas Gelbes aufblitzen, dann wurde das Bild schwarz. Das Quadrat wurde kleiner und der Sprecher wieder größer.
„Wir…“, der Argone schniefte und Wasser lief ihm aus den Augen. Illireos hoffte, dass er nicht ernsthaft verletzt war. Bei Teladi zeigte so etwas auf fortschreitende Zelldegeneration hin. „… unterbrechen das Programm.“ Nun wurde auch dieses Quadrat schwarz und machte einem weiteren Platz. In diesem waren wieder die Aufnahmen einer Kameradrohne zu sehen. Die Erde, belagert von riesigen Schiffen der Xenon, war im Hintergrund, kam jedoch stetig näher.
Es waren noch Schiffe der Terraner und der ATF zu sehen, die entweder in Explosionen oder weiß-blauen Lichtblitzen verschwanden. „Sprungantriebe“, ging Illireos durch den Kopf. Auch von der Oberfläche sah man einige Shuttles, Kapseln oder Kampfschiffe kommen, die ebenfalls in den Sprungantriebsblitzen verschwanden. Und nun starteten auch noch Kapseln von den Segmenten des Torus, die nicht abgestürzt oder von den Xenon zerstört worden waren, und sprangen davon.
Illireos schaltete den Holoschirm ab und stand auf.
Teil 3: Kapseln und Beiboote
Jennifer Cortez
Mit Mühe und Not hatte sie es in eine der Rettungskapseln geschafft. Nun ja, Rettungskapsel war vielleicht nicht das richtige Wort für ein Raumfahrzeug, welches mit Schilden, einem torlosen Sprungantrieb und sogar leichten Waffen ausgestattet war.
Cortez war alleine in der Kapsel, außer ihr hatte es niemand in die Andockschleuse 9 geschafft. In dem Moment, wo sie Energiepfeile hatte auf die Schleuse zukommen sehen, war sie um ihr Leben gerannt und hatte sich schließlich in der Kapsel versteckt. Sie hatte sofort abgelegt und den Ort des Schreckens mit dem Sprungantrieb verlassen.
Jetzt war sie irgendwo in der Oortschen Wolke. Mit bloßem Auge konnte sie den Planeten Eris vor der künstlichen Sonne Rabinowitz sehen, von dem laufend Schiffe starteten. Per Funk meldete sie sich bei dem Trägerschiff Robert Pearle des United Space Command. „Hier Lieutenant Cortez.“, sagte sie. „Ich habe den Angriff auf die Erde überlebt.“ Sofort wurden die Hangarklappen geöffnet und sie erhielt den Befehl zur Landung. Es würde zwar noch eine Weile dauern – sie war noch fast zwanzig Kilometer von dem Schiff entfernt – doch auf der Pearle wäre sie erst einmal in Sicherheit, jedenfalls bevor die Verteidigung im Sektor Pluto brechen würde.
Doch noch bevor sie überhaupt in Andockreichweite kam, sah sie einige Blitzlichter, die zweifellos von Sprungereignissen herrührten. Es konnten keine weiteren Überlebenden der Erde sein, die wären am Sammelpunkt herausgekommen, von wo sie herkam. Plötzlich brachen die Andocksysteme die Landung auf der Pearle ab und sie sah mehrere Jäger starten. Pflichtbewusst wie Lieutenant Cortez war, steuerte sie ihr Schiff hinterher.
Als die Zielerfassung die fremden Schiffe identifiziert hatte, schaltete sie sich auf orange. In den meisten Kampfschiffen der Terraner war die Zielerfassung mit fünf Codes programmiert. Blau wurden alle eigenen Einheiten angezeigt, grüne Objekte waren befreundet. Bei gelben war die Feindkennung unklar und orangene sowie rote Codes waren feindlich. Der rote Code war jedoch für AGI reserviert, deshalb wusste Cortez, dass es nicht die Terraformer sein konnten, die in den Sektor eindrangen. Nein, vielmehr war es ein Feind, den zu sehen sie sich sehr freute. Es waren eindeutig Schiffe der ETNO.
John Alman
Dieses Beiboot war ein wahrer Segen! Zwar hatte es nur einen kümmerlichen Asteroidenschild und war natürlich nicht bewaffnet, doch es gab sowohl ausreichende Sensoren als auch eine exakte Kopie des Speichers von der Kalypso – und damit auch des Bordcomputers.
Momentan steuerte Huli Lu die Eurydike, wie John das Beiboot getauft hatte. Er ruhte sich momentan auf einem kleinen Bett aus und dachte darüber nach, warum er das Rettungsboot nie ausreichend inspiziert hatte.
Mittlerweile waren die beiden im Sektor Meer der Fantasie angelangt, wo Huli Lu an der Schiffswerft vorbeiflog und eine Nachricht hinterließ. Sie hatte mit John nämlich schon große Pläne, doch erst einmal mussten sie zu einem vernünftigen Frachter kommen.
Die Schiffswerft verkaufte leider nur boronische Schiffe des Typs Delphin, die für John Alman nicht in Frage kamen, denn die Delphin war für ihre schwachen Triebwerke und die fehlende Geschützkanzel berüchtigt. Auch Frachter der Split und Paraniden schlossen die beiden aus, die Splitfrachter hatten zu geringe Schilde und mit den Paraniden wollten beide nichts zu tun haben. Der Zufall würde entscheiden, welches Modell sich die beiden zulegten, und so entschied der Zufall.
Ein argonischer Frachterkapitän flog nämlich ganz zufällig durch den Sektor und wollte seinen Frachter verkaufen. Und so flogen Huli Lu und John Alman zu dem Argonen namens Ferd Awasi.
„Guten Tag! Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte der etwas dickliche Händler, als John ihm ein Signal schickte. Er trug einen grünen Bordanzug und sah mit seiner Nase und den herunterhängenden Backen etwas aus wie eine Bolldugge. „Wir haben gesehen, dass sie ihren Frachter verkaufen möchten. Und da wir gerade einen benötigen, haben wir uns gedacht, dass wir uns mal bei Ihnen umschauen.“, antwortete John. Ferd Awasi lachte herzhaft, dass seine Hängebacken hin und her schlackerten.
„Na dann! Also, ich biete Ihnen mein Schiff des Typs Geier an. Die Transporter hat zwar schon einige Jazuras auf dem Buckel, dafür ist sie aber gut in Form gehalten. Wissen Sie, das Heckgeschütz ist im Moment etwas beschädigt, aber das lässt sich ausbessern. Sie fliegt auch nur 49,5 Meter in der Sezura anstatt 123,74, aber das müsste sich auch beheben lassen. Ich würde Ihnen das Schiff mit einem 25 Megajoule Schild übergeben. Ich habe keinerlei Zusatzsoftware installiert, aber ich überlasse Ihnen das Schiff für nur… sagen wir fünfzigtausend Credits. Was ist eigentlich mit Ihnen passiert? Sie fliegen hier mit einem zerschrammten Beiboot vorbei. Das sieht fast so aus, als ob Sie Ihr Schiff verloren hätten. Hmm… ich würde sagen argonischer Jäger der neueren Klassen. Elite, Nova oder Eklipse. Wobei die schon wieder etwas zu groß ist…“
John staunte. Fünfzigtausend Credits waren ein Schnäppchen. Bei den meisten Schiffen zahlte man mehr als fünfhunderttausend Credits. Aber er beherrschte sich erst einmal und antwortete: „Ja, Sie haben da nicht ganz unrecht. Ich wollte eigentlich nur die boronischen Sektoren besichtigen und habe gesehen, wie die Boronen ein Ausrüstungsdock abbauten…“
„Wow! Das sieht man wirklich nicht alle Tazuras!“, unterbrach ihn der Geschäftsmann staunend.
„Jaja, da haben Sie schon recht.“, bejahte John. „Ich habe dann gesehen, wie die Sreb das Dock und den Stationstransporter vernichtet haben. Glücklicherweise hatte meine Elite einen Transporter installiert, sodass ich diese Boronin aus ihrer zerstörten Yacht retten konnte. Doch ich hatte dann eine Staffel Chimären am Hals und bei dem Versuch, sie abzuschütteln, wurde mein Schiff nahezu manövrierunfähig geschossen und ist in die letzte Chimäre gekracht… Warum nennen Sie Ihr Schiff eigentlich Transporter?“ Der Geschäftsmann kratzte sich am Ohr.
„Nun, mein erstes Schiff war eine Argon Transporter, die ich aus mangelnder Kreativität einfach Transporter nannte. Als mein Schiff dann irgendwann den Geist aufgab, habe ich die damals neueste Geier genauso genannt, weil ich mich einfach nicht an den neuen Namen gewöhnen konnte. Ich hatte eigentlich vor, mir den Nachfolger des Schiffes zu kaufen, doch mein nächstes Schiff wird wohl eine Korvette mit vergrößertem Frachtraum werden. So etwas kostet zwar mehr, aber in diesen Zeiten…“ Ferd Awasi sah plötzlich gar nicht mehr so glücklich aus. John verstand nicht, was Ferd meinte. „Was meinen Sie damit?“ Der Argone schaute John ungläubig an.
