Benehmen

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Tom
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Benehmen

Beitrag von Tom »

Gutes Benehmen

Höflichkeit
Etikete und Höflichkeit sind nicht dasselbe. Etikette ist Nachahmung, ist das Vorführen von gutem Benehmen, von Konventionen, die gelernt und beherrscht werden. Höflichkeit ist etwas ganz anderes, etwas viel Lebendigeres. Ist Erfindung. Ist Spiel, in dem es vor allem anderen eine Regel zu beachten gilt oder besser - zu leben: Höflichkeit erfordert Angemessenheit. In jeder Situation gilt es von neuem zu bedenken, was zu tun ist, was zu lassen ist. Wann dem Plaudern das Schweigen vorzuziehen ist.

Natürlich gibt es Verhaltensformen, die immer richtig sind und nie diskutiert, also nicht bedacht werden müssen, wenngleich auch sie keineswegs im Alltag schon durchgesetzt sind. Gemeint sind die schlichten Gesten. Das Grüßen am Arbeitsplatz - der, der kommt, sagt "Guten Tag". Natürlich überlässt man in der U- oder S-Bahn seinen Platz dem Älteren, Gebrechlicherem, der Frau mit Kind. Natürlich wendet man sich um, wenn man durch eine Tür geht, zu sehen, ob jemand folgt, ih oder ihm die Tür aufzuhalten - das nennt man Rücksicht. Natürlich beginntman nicht zu essen, während die anderen noch auf ihre Teller warten. Natürlich sagt man bitte, wenn man etwas möchte - auch zum Postbeamten, zur Stewardess, zu Verkäuferin; und natürlich sagt man danke, wenn man erhalten hat, was man wünschte und selbst dann, wenn man es nicht erhalten hat oder einem nicht geholfen werden konnte. Solche Gesten zur Beruhigung im öffentlichen Raum sind also nicht gemeint, wenn vom Spiel mit der Angemessenheit die Rede ist.

Was tun, wenn ...
Klare Situationen erfordern klare Zeichen - sozusagen das Standardprogramm guten Benehmens. Schwierig wird es, wenn man mit diesem nicht mehr auskommt. Also meistens. Dann gilt es zu überlegen, was dem anderen das grössere Vergnügen ist, die grössere Annehmlichkeit, das richtige zeichen für Aufmerksamkeit und Wertschätzung. So korrekt es ist, Damen immer vor den Herren zu begrüssen, so falsch ist es sie immer - nur weil man es kann - mit einem Handkuss zu begrüssen. Andererseits gibt es Momente, in denen dieser Handkuss das richtige Zeichen ist. Es gilt in Sekundenschnelle zu entscheiden, zu spielen und dabei zu wissen: Wer einmal damit angefangen hat, muss mit allen Damen gleich verfahren.

Höflichkeit erfordert diskrete Beobachtung, rasche Einschätzung der Lage und ebenso entschlossenes Reagieren. Das Tanzstunden-Wissen; das, was man bei so genannten Benimm-Kursen lernt, ist Technik nur, und bleibt Äusserlichkeit. Hilft weiter in den Standardsituationen. Doch da Menschen meist nicht zusammen kommen wie in diesen gestellten Wir-üben-mal-fein-zu-sein-Stunden, beginnen die Schwierigkeiten erst danach. Was tun, wenn es für die Schnecken nur eine Kuchengabel gibt; wenn die Hausherrin sich während des Essens mit ihrem Mann zofft, wenn der Hase schwarz ist und das Huhn noch roh; wenn die Gäste indiskret sind und der Chef unverschämt ?

>>Es ziemt sich vieles manchmal nicht, was sich eigentlich gehört.<<
Angemessenheit bedeutet, dass man sich einstellt auf die anderen, ohne sich verstellen. Auch in der Art sich zu kleiden, sich zu unterhalten, aufzutischen. Das Verhalten muss in einem richtigen Mass sein zu den Menschen, mit denen man sich umgibt, denen man begegnet, oder z denen man eingeladen ist. Es ziemt sich vieles manchmal nicht, was sich eigentlich gehört. Das heisst: Wer sich benehmen kann, reagiert auf Situationen, auf Räume, auf Menschen und wird, wenn seine Gastgeber den Fisch mit zwei Gabeln essen, es ihnen gleichtun - und nicht nach einem Fischbesteck fragen, nicht einem nach einem Messer.

Angemessenheit setzt Achtung voraus. Und ein grosses Mass an Sensibilität. Diese Art der Höflichkeit - und sie ist meiner Meinung nach die einzige, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Manieren - gründet in dem Bemühen, stets zuvorkommend zu sein. Die Einhaltung bestimmter Konventionen ist nötig, aber daneben gilt ein Gedanke Kants, der in seinen "Reflexionen zur Anthropologie" formulierte: Man möge das Leben ansehen wie ein Kinderspiel, "in dem nichts ernsthaft ist als die Redlichkeit". Gutes Benehmen, die blosse Einhaltung von bestimmten Verhaltens-Massregeln, verdienen den Namen Höflichkeit nicht. Es gibt keine Höflichkeit ohne Toleranz, Mitleid, Rücksicht und Grosszügigkeit.

>>Höflichkeit ist eine Haltung gegenüber Menschen.<<
Höflichkeit ist eine Haltung gegenüber Menschen. Wer seinem Arbeitgeber die grösste Achtung erweist, doch seinen Kollegen schnöselig und unfreundlich begegnet, er kann sich - wenn`s drauf ankommt - benehmen: Allein, er ist kein höflicher Mensch. SOndern ein berechnender, dem Höflichkeit ein Mittel neben vielen anderen ist, an`s Ziel zu kommen.

Ist Höflichkeit lernbar ?
Höflichkeit hat indes kein Ziel: Sie ist eine Tugend. Tugenden kann man nicht erlernen - in einem Kurs, mit keinem Handbuch - sie werden erworben in der Kindheit und der Jugend, weitergegeben von Eltern, vielleicht von Pastoren, Pfarrer, Rabbinern und, wenn Kinder sehr viel Glück haben, von Lehrern. Was sollen sie also nutzen, diese Kurzstudien zur Höflichkeit ? Jeder weiss danach, dass man Spaghetti nie schneidet; weiss, wie man Schneckenzangen verwendet und Austerngabeln; wird aufstehen, wenn die Damen neben ihm den Tisch verlässt; wird sich am Telephon mit seinem Namen nennen und nicht mit einem "Hallo"; wird nie wieder einen Zahnstocher benutzen und nicht laut schnäuzen. Gut so. Wer das kann und weiss, der ist dressiert. Doch nicht zivilisiert. Er kann sich benehmen, aber wehe, er wird konfrontiert mit den schwierigen Übungen, die Angemessenheit fordern und nicht zu meistern sind mit Manieren, er wird sich gut benehmen und unhöflich bleiben. Er macht vieles richtig - und das Wesentliche falsch.

Denn ihm fehlt die Geisteshaltung für das richtige Mass. Gutes Benehmen sei allein dann erfreulich, "wenn wir auf die anderen Rücksicht nehmen und nicht nur auf uns selber achten", formulierte der Autor Giovanni Della Casa 1598. Sein Urteil hat nichts von seiner Richtigkeit in den letzten vierhundert Jahren verloren. Es gehört sich wirklich, den Willen der anderen zum eigenen Wunsche zu erheben, wo dies keinen Schaden und keine Schande zur Folge hat. Und das heisst: Manchmal ist es angemessen, mit Menschen zu brechen, Tischgesellschaften zu verlassen - und gegen alle Etikette - seine guten Manieren aufzugeben. Um Haltung zu beweisen.

Darf ich vorstellen ?
Gut zu wissen beim ersten Kennenlernen: Wer wen wem vorstellt und wann die Titel bei der Anrede angebracht sind. Wer stellt wen wem vor ? Der Jüngere wird dem Älteren vorgestellt, der Herr der Dame, der Unbedeutende dem Bedeutenden. Bei Einladungen stellt der hausherr seiner Frau jene Gäste vor, die sie noch nicht kennt. Kommen Gäste in einer Gruppe, so ist es Aufgabe der Gastgeber, die Neuen vorzustellen. Auch hier sollte man sich an die Rangfolge halten; wenn die Gesellschaft sehr gross ist, kann man auch schlicht der Reihe nach bekannt machen.