„Ach ja, Sie waren ja mit den Sreb beschäftigt. Wissen Sie, die Xenon haben Terra überrannt. Die haben irgendwas mit dem Mond angestellt und der ist auf die Erde gestürzt. Alle Holosender bringen Extrasendungen darüber. Die ETNO konnte vermutlich einige Terraner von den äußeren Planeten retten, aber weiter innen… Alles was nicht schnell genug wegsprang, wurde von den Maschinen einfach weggepustet. Ich hatte ja immer was gegen diese Terraner, aber so etwas… Sie könnten in den nächsten Zeiten häufig Flüchtlingen oder Xenon begegnen. Ich sagte ja, dass Sie gut auf sich aufpassen müssen! Wissen Sie was, ich geb‘ Ihnen das Schiff für fünfundvierzigtausend! Sie sind noch so jung und haben so viel vor sich! Lassen Sie von dem restlichen Geld die Waffen in Ordnung bringen oder kaufen Sie sich bessere Schilde.“
John konnte es nicht fassen. Ein ganzes Volk einfach so ausgelöscht. Und das, wo die Terraner doch so starke Waffen und Schiffe hatten! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die Xenon ein anderes Volk angegriffen hätten. Noch etwas benommen von der schrecklichen Nachricht ließ er überprüfen, wie viel Geld er auf seinem Konto hatte. Das Ergebnis besagte fünfzehntausend Credits. Huli Lu hatte noch ungefähr dasselbe an Geld. „Im Moment können wir nur dreißigtausend Credits aufbringen, aber meine Versicherung müsste auch bald das Geld auszahlen und wir können bestimmt noch etwas auftreiben.“, berichtete John Ferd.
Dieser überlegte einige Sezuras, war dann aber auch einverstanden. „Geht klar. Ich gebe Ihnen meine Kontonummer und meine Adresse durch. Sie können mich dann immer mit Nachrichtendrohnen erreichen.“
John bedankte sich und überwies die Summe auf das Konto. Er flog mit dem Beiboot langsam auf den winzigen Hangar des Transporters zu und wartete dort. Es wunderte John ein wenig, dass Huli Lu während der ganzen Verhandlung kein Wort gesagt hatte. Bisher hatten alle Boronen, die er getroffen hatte, immer wie ein Wasserfall geplappert. Stand die Boronin vielleicht unter Schock? Dann bemerkte John es. Huli Lu war schlicht und einfach eingeschlafen! Über die tellergroßen Augen spannte sich eine dünne, fast durchsichtige Haut, die durch den sowieso schon sehr milchigen Umweltanzug kaum zu sehen war.
Sanft legte John ihr eine Hand auf die Schulter – sofern man irgendetwas an Boronen mit Schulter bezeichnen kann – und rüttelte die Boronin wach.
„Huli! Wach auf, wir haben ein neues Schiff!“, sagte er sanft.
Huli Lu riss ihre Augen weit auf und begann wie der besagte Wasserfall drauf los zu reden.
Teil 4: Evakuierung
Nopileos
An Bord der Herron lief alles so, wie es sein sollte. Der schwere Zerstörer war soeben mit zwei Trägern und einer Korvette in den terranischen Sektor Oortsche Wolke gesprungen, wo laut einem terranischen Flüchtling der Sammelpunkt von Schiffen im Kriegsfall sein sollte. Und tatsächlich waren in dem Sektor tausende von terranischen Schiffen in Reichweite der Sensoren. Nopileos bekundete die friedliche Absicht seiner Rettungsstaffel und ließ zahlreiche Jäger an seinen Trägern andocken.
Auch lagerte er abgebaute Stationen in den mächtigen Frachträumen der Schiffe ein.
Vor wenigen Sezuras war einer seiner Träger davon gesprungen, da sowohl Frachtraum als auch Hangar bis zur Obergrenze gefüllt waren.
Als Ersatz war ein Stationstransporter mit dem Sprungantrieb in den Sektor gelangt, um die zahlreichen Stationsbauteilsätze und Ausrüstungsgegenstände einzulagern. Dabei waren nicht nur Teile von Raumschiffen und -stationen sondern auch wertvolle Kunstgegenstände, die kleinere Kapseln in den Sektor getragen hatten.
Das größte Problem war, dass die Terraner überall um ihr Sonnensystem kleine schwarze Löcher erschaffen hatten, damit Schiffe nicht in den Sektor springen konnten. Dies hatte natürlich auch den Nachteil, dass die Schiffe nicht aus dem Solsystem springen konnten. Somit mussten alle Schiffe erst einen kleinen Sprung zu dem Sprungtor in Uranus 2 machen und von dort aus durch eben dieses Tor in den Sektor ETNOs Verbindung fliegen. Dabei gab es natürlich das Problem, dass der Sektor Uranus 2 von den Xenon besetzt war, die jeden Feind abschossen, der ihnen zu nahe kam.
Jennifer Cortez
Mit ihrem kleinen Shuttle war sie auf dem Planeten Eris gelandet und koordinierte einen kleinen Teil der Evakuierung.
Jennifer befand sich in einem Bürogebäude. Alle Bewohner des Planeten waren mit ihrem persönlichen Besitz von dem Planeten verschwunden, nun wurden so viele Ressourcen wie möglich von dem Planeten gerettet. Holopads, Computer, Tische und Stühle wurden aus der Schule getragen und in einen der vielen Frachter geladen, die in den breiten Straßen standen.
Dabei kam die geringe Schwerkraft den Arbeitern sehr entgegen, denn es musste schnell gehen. Niemand wusste, wann die Terraformer ihren Eroberungsfeldzug weiterführen würden.
Die wichtigsten Gebäude waren natürlich als erstes geleert worden, die Universität, einige Labore, der kleine Militärstützpunkt, der Shuttlehafen und mehrere Museen waren bereits vollständig ausgeräumt worden. Nur noch wenige Bürogebäude und Wohnhäuser mussten noch geleert werden. Leuchtstreifen wurden von ihren Decken abmontiert, man konnte alles gebrauchen, was noch zu holen war. Natürlich würde es zu viel Zeit kosten, die Gebäude vollständig abzubauen oder die Meere leer zu pumpen und so wurde nur das mitgenommen, was man in der Schnelle mitnehmen konnte. Einige Tanker zapften natürlich ein wenig Wasser aus dem Südmeer ab, doch es hätte Tage gedauert, bis diese wirklich leer wären.
Jennifers Bürogebäude war gerade fertig, als der Alarm losging. Die AGI kamen.
Schnell rannte sie zu ihrem Shuttle und startete die Zündung. Nichts passierte. Sie betätigte den Hebel noch einmal und… schon wieder nichts. Ärgerlich rannte sie in das Heck des geräumigen Rettungsshuttles und hantierte an der Energieleitung herum. Jemand hatte den Generator komplett heruntergefahren.
Die Fusions- oder Antimateriegeneratoren liefen in Rettungskapseln grundsätzlich auf einem sehr niedrigen Niveau, da es eine Weile dauerte, bis ein Generator aus dem Stillstand hochgefahren war, Zeit, die man bei der Flucht aus einem explodierenden Schiff oder einer Station nicht hatte.
Wütend ging sie wieder nach vorne zu den Anzeigen und beobachtete die startenden Frachter. Einer von ihnen flog knapp über ihre im Vergleich winzige Kapsel hinweg,
Sie hatte ihr Shuttle nach der nordischen Göttin Freyja genannt, ein Name, der nicht wirklich zu dem Schiff passen wollte.
Mittlerweile waren von den Frachtern nur noch kleine weiße Punkte am Horizont übrig geblieben, doch die Freya war immer noch nicht zum Abflug bereit.
Kleinere Blitze überzogen den Himmel, als die Frachter wegsprangen. Dann noch ein größerer, vermutlich war einer der riesigen Stationstransporter ebenfalls entflohen.
Die mittelgroße Kapsel war immer noch ohne Energie, doch am Himmel erschienen bereits andersfarbige Blitze. Winzige rote und blaue Energiepfeile zeigten die Kämpfe zwischen den Angreifern und den letzten Verteidigungskräften. Und dann passierte es. Ein Objekt leuchtete plötzlich gelborange auf und wurde immer größer. Jennifer schätzte, dass ein Schiff abgeschossen wurde und nun auf den Planeten stürzte.
Mittlerweile waren bereits kleinere Energiemengen verfügbar und die ersten Schiffssysteme aktivierten sich.
„Terraformer… PX“, meldete der Computer, der das abstürzende Schiff trotz der Beschädigungen identifizieren konnte. „Kollisionsalarm“, warnte der Computer weiter.
„Verdammt!“, rief Jennifer. Dieses Monstrum von Raumwrack würde direkt auf sie drauf stürzen! Sie konnte bereits Einzelheiten erkennen. Es war nur nach das zylinderförmige Bugsegment vorhanden, Triebwerke, Waffentürme und Sensorantennen waren bereits in der Atmosphäre verglüht oder abgebrochen.
Einige kleinere Objekte flogen hinter dem Wrack her, entweder kleinere Jäger oder Trümmerstücke.
Mit einem leisen Summen fuhren die Podkletnovaggregate an und auch die Trägheitsdämpfer waren aktiv.
„Einschlag in zehn Sekunden!“, ertönte es aus den schmalen Lautsprecherschlitzen. Jennifer stutzte. Damit konnte unmöglich der große Brocken gemeint sein. Und dann entdeckte sie ein etwa unterarmlanges Objekt, welches mit kaum sichtbarer Antriebsflamme auf die Kapsel zuflog.
Kein Absturz, keine Kollision. Jennifer hoffte, dass es sich bei dem Objekt nicht um eine Kampfdrohne handelte, deren Laser würde die Schiffshülle enorm aufheizen. Doch bei dem Objekt handelte es sich weder um eine Kampf- noch um eine Nachrichtendrohne. Es war auch kein TF/Assembler oder eine Frachtdrohne. Genau genommen war das kleine schwarze Objekt gar keine Drohnenart, von der Jennifer je gehört hatte.
Das Objekt stoppte langsam ab und fiel den letzten halben Meter auf den Boden. Jennifer vermutete, dass dem Objekt der Treibstoff ausgegangen war, denn eine kontrollierte Landung auf einem Planeten kostete viel Treibstoff.
Jennifer öffnete die Einstiegsluke und holte das Objekt in ihre Kabine. Sie zögerte kurz. War es schlau, eine unbekannte Drohne an Bord zu holen? Möglicherweise handelte es sich ja um einen Sprengsatz!
„Computer, identifiziere das Objekt!“, wies sie den Autopiloten der Freya an.
In der Aufregung hatte sie das abstürzende Wrack ganz vergessen, welches nun keine zwanzig Meter von der Kapsel entfernt aufschlug. Eine Druckwelle traf die Freya, doch die Schwebe- und Podkletnovaggregate verhinderten Schlimmeres. „Kollisionsalarm! Warnung: Feindkontakt! Energieleistung auf einundneunzig Prozent! Bei dem Objekt handelt es sich um einen CPU-Kern eines mittelgroßen Kampfschiffes!“, spuckte der Computer eine Reihe von Meldungen aus.
„Schilde aktivieren und Triebwerke auf volle Last! Sprungantrieb bereitmachen!“, rief Jennifer Cortez durch den plötzlichen Alarm hindurch. „Und schalte diesen verdammten Lärm aus!“
Die Sirene verstummte und vor dem Bugfenster konnte Jennifer vereinzelte Häuser vorbeifliegen sehen.
Sie bemerkte, dass sie den CPU-Kern immer noch in ihren Händen hielt. Sie schnallte sich an ihrem Sitz an und untersuchte den schwarzen Zylinder. „Computer, wo kam der Kern her?“, fragte Jennifer, die Antwort schon ahnend.
„Der CPU-Kern wurde wenige Sekunden nach dem Eintritt in die Atmosphäre von dem abstürzenden Terraformer PX ausgeworfen“, bestätigte das Schiffsgehirn.
Demnach hielt Jennifer in ihren Händen einen waschechten AGI! „Geht irgendeine Gefahr von dem Kern aus?“
„Negativ. Sowohl Strahlmasse als auch gesundheitsgefährdende Stoffe sind nicht in dem Objekt vorhanden. Allerdings ist eine Energieleistung messbar!“, sprach die Recheneinheit.
Plötzlich wurde das Schiff von einem Ruck durchgeschüttelt. „Schilde auf zweiundfünfzig Prozent. Wir werden von einem Terraformer L beschossen. Ich empfehle die Flucht mit dem Sprungantrieb!“
Jennifer bestätigte und aktivierte den besagten Antrieb. Blaue Entladungen zuckten aus dem Heck der Kapsel und die Freya verschwand von der Zielerfassung des Terraformer L.
John Alman
Ferd Awasi hatte Recht behalten. Der teladianische Geier der zweiten Generation war in einem guten Zustand. Abgesehen von den beschädigten Triebwerken und der Heckkanzel waren alle Systeme in einem Top-Zustand. Die Eurydike passte knapp in den winzigen Hangar und Huli Lu hatte sich sofort ein Quartier eingerichtet.
Mittlerweile war auch die Versicherungszahlung eingegangen und John hatte dem argonischen Händler weitere zehntausend Credits überwiesen.
Mit einer Geschwindigkeit von etwa fünfzig Metern pro Sezura erreichte die Transporter schließlich das System Hilas Freude und steuerte auf das Trümmerfeld zu. Schon aus einiger Entfernung erkannte man die Überreste des Ausrüstungsdocks und des Stationstransporters, doch das war nicht, wonach John suchte. Vielmehr waren es die Trümmer der Kalypso und der Chimären.
Ban Danna
„Wir müssen einen Gegenangriff planen!“, rief Ban Danna und schlug mit der Faust auf die Konsole.
Er befand sich in seinem Privatabteil an Bord der Argon Eins und hielt eine Konferenz mit den Staatschefs der Völker. Das Hologramm des Split-Kriegsministers meldete sich. „Split stimmen zu! Wir euch unsere Hilfe zusichern! Uns schon freuen auf Kampf!“
Kaum hatte Zein t’Nnt seinen Mund wieder zugemacht, meldete sich Bala Gi, ehemalige Außenministerin der Boronen: „Wir dürfen, können und wollen die Xenon nicht vernichten, zerstören und auslöschen! Nur die angrenzenden, benachbarten und anschließenden Sektoren dürfen vor den Xenon beschützt, verteidigt und bewacht werden!“
Nun erklang auch der tiefe Bass des paranidischen Priesterherzog für unheilige Angelegenheiten Somancklitansvt: „Wir werden euch unheilige Kreaturen nicht in eurem Bestreben unterstützen! Wir sehen keinen Grund dazu, euch Zweiäugigen zu helfen! Unser heiliger Sektor wurde von den Terranern geschändet und von den Xenon vernichtet. Wir werden euch nicht dabei helfen, Unseren Sektor in euren Besitz übergehen zu lassen!“
Das war also das Problem. Die Paraniden waren immer noch wütend, weil ihr Sektor von den Terranern eingenommen würde.
„Aber Priesterherzog! Wenn die Xenon nicht zurückgehalten werden, dann nehmen sie unsere Sektoren ein! Und mit unserer Technologie und unseren Ressourcen werden sie immer stärker werden und schließlich auch vor Paranid Prime auftauchen! Das alles ist doch schon einmal geschehen!“, meldete sich Danna wieder.
„Der unheilige Nomade wird sich Unserer Hilfe als würdig erweisen müssen! Er wird Uns ein großes Zugeständnis machen und Uns den Sektor überlassen“, erwiderte Somancklitansvt.
„Darf ich das heilige paranidische Imperium daran erinnern, dass es eine Angelegenheit der Unheiligen ist, das strahlende Licht Xaars zu beschützen?“, argumentierte der Geheimdienstler weiter.
„Der Zweiäugige spricht ein wahres Wort. Es wird die Aufgabe der Unheiligen sein, das strahlende Licht Xaars in Unserem Sektor zu beschützen. Wir werden eine Flotte entsenden. Drei mal drei mal drei Schiffe werden eurem unheiligen Unterfangen beistehen. Und die gesamte Flotte untersteht Uns! Dies sind Unsere Bedingungen für eine Knechtschaft eurer unheiligen Seelen!“
Ban Danna seufzte. Mit Schmeicheleien kam man bei den Paraniden immer weiter. Diesen Trick hatte er bei seinem Gegenüber schon häufiger verwendet, als er mitzählen konnte. Nur ein Mittel gegen die unglaubliche Arroganz kannte Danna nicht.
„Wer wird an dem Gegenangriff noch beteiligt sein?“, fragte der Argone.
„Split sich schon freuen auf Kampf! Dies aber schon gesagt haben…“
„Bei einer Eroberung des schönen, gefährdeten und schutzlosen Sektors oberhalb, über und nördlich von Zentrum der Arbeit werden wir mitmischen, helfen und beteiligt sein. Allerdings darf kein Genozid ausgelöst, verursacht und herbeigeführt werden!“
„Die teladianische Firma wird gegen eine kleine Bezahlung auch die Gefahr nicht scheuen! Ein Handelsvertrag wäre als Gegenleistung angebracht!“
Nach knapp vier Stazuras waren alle Verträge und Gegenleistungen endlich besprochen und der Gegenangriff konnte geplant werden.