Bei Cocktailpartys und Empfängen ist es keineswegs unhöflich, wenn man jenen Gast, dem man den Neuankömmlingen vorgestellt hat, bittet, diesen mit den anderen Gästen bekannt zu machen. Mir scheint es von besonderer Wichtigkeit, dass bei Vorstellungen nicht nur der Namen genannt wird, sondern einige erklärende Worte fallen. Frau Kraut arbeitet gerade an ihrer Dissertation über das Menschenbild bei Max Beckmann, Herr Rübe hat gerade eine Biographie über Martin Luther publiziert. Veranstaltungen ohne diese Vorstellungsarien misslingen stets. Dann plaudern nur diejenigen miteinander, die sich schon kennen, nicht selten ärgert man sich, dass Menschen eingeladen waren, die man zu gern gesprochen, deren Anwesenheit einem aber keiner kundgetan hatte.

Wird man von einem Hausmädchen empfangen, sollte man im Empfangsraum zuerst das Gastgeberpaar begrüssen, das danach die Vorstellung übernimmt. AUch wenn man Personal hat, ist es korrekt, wenn ein Gastgeber sich in der Nähe der Tür aufhält. Herren stehen immer auf, wenn sie begrüssen oder begrüsst werden - bei Damen und Herren. Damen müssen sich nur erheben, wenn eine sehr alte Dame ihnen vorgestellt wird oder der Ehrengast, der besonderen Respekt verdient.
Und was macht man mit Titeln ? Weiss ein Gastgeber, dass einige Gäste sehr viel Wert legt auf den Magister, den Doktor, den Professor - dann wäre es rücksichtslos, ihn zu unterschlagen. Adelstitel sollten genannt werden, sofern man nicht weiss, dass die Herrschaften keinen Wert darauf legen, denn sie sind Bestandteil des Namens.

Du oder Sie ?
Du oder Sie ? Die Frage stellt sich Männern nur bei Männern, damit geht`s schon mal los. Jede Frau hat das Recht, Männern das Du anzubieten - jungen, alten, berühmten. Der Herr hat dieses Angebot - glücklich - zu akzeptieren. Da man davon ausgehen kann, dass de Dame diesen Schritt wohl überlegt hat, wird es wohl nie einen Grund geben, das Du abzulehnen, was zudem sehr unhöflich wäre. Eine Ausnahme: Das im Zustand der Trunkenheit geschenkte Du kann man, sollte man, muss man ausschlagen, Es ist nichts wert. Notfalls macht man am nächsten Tag den Akt rückgängig - so höflich und sensibel wie möglich.

Was Mann und Mann, Frau und Frau machen ist simpel: Der / die Ältere bietet der / dem Jüngeren das Du an; der / die Berühmte dem / der Unberühmteren, der Chef oder die Cheffin dem / der Angestellten. Nie umgekehrt ! Jeder hat überdies das Recht, beim Sie zu bleiben. Allerdings könnte es sein, dass aus einem solchen Verzicht auf Nähe auf Hochmut geschlossen wird und zum Beispiel dem Angestellten dadurch Nachteile erwachsen.

Das Sie schafft Distanz und gewährt Diskretion, schützt also vor allzu indiskreten Zeitgenossen. Und das Du - leichtfertig angeboten, leichtfertig akzeptiert - kreiert keineswegs sofort und lebenslang Freundschaft, sondern gaukelt nur Vertrautheit vor. Und dass Nähe, gar Liebe auch mit dem Sie möglich ist, wissen alle, die französische Ehepaare der ersten Gesellschaft kennen: Sie siezen sich in der Öffentlichkeit, also auch am Esstisch, wenn sie Gäste haben - und wie sie es im Schlafzimmer halten, geht niemanden etwas an.

Entschuldigung !
Es ist besser, sich lieber zu oft - also auch für kleine Fehlverhalten - zu entschuldigen als zu selten. Wer andere anrempelt, jemanden auf den Fuss steigt, sagt "Entschuldigen Sie bitte !" Wer vergessen hatm dass ein Freund, eine Freundin ein bestimmtes Gericht nie isst - und genau das anbietet, entschuldigt sich auch. Mündlich.

Schriftliche Entschuldigungen sind vonnöten, wenn man jemanden wirklich Unrecht angetan oder ihn beleidigt hat. Das geht nicht telephonisch und auch nicht per E-Mail. Die Entscheidung, wann ein Brief die einzige und allerletzte Möglichkeit ist, eine gestörte Beziehung wieder herzustellen, fällt meist schwer. Sicher ist, dass man sich nicht erst dann schriftlich entschuldigt, wenn man ein Kapitalverbrechen begangen hat. Einen Brief braucht es schon bei eher kleinen Vergehen: Für eine vergessene und deshalb nicht eingehaltene Verabredung muss man sich, so denke ich, schriftlich entschuldigen. Zumindest dann, wenn man mit der Sitzen- oder dem Stehengelassenen nicht befreundet ist. Und sicher ist ein solches Zeichen auch nötig nach einem Klatsch mit ungeahnten Folgen. Mangelnde Integrität indes lässt sich nie entschuldigen.