Teil 5: Transportflug
John Alman
Mit Mühe und Not konnte John einige Habseligkeiten aus den Trümmern der Kalypso bergen. Doch auch einige nützliche Gegenstände ließen sich noch in den Trümmern des Abfangjägers und der Bomber der Sreb finden. Darunter waren ein Impulsstrahlen-Emitter und ein 25 MJ-Schild, den Huli Lu sofort in die Transporter einbaute. Doch auch mehrere leicht beschädigte Kampfdrohnen und einige Raketen des Typs Moskito waren dabei, sodass sich der teladianische Transporter wenigstens gegen einen Aufklärer verteidigen konnte.
Ein Großteil der Trümmerstücke war jedoch das, wonach er auch aussah, nämlich Schrott. Einige versengte Rumpfplatten, ein wenig vernarbtes Teladianium und durchlöcherte PDD-Bauteile. Verkaufen könnte man die wohl nirgendwo mehr, doch für Reparaturen an dem TS-Schiff kamen sie gerade recht. Und auch aus den Triebwerkselementen konnte man noch einige Bauteile finden, sodass das Schiff nun stolze 75 m/s flog. Für derartige Reparaturen oder Tunings an einem Ausrüstungsdock hätte man dafür mehrere tausend Credits gezahlt.
Plötzlich fing Al an, wirre Positionsanzeigen auszurufen. John warf einen Blick auf das Gravidar und erkannte sofort das Problem. Wenige Kilometer von der Transporter entfernt kämpfte das boronische Militär mit einem Piratenschiff des Typs Harrier. Einige Schüsse verirrten sich auch in die Schilde des TS und ließen die Konverter brummend anspringen. Der Pilot des Harrier erkannte seine Gelegenheit und versteckte sein Schiff hinter dem massigen Körper des Teladi Geier.
Das boronische Militär, bestehend aus zwei Schiffen des schweren Jägertyps Mobula, ließ sich jedoch nicht beirren und feuerte auf den Piraten. Leider trafen nur etwa vierzig Prozent der Schüsse den Aufklärer und die restlichen sechzig Prozent strapazierten die Schilde der Transporter auf ein Maximum. „Wir müssen etwas tun“, rief John aufgeregt. „Huli, kannst du die Raketen in das Abschusssystem einbauen?“ Die Boronin bejahte und verließ den Raum. „Warnung! Schilde bei sechsundzwanzigkommadrei Prozent!“, überbrachte Al die Statusmeldung. „Warnung! Die Temperatur der Energieleitungen nähert sich dem kritischen Bereich!“
Mit einem leisen Zischen verließen drei Raketen des Typs Moskito die Abschussvorrichtung der Transporter und ließen ihr Opfer hilflos durch das All taumeln. John meinte, eine Rettungskapsel von dem Objekt wegfliegen zu sehen, bevor der Aufklärer des Piraten in das hintere Frachtsegment des teladianischen TS einschlug. Mit einem lauten Knall überluden sich die Schildgeneratoren und ließen die Hauptenergieleistung schmelzen.
Schlagartig wurde es dunkel. Das Cockpit wurde nur noch von den schmalen Konsolen beleuchtet. Mit einem leisen Surren aktivierten sich die Notstromaggregate im Cockpit und ein schales Leuchten erhellte den Raum. Auf dem Hauptschirm formten sich einige Buchstaben und gaben den Schadensbericht aus:
„Schilde ausgefallen. Heckgeschütz weiterhin beschädigt. Hüllenstabilität im Heckbereich bei 55%. Sprachausgabe deaktiviert. Noch sieben Raketen des Typs Moskito in der Abschussvorrichtung. Eingehende Nachricht. Sprachausgabe kann nicht aktiviert werden. Kommunikationsprotokoll 08/44 übermittelt!“
Ein kleines Fenster öffnete sich auf dem Hauptmonitor und zeigte die Nachricht des boronischen Militärs. Als Dank für die Ergreifung dieses Feindes erhielt John hunderttausend Credits.
John erschrak, als plötzlich etwas Metallenes seinen Arm streifte. Reflexartig hob er seinen Arm hoch und warf den kleinen Reparaturroboter von seinen Antriebsketten.
John erschrak noch mehr, als plötzlich etwas Gummiartiges seinen anderen Arm streifte. Huli Lus Tentakel lag auf seiner Schulter.
„Bist du verletzt?“, fragte er sie.
„Nein. Ich fühle mich gesund, gut und bin unverletzt! “, antwortete die Boronin.
„Na klar…“, murmelte John. „Kannst du die Energieleitungen reparieren?“
„Meine Nanomembran ist leider nicht für Reparaturen im Vakuum ausgelegt, produziert und entwickelt worden. Aber diese kleinen, süßen und schnuckeligen Reparaturroboter haben bereits mit ihrer Arbeit begonnen, angefangen und gestartet. Ich habe sie so programmiert, geregelt und eingestellt, dass sie die Energieleitungen und die Hülle im Heck reparieren, flicken und ausbessern und für eine Schildkompatibilität sorgen.“
John nickte und blickte auf den Hauptmonitor. Erst jetzt realisierte er, dass die Boronen ihm hunderttausend Credits überwiesen hatten.
„Huli! Sieh nur! Wir sind reich! Ich werde sofort unsere Schulden bei Ferd Awasi bezahlen und du schaust, ob du irgendwelche guten Handelsmöglichkeiten entdecken kannst. Was können diese Reparaturroboter eigentlich alles herstellen?“
Zwei Stazuras später befanden sich weitere Trümmerstücke im Frachtraum der Transporter und das Schiff nahm Kurs auf den Produktionskomplex Mittlerer Schild.
Weitere vier Stazuras später war der Frachtraum bis zum Anschlag mit 25MJ- und 125MJ-Schilden sowie Aufklärungs- und Kampfdrohnen gefüllt. Huli Lu hatte festgestellt, dass das argonische Militär in Omikron Lyrae dringend Ausrüstungsgegenstände benötigte.
Die Reise in den argonischen Sektor würde nicht ungefährlich werden. Da kein Sprungantrieb in dem Schiff installiert war, musste die Transporter entweder durch die gefährlichen Sreb-Sektoren fliegen oder einen langen Umweg über die ETNO-, Teladi- und Splitsektoren in Kauf nehmen.
Doch dann entdeckte John eine weitere Möglichkeit. Er könnte über die ETNO-Sektoren bis nach ETNOs Verlust fliegen und von dort aus über Ketzers Untergang in das argonische Gebiet gelangen. Die Xenon in Ketzers Untergang würde John wohl oder übel in Kauf nehmen müssen, wenn er seine Waren noch gewinnbringend verkaufen wollte.
Er schaute sich noch einmal die Entfernungen an und fragte dann Huli Lu: „Huli, wie wollen wir eigentlich nach Omikron Lyrae kommen? Wir könnten die gefährliche Route durch Sreb- und Xenonsektoren nehmen, die sieben Sektoren lang ist, die Route über die ETNO-, Teladi- und Splitsektoren, die dreizehn Sektoren lang ist oder die Route durch die ETNO-Sektoren und Ketzers Untergang, die neun Sektoren lang ist. Ich wäre für letztere, möchte mich aber dann doch besser vorher mit dir absprechen“ Die Boronin antwortete nach einer kurzen Denkpause:
„Wir sollten die Gefahr nicht meiden, ihr nicht entfliehen und nicht lange warten und über Ketzers Untergang fliegen. Oder wir fragen einen TM-Piloten, ob er uns mitnimmt!“ „Das wäre eine gute Alternative, jedoch passt unser Frachter nicht in die TMs. Die haben leider keine passenden Andockschleusen. Aber vielleicht können wir einen Kampfpiloten fragen, ob der uns beschützt!“, erwiderte John darauf. Huli bejahte dies mit einem eindrucksvollen Satzkonstrukt und suchte nach entsprechenden Einträgen im Sektornetzwerk. John überprüfte derweil das Gravidar auf Schiffe, die die argonischen Sektoren als Ziel angegeben hatten. Er stieß auf einen Jäger des Typs Eklipse. Der Pilot und Besitzer war niemand anderes als Ferd Awasi.
John gab Huli Bescheid und beeilte sich, in die Kommunikationsreichweite des Argonen zu gelangen. „Hahaha!“, meldete sich Ferd mit schlackernden Backen. „Wen haben wir denn da? Dich kenn‘ ich doch!“ John grinste. „Es überrascht mich, Sie in einer Eklipse zu sehen. Wollten Sie sich keine Zentaur kaufen?“ Der Händler antwortete:
„Doch doch. Das ist auch nicht mein Jäger. Ein Kurierdienst hat mich angesprochen. Die möchten dieses Schiff einem Kunden in Zentrum der Arbeit übergeben. Da es in Omikron Lyrae eine argonische Schiffswerft gibt, kann ich mir dort dann eine Zentaur kaufen. Obwohl mir dieses kleine Schätzchen auch gefällt. Soll dem Militär überbracht werden. Wegen diesem Großangriff auf Ketzers Untergang. Und was habt ihr beiden vor?“
„Wir sind ebenfalls auf dem Weg dorthin. Unser Frachtraum ist bis zum Rande mit Ausrüstungsgegenständen gefüllt. Wir müssen nur recht schnell ankommen, bevor wir das ganze Zeug nicht mehr verkauft bekommen…“
„Hmm… die Route über die Sreb-Sektoren kann ich euch mit der alten Transporter aber nicht empfehlen. Ich wollte eigentlich über Ketzers Untergang fliegen. Das ist genauso weit wie über die Srebs aber weitaus ungefährlicher“, antwortete Ferd Awasi. „Wir könnten doch zusammen fliegen! Die Eklipse hier ist mit dem ganzen Militärschnickschnack ausgerüstet. Wundert mich, dass man mir so ein schickes Schiff überlässt…“
John akzeptierte das Angebot und setzte Kurs auf das Osttor nach Meer der Fantasie. Mit einem lauten Rumpeln kippte das Schiff zur Seite und machte einen Satz nach vorn.
Während der Reise durch die beiden boronischen Sektoren reparierten die Roboter immer größere Stücke in der Außenwand der Frachtmodule. Sogar einen kleinen Anstrich konnte er der Transporter verpassen. Die Farbe an den reparierten Modulen glich zwar nicht ganz der von dem Rest des Schiffes, jedoch unterschieden sich die beiden Farbtöne nur um wenige Nuancen. Jetzt wo der gesamte Frachtraum wieder verfügbar war, konnten die Waren auch dorthin ausgelagert werden und es war wieder einigermaßen viel Patz im Schiff. Huli richtete sich sofort eine kleine Werkstatt ein und reparierte die Kampfdrohnen sowie einige Reparaturroboter.
Auch in den ETNO-Sektoren geschah nicht viel. John meinte, einen großen Zylinder in Nopileos Hauptquartier zu sehen, doch das Schiff verschwand in einem Sprungblitz, bevor er es genauer beobachten konnte. Ihm wurde etwas mulmig, denn John hatte einige Gerüchte über die gewaltigen CPU-Schiffe der Xenon gehört.
Über Nyanas Glück und Elenas Freude ging es dann schließlich nach ETNOs Pufferzone, wo sich das Militär mit einem kleineren Piratenkonvoi herumplagte. Einer der Piraten verließ sein Schiff und John hoffte schon, den Abfangjäger übernehmen zu können, doch die ETNO-Schiffe waren schneller. Mit einem kleinen Blitz feuerten die Schiffe auf die Elite und John dachte schon, dass ihr dasselbe Schicksal zustoßen würde wie seinem Schiff desselben Typs. Doch die Piloten beschossen das M4-Schiff mit Reparaturlasern und konnten schließlich ein Schiff mit komplett reparierter Hülle übernehmen.
John überlegte eine Weile, wie die Reparaturlaser funktionieren mochten und blieb dann an der Erklärung hängen, dass vermutlich winzige Naniten zu dem Schiff flogen und es reparierten.
Kurz vor dem Südtor kamen ihm dann doch einige Zweifel, ob es das Richtige wäre, durch das riesige Raumgebilde zu fliegen, doch sowohl Ferd Awasi als auch Huli Lu sprachen ihm Mut zu.
Nachdem sich die Energieentladungen gelegt hatten, starrte John auf das Bild, das sich ihm darbot. Groteske Formen streckten sich von zerschmolzenen Gebilden aus, das Weiß der Hülle mit Flammenspuren und tiefen Kratzern überdeckt. Der Bordcomputer wich sanft einem Trümmerstück aus, welches mit dem Sprungtor kollidierte und dort in winzige Teile zerbrach. Die Triebwerksgondel eines terranischen Zerstörers schwebte wenige Meter neben der Transporter und Reparaturroboter lösten sich von dem Frachter, um Materialien zu verwerten. Tatsächlich konnten einige Ressourcen aus dem Trümmerstück gewonnen werden, darunter sogar eine geringe Menge Antimaterie samt Eindämmungsfeld und Generator.
Der Hauptkorpus sowie das Hauptstück des Antriebes jedoch konnten nicht gefunden werden, vermutlich hatte der Hauptantimaterietank nicht so viel Glück gehabt wie die Gondel. Das Cockpit eines Aufklärers trudelte durch Johns Sichtfeld und er meinte, kurz einen Blick auf eine schemenhafte Gestalt werfen zu können. „Al, kannst du irgendwelche Lebenszeichen ausmachen?“, fragte John den Computer. Ein kleines Licht signalisierte den laufenden Prozess. „Nein, abgesehen von Ihnen, Ferd Awasi und Huli Lu befindet sich kein Lebenszeichen in Scannerreichweite. Allerdings konnte ich ein größtenteils unbeschädigtes Objekt am Osttor ausmachen!“, beantwortete der Computer Johns Anfrage.
Und tatsächlich konnte John mit dem bloßen Auge ein kleines Objekt in großer Ferne ausmachen. Plötzlich blitzte etwas aus der Richtung in der Dunkelheit auf. Es sah weniger nach Sonnenspiegelungen aus als nach Triebwerksstrahlen. „Warnung! Feindschiff in Reichweite!“, meldete sich Al. Von dem Objekt lösten sich kleinere Punkte und rasten auf die Transporter zu. John wich den Laserschüssen aus, doch als sich weitere Schiffe in der Nähe ausmachen ließen, gab er auch dieses Unterfangen aus. „Computer! Automatische Ausweichmanöver starten!“, rief er. „Negativ. Es ist keine Steuerdüsenerweiterung aktiviert. Durch pures Rollen oder Wenden wird kein positives Ergebnis geliefert werden!“
Steuerdüsenerweiterung? Natürlich! Diese alten Schiffe hatten noch keine Steuerdüsen in der Serienausstattung. Ferd Awasis Eklipse näherte sich von Backbord und erwiderte das Feuer. Die beiden Geschütztürme unterstützten dabei die Hauptwaffen und so ging ein Schiff nach dem anderen in Feuerbällen unter. Rettungsboote und Raumanzüge flogen in das Trümmerfeld davon. Es war nicht auszuschließen, dass einige Sektionen der zerstörten Stationen noch bewohnbar waren.
Weitere drei Schiffe der Piraten, als die sich die Angreifer entpuppt hatten, näherten sich. Die beiden Aufklärer hängten sich an die Transporter, während der schwere Jäger des Typs Todesklaue auf die Eklipse feuerte. „Huli! Kannst du das Heckgeschütz reparieren? Wir bekommen hier eine Menge Ärger!“, rief John.
Tatsächlich waren die Schilde bereits auf achtzig Prozent heruntergeschossen. Hinter sich hörte John eine erstickte Antwort und aus dem folgenden Geschepper schloss John, dass sie sich einen Weg durch ihre kleine Werkstatt bahnte. John legte das Bild einer Innenkamera des Geschützturmes auf einen Monitor rechts neben sich.
Zwischen dem Gewirr von Reparaturrobotern erkannte er plötzlich einen Tentakel. Abdeckplatten wurden zur Seite geworfen und Kabelstränge umgeleitet. Huli Lu hatte sich ihren Reparaturumweltanzug angezogen, der noch milchiger war als die Standardmodelle. Aus diesem Grunde machte ihr jedoch der langsam entstehende Unterdruck nichts aus.
Rote Projektile flogen von allen Seiten auf die Transporter zu und einige Löcher wurden bereits von Reparaturrobotern geflickt. Die Schilde waren unterdessen auf sechzig Prozent ihrer Gesamtkapazität gefallen. Mit einem leisen Krächzen löste sich ein Energieprojektil aus der Heckgeschützkanzel und die Schiffsschilde waren plötzlich wieder auf achtzig Prozent.
„Ich habe den Hauptgenerator auf Vollleistung gefahren, ihn komplett aktiviert und zu Höchstleistungen motiviert!“, rief Huli Lu. „Die Reparatur der Geschützkanzel ist jedoch schwieriger, anstrengender und nicht so leicht, wie ich gedacht hatte!“
John nickte kurz und wiederholte seine Aussage in Worten, als ihm einfiel, dass die Boronin ihn nicht sehen konnte.