Worauf es in so einem Brief ankommt ? Man muss offen und egrlich Reue zeigen - nicht geheuchelte Zerknirschung. Floskeln sollte man sich sparen und so konkret wie möglich sein. Ausflüchte sind fehl am Platz: der Alkohol, die Aufgeregtheit, die Provokation. Nein. Eine Entschuldigung ist für den Gekränkten nur dann akzeptabel, wenn sie wahrgenommen wird als Eingeständnis eines groben Fehlverhaltens und als Bitte um Verzeihung.

Die Lüge
Wie lüge ich richtig ? Man lügt nicht. Ich weiss, es gibt Notlügen. Nur: Die Not beginnt nicht schon bei einem Termin, den man nicht einhalten kann. Ich glaube, es gibt keinen einzigen Grund, kranke Grossmütter zu erfinden oder für sich selber irgendeine Malaise, nur um jemanden nicht zu treffen, zu sprechen, zu sehen. Arbeit kann immer als Grund für Verhinderung angegeben werden - doch dann sollte auch gearbeitet werden. Lügen haben kurze Beine, was bedeutet, dass der Lügner oder die Lügnerin meist gestellt wird. Und dann wird`s peinlich - und die grosse Entschuldigung ist angesagt. Also: sein lassen.

Telephon-Müll
In welchen Situationen das Handy entbehrlich ist.
Wie telephoniere ich in einem Lokal ? Die Frage ist falsch gestellt, das "Wie" ist überflüssig. nd ohne dieses Wort gefragt, gibt es darauf nur eine Antwort: Nein. Es mache mir niemand weis, er müsse immer erreichbar sein. (Allein der Notarzt auf Abruf kann so etwas behaupten.)
Wer glaubt, stets verfügbar sein zu müssen - und daraus den Fehlschluss zieht, er / sie sei wichtig - der lasse sein Handy an. Aber bitte nicht mit Klingelton. Wenn es brummt, empfiehlt es sich den Tisch zu verlassen und auf der Strasse zu sprechen. Niemanden interessiert, was er / sie zu sagen hat. Wer unbedingt telephonieren muss, mache es ebenso. Handy-Telephonierer zwingen ihre Menschen zur Indiskretion, und schon dies stört mich. Und wer je gehört hat, was Menschen mitteilen, wenn sie einem Flugzeug entsteigen weiss längst, dass die meisten Mitteilungen entbehrlich sind: Telephon-Müll.

Auch am Telephon ist gutes Benehmen wichtig.
Auch wenn Ihre Kollegen Sie für verrückt halten, lächeln Sie, wenn Sie telephonieren. Staunen Sie, runzeln Sie die Stirn und drehen Sie bei längeren Gesprächen auch mal ruhig ein paar Runden durchs Büro. Sie hören dadurch besser und hörbar zu. Ihr Gesprächspartner spürt Ihre ANteilnahme, genauso wie er ein gelangweiltes Gähnen am anderen Ende der Leitung wahrnimmt.
Behandeln Sie einen Telephonanruf wie einen Termin. Seien Sie vorbereitet, nehmen Sie sich Zeit und machen Sie sich Notizen. Teilen Sie auch ihrem Partner mit, wie lange Sie das Gespräch führen wollen und halten Sie sich dran. Bedenken Sie auch den Zeitpunkt Ihres Anrufs. Welche Routine hat Ihr Gesprächspartner ? Wann hat er seine Meetings, wann verlässt er das Büro ?
Betrachten Sie selbst mürrische Assistentinnen und Sekretärinnen wie Verbündete. Sie werden den Unterschied spüren ! Notieren Sie sich immer ihren Namen und teilen Sie Ihren Namen, Telephonnummer und Grund des Anrufs vollständig mit.
Und auch eine Handy-Regel gilt es zu beachten: Erreichbarkeit kann auch taktvoll gestaltet werden. Wenn Sie bei einem Geschäftsessen oder Termin einen dringenden Anruf erwarten, kündigen Sie diesen an. Ansonsten schalten Sie ihr Handy lieber auf lautlos. Respektieren Sie Ihre Geschäftspartner, indem Sie ihnen Ihre volle Aufmerksamket schenken ! Wenn sich ein dringendes vertrauliches Gespräch nicht vermeiden lässt, verlassen Sie den Raum.