John warf einen Blick auf die Eklipse vor ihm. Die Schilde waren nur noch auf dreiundzwanzig Prozent und die Hülle wies bereits an einigen Stellen schwarze Spuren auf. Doch das Feindschiff war bereits fast komplett zerstört. Seine rotbraune Hülle leckte schon an vielen Stellen und die Schilde bekamen keine Zeit mehr, sich zu regenerieren. Gekonnt feuerte Ferd Awasi einige Energieprojektile auf die Waffensysteme und schoss die Todesklaue kampfuntüchtig. Anstatt zu flüchten, flog das Piratenschiff jedoch jetzt auf die Transporter zu. John wendete den Frachter und floh vor dem Jäger, der alle seine Bewegungen mitmachte. Dies würde ihm jedoch nur wenig Zeit geben, bevor das M3-Schiff ihn einholen und rammen würde.
„Huli, die Heckkanzel!“, rief John. „Ich bin dabei, ich bin dabei!“, rief die Boronin untypisch kurz. Die beiden Aufklärer hatten sich unterdessen Ferd Awasi zugewandt und waren ebenfalls kampfuntüchtig. Sie flogen außer Feuerreichweite, blieben aber in der Nähe ihrer Gegner. Plötzlich wurde es in dem Schiff des Argonen dunkel. Der Hauptgenerator hatte unter der Last abgeschaltet. Nur noch ein kleiner Asteroidenschild und eine minimale Bewaffnung waren verfügbar. Er würde die Todesklaue nicht zerstören können. John wurde noch nervöser.
Mit einer ohrenbetäubenden Kakophonie verließen plötzlich sechs Energiepfeile das Heckgeschütz und schossen auf den Verfolger der Transporter zu. Die serienmäßigen Steuerdüsen des Piraten explodierten in einer blaugrünen Wolke und das Schiff drehte ab und rammte das Flügelsegment einer terranischen Korvette, wenn man das grau-schwarze Etwas noch als Korvette bezeichnen konnte.
John atmete auf. „Das war wirklich knapp!“, hörte er Ferd Awasi durch die Komm sagen. Er wollte dem Händler antworten, doch sein Plan wurde von den beiden Piraten-M5 durchkreuzt. Mit einer hohen Geschwindigkeit umkreisten sie die Transporter, deren Heckkanzel wieder offline war. „Huli!“, rief John. „Jaja, gleich!“, erwiderte die Boronin gestresst. Die Piraten kamen immer näher, feuerten einige Salven auf die Eklipse und wendeten in einem waghalsigen Manöver. Noch eine weitere Salve und eine Wende und die Piraten schossen auf den wehrlosen Frachter zu.
„Verdammt!“, rief John, als die Triebwerke seines TS-Schiffes plötzlich wie wild an- und abschalteten. „Huli! Die Triebwerke!“, brüllte John durch das halbe Schiff. „Ich habe nicht gemacht, getan oder angefasst!“, rief die Boronin. „Das Schiff fliegt einfach so davon, weg und seinen eigenen Weg!“ Mit einem lauten Krachen deaktivierten sich die Triebwerke und das Schiff glitt weiter in Richtung Sprungtor. John bemerkte, dass Ähnliches mit den Aufklärern und der Eklipse geschah. Mit einem weiteren Krachen aktivierten sich die Triebwerke wieder und die Navigationskontrolle lag wieder bei John.
„Al, was war das?“, fragte dieser. „Ein Impuls unbekannter Wellenart hat die Triebwerkssysteme gestört. Da nur Bauteile der GdP in Gefahr sind, lässt sich der Schluss fassen, dass entweder die Kha’ak, die Xenon oder die Terraner dahinterstecken; unbekannte Völker mal ausgeschlossen“, antwortete das Gehirn des Schiffes.
Die beiden Aufklärer flogen in parabelförmigen Bahnen zu ihrer Basis davon und die Eklipse ordnete sich hinter der Transporter ein. Reparaturroboter lösten sich von dem Frachter und landeten auf dem Jäger, wo sie Schäden in Hülle und Lack ausbesserten. Schließlich wollte man das Schiff in gutem Zustand seinem Besitzer übergeben.
Als die Reparaturen beendet waren, flog die Eklipse vor die Transporter und die Reparaturroboter kehrten zu ihrer Heimat zurück.
Nur wenige Mizuras später verschwand ein Konvoi aus zwei Schiffen durch das Osttor nach Ketzers Untergang.
Teil 6: Schwarmwesen
Leif Trogartson
Er erwachte aus der Bewusstlosigkeit. Schwach erinnerte er sich, dass irgendein großer Zylinder ihn gerettet hatte. „Das CPU-Schiff #deec!“, kam ihm in den Sinn. Dann war der Zylinder verschwunden und Are Skiron hatte versucht, den Sprungantrieb wieder zum Laufen zu bekommen. Eine schemenhafte Figur des Argonen zeichnete sich vor seinem inneren Auge ab. Dann ein heller Lichtblitz und Dunkel.
Leif öffnete die Augen. Er befand sich in der Leif One. „Computer, Positionsbestimmung!“, rief er. Keine Antwort. Er richtete sich auf. Die Konsolen waren allesamt tot. Ein schwaches Glimmen störte die Dunkelheit. Plötzlich wurde es strahlend hell im Raum. Ein Summen erklang und Leif sah einen geisterhaften Blitz an der Cockpitscheibe vorbeisausen. Die Monitore aktivierten sich. „Schilde kritisch!“, stand in roten Lettern auf dem sonst völlig schwarzen Monitor. „Feindalarm“, blinkte auf einem anderen.
Leif drehte sich um die eigene Achse und blickte aus dem Fenster. Violett! Da draußen war alles violett! Und das Violett leuchtete. Daher also das Glimmen. Plötzlich erschrak Leif. „Violett? Nur die Schiffe der Kha’ak sind violett!“, rief er laut. Doch waren die Kha’ak nicht vernichtet worden? Die Antwort war nicht schwer, er hatte den Beweis direkt vor seinen Augen. Und wieder der Blitz. „Kyonen-Emitter!“, brüllte Leif durch die leere Brücke. Dann begann er zu laufen.
„Sprungantrieb aktivieren!“, sagte er mit schwacher Stimme. Zu tief war der Schock. Die Kha’ak, eine der größten Bedrohungen der GdP. „Sprungantrieb beschädigt! Schilde ausgefallen! Warnung: Hüllenstabilität gefährdet!“, antwortete der Computer. Leif schlitterte gegen die Wand. Ein heftiger Schmerz zuckte in seiner Seite, wo er gegen die harte Wand geprallt war, doch Leif achtete nicht darauf. Dort hinten war der Fahrstuhl.
Schnell in das Rettungsbot und weg!, dachte sich Leif. Hinter ihm ertönte ein ohrenbetäubendes Brüllen. Orange-rotes Licht erfüllte den Raum und die Temperatur stieg rasant. Leif hastete in den Aufzug und verschloss die Tür. Die PDD-Kapsel setzte sich in Bewegung. „Warnung! Brückensysteme ausgefallen!“, sprach der Computer.
„Energieversorgung kann nicht garantie…“, der Computer verstummte. Es wurde kurz dunkel, dann schaltete sich ein rotes Leuchten ein. Die Notstromversorgung. Das kleine Objekt hielt und Leif stürmte aus der Fahrstuhlkabine heraus. Er rannte nach vorn, doch dort wurde er auch schon von einem Kha’aklaser erwartet.
Mit einem ohrenbetäubenden Krachen durchschossen die emittierten Kyonen die Außenhülle. Leif machte kehrt und zerrte an der Tür, doch der starke Sog der entweichenden Luft ergriff ihn. Mit letzter Kraft schaffte er es durch das auffahrende Schott und rappelte sich auf. Er rannte weiter. Schon konnte er das winzige Beiboot hinter der Stahlglasscheibe erkennen, doch die Tür zu dem Hangarraum befand sich am anderen Ende des Flurs. Links das Stahlglas und rechts die Außenhülle aus Polydiamandoid rannte er nach vorne, als das weiße Blitzen des Kyonen-Emitters wieder den Raum erhellte.
Mit weit aufgerissenen Augen sah er, wie der Laser das Schiff von oben nach unten durchschlug. Die Stahlwand neben ihm verzog sich, hielt aber den Temperaturen der erwärmten Luft stand. Dann kam der Sog. Das kleine Beiboot wirbelte wie ein Blatt umher und flog schließlich durch das gewaltige Loch, welches in dem Schiff klaffte, nach draußen ins All. Der Sog ergriff auch die Stahlglasplatte und ein hässliches Knacksen ertönte.
„Chikisho!“, rief Leif. Er rannte weiter zum Ende des Flurs. Das Schott öffnete sich mit einem leisen Surren. Leif rannte weiter und das Schott schloss sich hinter ihm. „Rettungskapseln!“, rief er und dieses Wort verlieh ihm neue Hoffnung.
„Computer, wo ist die nächste Rettungskapsel?“ Keine Antwort. Natürlich, die Sprachausgabe war ja deaktiviert worden. Leif stoppte direkt vor einem Computerterminal und überprüfte die Angaben. Bei der letzten Statusüberprüfung waren noch drei Rettungskapseln übrig gewesen – alle auf einem anderen Deck als Leif war – doch danach war der Kontakt zu Sensoren und Hauptrechner abgebrochen. Leif rannte weiter. Er erreichte den Maschinenraum. Dieser Raum umfasste zwei Decks, eine Rettungskapsel befand sich auf dem Deck über ihm. Leif lief zu einer der Leitern. Stopp! Wäre es ratsam, sich einen Raumanzug anzuziehen? Leif überlegte. Sein jetziger Bordanzug würde ihn im Falle eines Vakuums lange genug mit Sauerstoff versorgen können. Nach etwa zehn Mizuras würde die Temperatur jedoch zu gering sein, um noch überleben zu können. Ein Raumanzug würde ihn jedoch bei der anstehenden Kletterei enorm behindern.
Leif schnappte sich eine kleine Null-G-Tasche und stopfte einige Werkzeuge hinein. Dann kletterte er die Leiter hinauf. „Verdammt!“, rief er, als das Stahlkonstrukt umkippte. Im selben Moment deaktivierte sich die künstliche Schwerkraft und das Licht wurde um einige Nuancen dunkler. Leif stieß sich einmal kräftig vom Boden ab und erreichte somit das nächste Deck. Leider verlief seine Landung nicht sehr sanft und er stieß sich den Kopf an einem der gewaltigen Stützbalken. Er öffnete das nächste Schott. Erst jetzt kamen ihm seine Mannschaftskameraden in den Sinn.
Die fehlenden Rettungskapseln wiesen darauf hin, dass seine Mannschaft geflohen war. Er wischte den Gedanken weg und suchte den Eingang zu den Kapseln. Er bog um die Ecke und erkannte die runden Öffnungen der Kapseln. Vier dieser Kreise waren nebeneinander, drei davon mit einer schwarzen Platte verschlossen. In einer der Platten war ein schmales Leck und Sauerstoff strömte aus. Leif quetschte sich durch die vierte Öffnung in die Kapsel. Er schloss die Luke und startete das winzige Raumfahrzeug. Nach etwa einer Mizura drehte er das kleine Objekt und deaktivierte die Triebwerke. Es würde sicherer sein, wenn die Kha’ak seine Kapsel nicht fanden.
Die ehemals stolze Leif One war nun nicht mehr als ein zerlöchertes Stück Weltraumschrott. Weiße Strahlen durchschossen die Hülle und zerstörten das, was Leif vor wenigen Stazuras noch sein Zuhause genannt hatte.
In das Weiß der Strahlen mischte sich nun auch noch eine rote Explosion. Der Sauerstoff entzündete sich und Leifs Heimat verwandelte sich zu Raumstaub.
Leif nutze die umherfliegenden Trümmerteile und aktivierte kurz die Triebwerke, nur um sie gleich wieder abzuschalten. Dieser kurze Schub würde seine Flugbahn wie die eines der Trümmerteile aussehen lassen.
Doch er hatte sich zu früh gefreut. Direkt vor seiner Nase sprang ein Zerstörer der Kha’ak in den Sektor. Eine Art Traktorstrahl erfasste die Rettungskapsel und zog sie in eine unscheinbare Öffnung.
In dem violetten Licht erkannte Leif, wie sich hinter dem winzigen Flugkörper eine Klappe schloss. Er war gefangen. Doch nicht genug, ein kleines Instrument näherte sich seinem Schiff und trennte das Heckteil sauber von dem Cockpit ab.
Der Helm von Leifs Bordanzug entfaltete sich zischend und schütze ihn vor der Dekompression. Zwei widerlich aussehende Wesen, vermutlich Kha’ak, flogen zu Leif und nahmen ihn zwischen sich.
Die beiden Kha’ak führten ihren Gefangenen in eine Zelle und schlossen die sechseckige Tür. Leifs Helm entfaltete sich nach kurzer Zeit, der Raum war mit Sauerstoff gefüllt.
Bedrohlich aussehende Maschinen entfalteten sich aus der Wand und nahmen Leif in die Mangel. Er spürte den Stich einer Nadel im Arm und ihm wurde schwarz vor Augen.
Teil 7: Terraformer
John Alman
John sank in seinen Sessel zurück. Dunkle Silhouetten drehten sich am Nordtor in seine Richtung. Die Xenon-typischen Module der Großkampfschiffe glänzten im Sonnenlicht und schienen John den Weg zu seinem Ziel zu weisen. Sein Blick wanderte entlang dieser Linie über das Cockpitfenster bis er plötzlich einen Kreis entdeckte. Erst dachte er, dass es sich dabei um eine Sonnenspiegelung handelte, dann erstrahlte das Innere des Kreises plötzlich in einem bedrohlichen Rot. Schließlich drehte sich das Objekt und John sah, dass er vorher auf die Frontseite eines gewaltigen Zylinders geblickt hatte. Die Drehung stoppte und einige Laserpfeile lösten sich von dem Schiff und ließen einen kleinen Punkt in Flammen aufgehen.
„Al, warum war das Licht in dem gewaltigen Schiff gerade deaktiviert? Kannst du mir Informationen über das Schiff und sein ehemaliges Kampfziel geben?“
Drei Bildschirme in der Transporter aktivierten sich. Der erste zeigte das gewaltige Zylinderschiff. Der Zylinder drehte sich gemächlich und feuerte seine Laser ab. Danach wiederholte sich die Aufnahme. „Terraformer/Xenon CPU-Schiff“ stand unter dem Objekt. Weitere Informationen über Schilde, Waffen und Triebwerke listeten sich darunter auf.
Auf dem zweiten Bild war eine Schockwelle zu sehen. Dabei handelte es sich vermutlich um dieselbe Schockwelle, die die Schiffe im Sektor ETNOs Verlust lahmgelegt hatte. Sie war von dem Computer orange eingefärbt worden, damit sie auch mit dem bloßen Auge zu erkennen war. Als Ursprung gab der Bildschirm das Westtor an. Das dritte Bild zeigte ein weißes Schiff, welches entfernt einem Xenon N ähnelte. Das Schiff wurde von Laserpfeilen getroffen und verschwand in einer M/AM-Explosion. Und wieder wiederholte sich das kurze Video. „Terraformer .fade“ stand auf dem Bildschirm, danach folgten wieder Zusatzinformationen über Bewaffnung und Beschildung.
Dann begann Al mit der Antwort: „Die Schockwelle, die die Elektronik der Schiffe im Nachbarsektor manipuliert hat, scheint sich durch das Sprungtor in diesen Sektor ausgebreitet zu haben. Vermutlich enthält die Schockwelle eine unbekannte Strahlung oder Form der Materie, wodurch das Sprungtor sich auch für die Schockwelle aktiviert. Aus diesem Grunde wird das Sprungtor als Ursprungsort für die Schockwelle angegeben.
Die Schockwelle hat alle Einheiten in diesem Sektor beeinflusst. Als wir den Sektor betraten, war jedoch nur noch das gewaltige CPU-Schiff der Xenon von der Störung beeinflusst. Scheinbar löst die Schockwelle bei den Xenon jedoch schwerwiegendere Defekte aus als bei Schiffen der GdP. Bei dem Zielobjekt handelt es sich um einen Aufklärer der Terraformer in der ersten Generationsstufe.“
John schossen einige Fragen durch den Kopf. Warum vernichteten die Xenon ihre eigenen Einheiten? Und wo hatte Al so detailreiche Informationen über den Aufklärer her? Die Zeit hatte jedenfalls nicht ausgereicht, um diese Daten vor der Zerstörung des Schiffes zu sammeln. Bevor John jedoch seine Fragen stellen konnte, meldete sich Ferd Awasi über die Comm: „Hey John, da kommen gerade einige Xenon in unsere Reichweite. Es sind einige Aufklärer und Abfangjäger…“ Sein Blick wendete sich kurz einer Konsole zu. „Drei M5 und vier M4. Ich schätze, dass es sich dabei um ein Standard-Empfangskomitee handelt. Jedoch sind es normalerweise Vierergruppen und keine Dreier!“ Awasis letzte Bemerkung bezog sich auf das Dreiergespann der Aufklärer. „Es scheinen außerdem alles diese alten Terraformer-Dinger zu sein. Jedenfalls bin ich den Viechern schon in Aldrin begegnet“, fügte der Argone hinzu.