Was beim Wetter beginnt
Englisch: oberflächliche Konversation, Geplauder. Smalltalk ist keine Kunst, sondern eine Kunstfertigkeit, die gelernt sein will und gelernt werden kann wie Schreinern oder Klavierspielen. Der Höflichkeitsautor Giovanni Della Casa erklärt schon vor Jahrhunderten unter der Überschrifft >>Unziemliche Gesprächsthemen<< sehr treffend: "Man sollte kein zu subtiles oder ausgefallenes Thema wählen, da sonst die meisten nur mit Mühe folgen können. Darüber hinaus wird von Themen abgeraten, die nicht zum Zeitpunkt und zu den Zuhörern passen, mögen sie an und für sich, und zur rechten Zeit angesprochen, noch so gut und empfehlenswert sein."
In Debrett`s Etiquette& Modern Mannsers, 1981 herausgegeben von Elsie B. Donald, wird King Charles XI. paraphrasiert: "The first art of a good conversation is to put people at their ease." Das heisst, über Dinge reden, die es Menschen erlaubt, sich wohl zu fühlen. Das bedeutet: Smalltalk kann beim Wetter beginnen, darf dort aber nicht zu lange verweilen. Smalltalk setzt da an, wo die Vorstellung endet, weshalb es der Gastgeber oberste Pflicht ist, eben nicht nur den Namen zu nennen, sondern auch ein paar persönliche Worte über den neu hinzugekommen Gast zu verlieren.

Und tschüss
Wann es Zeit ist zu gehen.

Wenn die Gastgeberin um vier Uhr morgens die Fenster aufreisst, wissen Sie sicher, dass es bereits Zeit war zu gehen. Also warten Sie nicht auf dieses zeichen, das - ich gebe es zu - leichter zu dechiffrieren ist als andere: Der Blick auf die Uhr muss nichts bedeuten, der dritte Espresso auch nicht. Obwohl der gast auf alle Rechte Anspruch hat - also im Extremfall auch auf das Frühstück nach einem Fest sich wünschen darf -, sollte er nicht alle Rechte in Anspruch nehmen. Ich kann es keinem Gastgeber verdenken, der ein Fest zu früher Stunde höflich beendet. Niemand muss unerzogenen Gästen seinen Schlaf opfern.

Bei einer Einladung zum Abendessen sollte man sich spätestens gegen ein Uhr morgens verabschieden. Doch es gibt Ausnahmefälle. Manche Hausfrau misst den Erfolg ihrer Einladung an der Verweildauer ihrer Gäste - damit ihr Abend kein Flop werden kann, serviert sie das Dessert um zwei Uhr in der Früh`. Das ist eine Zumutung, und doch wäre es grob unhöflich, vorher das Haus zu verlassen.
Es gibt sogar ein paar Regeln neben den Spiel mit der Angemessenheit: Nie gehen, bevor der Ehrengast gegangen ist. Selbst wenn eine gesellschaft sehr gross ist und es eher störend denn höflich wäre, sich bei jedem zu verabschieden: Den Gastgebern hat man zu danken - man verduftet nicht einfach. Un redet sich vor allem nicht drauf raus, das sei französisch. Sind auf den Einladungskarten - Empfängen, Cocktails, Brunches - Anfangs- und Schlisszeiten notiert, so hat man sich daran zu halten.

Ordentlich feiern
Nie ohne Geschenk kommen, nie ohne Dank verschwinden: Was Gäste zu beachten haben - und was Gastgeber leisten müssen.

Alles geht mit der Verabredung los. Wie lade ich ein ? Telephonisch, per Mail, mündlich, schriftlich. Jede Form ist möglich, nicht alle Möglichkeiten sind angemessen. Zu grossen Festen sollte immer schriftlich eingeladen werden, wenn es zu leisten ist, mit gedruckten Karten und mindestens vier Wochen vor dem Termin. Dabei halte ich es für unabdingbar, die Kleiderordnung festzulegen - und zwar nicht nur dann, wenn man sich wünscht, dass die Herren im Smoking, die Damen im Abendkleid erscheinen. Es ist für alle Beteiligten besser, zu wissen, wie man angezogen sein soll - nur so ist niemand under- oder overdressed. Man kommt sich ziemlich blöd vor in der Jeans, wenn alle im Anzug da sind - und ebenso blöd steht man da im Anzug zwischen Pullovern.

Wer kann mit wem ?
Vor der schriftlichen Einladung empfiehlt sich ein Telephonat mit den Menschen, die man unbedingt zu gast haben möchte, um Terminde zu fixieren. Für kleinere Feste, Gäste kann man auch nur telephonisch einladen oder per E-Mail. In jedem Fall sollte angegeben werden, bis wann man eine Zu- oder Absage erwartet. Es gibt Puristen, die meinen, zu Geburtstagsfeiern dürfe man nicht einladen, weil damit um ein Geschenk gebettelt würde - ich finde diese Vorsicht albern. Schliesslich kommt man zu keiner Einladung ohne Geschenk.

Wer einlädt, will seinen Gästen etwas bieten: andere Menschen. Das Wichtigste ist die Auswahl der Gäste: Wer könnte sich mit wem gut unterhalten ? Oder anders herum: Wer könnte wen nicht leiden können ? Die Entscheidung, wen man bei sich wissen will, ist die erste, die getroffen werden muss. Die nächste ist es, seine Gäste zu setzen. Ich empfinde es immer als ungehörig (und faul), keine Sitzordnungsich einfallen zu lassen. Bei dieser Prozedur ist ausserdem wichtig, dass die Gäste, die man besodners schätzt, neben den Gastgebern sitzen: rechts neben dem Herrn also die für diesen Abend Bevorzugte. Und neben der Gastgeberin der liebste (wichtigste) Gast. Dritte Überlegung: Was soll es zu essen und zu trinken geben ? ich führe ein kleines Büchlein, in dem ich vermerke, wer was garnicht mag oder nicht essen darf, und wer welchen Wein besonders gelobt hat. Ausserdem - lädt man häufiger ein - sollte man nicht immer die gleichen Gerichte servieren. (Auch hierfür eignet sich ein Notizbuch.)

Und wenn man schon einlädt, sollte man nicht knausern: Wer sparen will und muss, sollte lieber auf eine grosse Einladung verzichten. Den engen Freunden macht man Freude mit einem Risotto und einem Wein, die anderen aber, die womöglich eine gedruckte Karte erhalten haben, erwarten zurecht mindestens eine Vorspeise, einen Hauptgang, Käse und Dessert und gewiss auch zwei verschiedene Weine. Aber man kann einen Menschen noch so schätzen, wer sieben Weine anbietet und von jedem nur eine Flasche zu Hause hat, tut auch seinen Freunden einen Tort an - und nimmt, was wirklich nicht höflich ist, billigend in Kauf, dass sie am nächsten tag mit Brummschädeln aufwachen. Einladungen sollten Feste sein - auch wenn man nur zu acht am Tisch sitzt.

Erst die Blumen
Wie bedankt man sich nach einer Einladung ? Der Dank nimmt die Form der Einladung wieder auf. Schriftliche Einladung - schriftlicher Dank. Immer. Telephonisch - telephonsich. E-Mail - E-Mail. War die Gastgeberin besonders freundlich und aufmerksam, der Mittag oder Abend besonders angenehm oder gar luxuriös, ist es nicht falsch, Blumen mit einer Karte zu senden. Auf jeden Fall sollte man sich gleich am nächsten Tag danach bedanken. Und so sollten es auch Beschenkte halten, falls sie die Präsente nicht in Anwesenheit der Schenkenden auspacken und sich gleich bedanken.