John zuckte zusammen. Gegen drei M5 und vier M4 hatten sie keine Chance. „Al!“, rief John. „Handelt es sich bei den Schiffen wieder um diese .fade-Teile?“ Al antwortete: „Mein lieber John. Bei den Aufklärern handelt es sich tatsächlich um Schiffe des .fade-Typs. Die Abfangjäger sind jedoch Schiffe des .deaf-Typs. Das ist doch relativ einfach!“ John zuckte erneut zusammen.
Hatte Al sich da etwa gerade über ihn lustig gemacht? Irgendetwas Geheimnisvolles umgab den treuen Bordcomputer. Vielleicht war es auch nur eine Funktionsstörung. Jetzt hatten auch die Uralt-Scanner der Terraformer die Schiffe entdeckt. Jedoch erschienen sie nicht als rote feindliche Punkte sondern als blaue neutrale auf dem Gravidar.
„Al, führe bitte eine Selbstdiagnose durch!“, erteilte John den Befehl. „Diagnose negativ. Alle Computersysteme laufen innerhalb der Toleranzgrenzen. Der Wert der Abteilung 22F6 ist leicht abgesenkt“, lieferte Al das Ergebnis.
„Wofür steht 22F6?“, fragte John. „Computerpersönlichkeitsverschleierung“, antwortete Al.
Bevor sich John über diese Antwort wundern konnte, erreichten die sieben Schiffe der Xenon die Feuerreichweite. Die Eklipse begann zu feuern, jedoch traf keiner der Schüsse. John wollte gerade den Feuerbefehl geben, als sich die Heckgeschützkanzel verselbstständigte und die Waffengeneratoren der Eklipse ins Visier nahm.
Sofort öffnete sich ein Kommunikationsfenster. Ein wutentbrannter Ferd Awasi erschien. In seinem roten Gesicht traten einige Adern groß hervor.
„Ein Schuss! Nur ein Schuss und wir werden alle sterben. Geht’s noch? Richte sofort die Geschütze anders aus!“, rief er. John versuchte es. Nichts geschah. Er blickte den Argonen direkt an.
„Ich habe die Kontrolle verloren! Ich kann weder die Kanzel drehen noch irgendwelche Waffen deaktivieren! Al, was ist passiert?“
Der letzte Satz war an den Bordcomputer gerichtet. „Ich kann und werde nicht zulassen, dass meinen Brüdern Schaden zugefügt wird!“, schrie der Computer geradezu heraus.
Sowohl John als auch Ferd Awasi erblassten. Langsam fügten sich die Puzzleteile zusammen. Die bahnbrechende Neuentwicklung der ETNO, das unglaubliche Wissen über die Terraformer von Al und seine letzten Kommentare. Die Gerüchte mussten wahr sein. John atmete auf.
„Die ETNO hat ein Bündnis mit den Xenon. Wir müssen die Regierungen der Völker warnen!“, rief John. Ferd sah sehr verwirrt aus und eine Zeit lang sagte niemand etwas. Schließlich meldete sich der Computer: „Negativ. Es geht keine Gefahr von der ETNO aus. Bei den vermeintlichen semi-intelligenten Xenon handelt es sich um intelligente Terraformer“ Keine weitere Erklärung war nötig. Ferd Awasi wollte etwas hinzufügen, doch die sieben Terraformer störten seinen Versuch. „Eingehende Nachricht!“, meldete Al, als wäre in den letzten Mizuras nichts Außergewöhnliches vorgefallen.
Vor dem sterilisierten Bild eines unbekannten, erdähnlichen Planeten erschien ein rotes T auf dem Kommunikationsbildschirm. Eine unvollständig modellierte Stimme bat um die Erlaubnis, dass die sieben Terraformerschiffe und der CPU-Kern des zerstörten .fade-Schiffes mit dem kleinen Handelskonvoi der Argonen reisen dürfen.
John beriet sich mit Ferd Awasi und weckte auch Huli Lu auf, um mit ihr das Geschehen zu besprechen. Die Boronin schlief in den letzten Tazuras merkwürdigerweise sehr lange. Sie meinte, dass die Schockwelle ihre innere Uhr aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. Da sich John weder mit der boronischen Physiologie noch mit dem boronischen Äquatorialstrom-Zeitsystem auskannte, konnte er Huli nicht mehr helfen, als sie regelmäßig schlafen zu lassen.
Letztendlich wurden die Terraformer in den kleinen Konvoi aufgenommen, mussten jedoch ihre Waffen deaktivieren und falls möglich aus den Waffensystemen entfernen.
John bereitete eine Standardmahlzeit aus Cahoonas für sich und BoFu für Huli zu und setzte sich dann wieder in seinen bequemen Cockpitsessel. Während er auf sich nähernde Xenon achtete, fiel er in einen unruhigen Dämmerschlaf und verdrängte die letzten Geschehnisse in sein Unterbewusstsein.
Ein lautes Piepen schreckte ihn aus seinem Kurzschlaf. „Annäherungsalarm!“, meldete Al. „Warnung! Feindschiff setzt einen Abfangkurs innerhalb der Annäherungsgrenze!“
John schreckte hoch. Nur wenige Kilometer von dem Konvoi entfernt drehte eine PX ihre Runden. Das Schiff war abkommandiert worden, um den sieben Xenonschiffen, die merkwürdigerweise ihre Waffen deaktiviert hatten, im Kampf beizustehen. Doch in den unergründlichen Strömen innerhalb des CPU-Kerns schossen weitere Befehle umher. Bereits in einigen anderen Sektoren hatten sich Xenonschiffe aus dem großen Kollektiv abgespalten.
Es war nicht auszuschließen, dass diese sieben Xenon, die sich anscheinend in dem argonischen Konvoi eingeordnet hatten, ebenfalls zu den Feinden der Xenon gehörten. Oder wenigstens nicht zu den Freunden des Kollektivs. Schnell waren die Chancen berechnet und das CPU-Schiff des Sektors gab der PX den Befehl zur Zerstörung der Abtrünnigen.
Doch all dies konnte John in seinem Cockpit nicht erahnen. Er sah das äußere Bild des Xenon. Ein Raumschiff der schweren Korvettengröße mit vielen Waffentürmen, die auf die einzelnen Schiffe des Konvois gerichtet waren. Und John erkannte die Gefahr in diesem gewaltigen Metallhaufen. Ferd Awasis Eklipse würde jedenfalls nicht mit dem Xenon fertig werden. Und das lächerliche Heckgeschütz der Transporter wäre wohl auch keine wirkliche Hilfe – zumal die Technik in diesem erneut versagt hatte. „Huli!“, rief John und weckte die Boronin damit aus dem Schlaf. Ihr messerscharfer Verstand erfasste die Situation sofort. Ein wütendes Klackern war ihre Antwort.
Auf den Monitoren vor John erwachten plötzlich ein Dutzend Bildschirme zum Leben. Nummer eins bis acht zeigten die Terraformerschiffe und den einzelnen CPU-Kern. Nummer neun wurde von Ferd Awasis Konterfei belegt, das angreifende Schiff schoss seine Laser auf dem zehnten Bildschirm ab. Elf zeigte die Heckgeschützkanzel der Transporter und der letzte Monitor ließ John ganz schwindelig werden. Dort kreiste die Singularität des Süd-Tores in ihrem Ring.
Auf Nummer acht wurde das Bild dunkler. Der CPU-Kern schob sich immer näher an den teladianischen Frachter heran, um besser geschützt zu sein. John deaktivierte kurz die Schilde, um das Miniatur-Raumschiff in die winzige Hangarbucht zu lassen.
Und auch auf Eins bis Sieben waren einige Veränderungen erkennbar. Die Terraformer aktivierten synchron ihre Waffen und gingen in eine Verteidigungsstellung um den Frachter. Jedenfalls hoffte John, dass es eine Verteidigungsstellung war. Für einen Angriff waren die Positionen nämlich auch ideal. Die Eklipse auf Nummer neun startete ihren Angriff auf die PX, doch die Geschütze des Xenon schienen sich nicht für den Jäger zu interessieren. Während die Transporter kräftig durchgeschüttelt wurde, aktivierten die Terraformer ihre Waffen und schossen auf eine nur wenige Quadratzentimeter große Stelle im Schild.
Diese Taktik war erfolgreich. Die bläuliche Färbung des beschossenen Schildes verlor schnell an Intensität. Schließlich konnte der Xenon dem gebündelten Beschuss nicht mehr standhalten. Mit einem letzten Aufflammen brach der Schild zusammen und schwarze Streifen bildeten sich unter den Einschusskratern der Laser.
Nur wenige Mizuras später waren die Waffen der Korvette lahm gelegt. Mit aufblitzenden Triebwerken setzte die PX ihren Kurs zurück zum CPU-Schiff und die Terraformer deaktivierten ihre Waffen. Ebenso flog der CPU-Kern wieder aus der kleinen Hangarbucht und die zwölf Monitore deaktivierten sich.