Noch ein Wort zu den Blumen. Sie zu verschenken und zu überreichen, scheint das Schwierigste überhaupt zu sein. Die Autoren, die den rechten Umgangston lehren möchten, verbieten und erlauben die seltsamsten Dinge. Ich glaube, es hat wenig Sinn, Lilien, Astern oder Calla zu untersagen, weil sie Immortellen sind. Schon gar nicht, wenn man weiss, dass die oder der Beschenkte sie schätzt. (Das "der" in diesem Satz ist verräterisch. Es ist, so denke ich, nichts Anstössiges daran, einem Mann, der zu einem Essen einlädt, Blumen zu schenken, wenn man weiss, dass er sich darüber mehr freut als über einen Whisky.) Darf man rote Rosen schenken, rote Nelken ? Man darf, wenn man sich darüber im klaren ist, dass das als Zeichen verstanden werden kann. Ich halte es mit Dr. Walther von Kamptz-Borken, der 1956 schon befand: Es sei zwar nicht sonderlich geschickt, symbolhafte Blumen zu überreichen, aber "eine mit solchen Blumen bedachte Person" möge der Blumensprache nicht allzu grosses Gewicht beimessen. "Gekränkt soll sie sich jedenfalls nicht zeigen, wenn ihr die Symbolik nicht passt. Sie braucht sie bloss nicht zu beachten." Auch die Farbenlehre müssen Sie nicht ernst nehmen: blaue Blumen - Treue, gelbe Blumen - Falschheit, violette Blumen - Trauer, und so weiter. Schenken sie Blumen aller Arten, aber meiden Sie die bunten Sträusse. Sie sind schön nur selbnst gepflückt.

Wohin mit dem Papier ?
Hat man den Strauss erstanden, geht - glaubt man den Etiketten- und Benimm-Aposteln - der wirkliche Stress erst los: Auspacken, nicht auspacken, wohin mit dem Papier ? Beste Möglichkeit: Blumen vorschicken am Tage der Einladung und mit einer Visitenkarte und einem kurzen Gruss. (Damit erspart man der Hausfrau oder dem hausmann, während der Begrüssung der Gäste auf Vasensuche zu gehen.) Zweitbeste Lösung: Blumen verschickem am Tag der Einladung, mit einigen Worten des Dankes (Vorteile siehe oben). Schlechteste Lösung (Nachteile oben): Blumen mitbringen. Immer ohne Papier verschenken. (Cellophanverpackte Blumen darf man verhüllt überreichen, ich selbst finde diese Form nicht sonderlich schön.) Das Papier gehört weder in den Schirmständer noch in die Hosentasche. Wenn man die Hausfrau/den Hausherrn schon damit belästigt, die Blumen jetzt in`s Wasser zu stellen, da sie/er Besseres und Wichtigeres zu tun hätte, dann kann man ihr/ihm auch das zerknüllte Papier noch in die hand drücken oder auf dem Tisch neben der Garderobe liegen lassen.

Letztlich gilt also auch bei Einladungen: Höflichkeit dient allein dazu, das Leben der Mitmenschen und das eigene angenehm zu machen. Wer das beherzigt, wird nie einen Fehler machen.

Gähn !
Wer gähnen muss, verhalte sich unauffällig.
Muss man gähnen, was einem selbst in der amüsantesten Gesellschaft zustossen kann, sollte man versuchen, es so unauffällig wie möglich zu machen. Müssen Sie aber den Mund öffnen wie der Wolf, bevor er das Rotkäppchen verschlingt, halten Sie die Hand vor den Schlund - ohne Taschentuch. Am besten ist es, dieses Zeichen von Müdigkeit (oder Langeweile) gänzlich zu unterdrücken, was durchaus möglich ist.
Della Casa hatte recht, als er bereits mitte des 16. Jahrhunderts bemerkte: "Gelehrte hörte ich oft sagen, dass 'Gähner' im lateinischen soviel bedeutet wie 'Faulenzer' oder 'Nichtstuer'. Vermeide also diese Unsitte, die das Ohr, die AUgen und den guten Geschmack beleidigt; schliesslich zeigt das Gähnen nicht nur, dass wir der anwesenden Gesellschaft wenig gewogen sind, sindern es wirft auch ein schlechtes Licht auf uns selber. Es sieht aus, als wären wir schläfrig und müden Geistes, was uns nicht eben liebenswürdig macht für diejenigen, mit denen wir umgehen."

Kinder, die diese allerkleinste Höflichkeit schon früh lernen, werden sich auch bei einem einsamen Spaziergang nicht anders verhalten. Der Mund öffnet sich - die Hand eilt herbei: ein Reflex. Wer schon als Teenager gelernt hat aufzustehen, wenn eine Frau den Raum betritt, wird sich automatisch erheben, wenn eine weibliche Stimme am Telephon erklingt (das ist blöd, stört aber niemanden); und wer schon als Pennäler von seiner Mutter erklärt bekommen hat, warum er links zu gehen hat, wird zuweilen wie ein Häschen um Damen und ältere Herren herumhüpfen, um sie ja auf der richtigen Seite zu begleiten.

Ich hasse Perfektion.
Sie bietet keinen Platz für Kreation.

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