[EX16][FF](SciFi/X)[WiP] Die ETNO 2 (Update Mai 2013)

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Glumski
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[EX16][FF](SciFi/X)[WiP] Die ETNO 2 (Update Mai 2013)

Beitrag von Glumski »

Vorwort

Dies ist, wie man unschwer am Titel erkennen kann, die Fortsetzung zu 'Die ETNO', meiner ersten Geschichte im X-Universum. Um ehrlich zu sein, habe ich an dieser Geschichte schon länger nicht mehr gearbeitet und ich bin mir auch nicht sicher, ob bzw. wie weit ich damit weiter machen werde. Dennoch denke ich, dass eine Veröffentlichung der bisherigen Kapitel hier keine schlechte Idee ist.
Als Alterseinschränkung habe ich EX16 gewählt, nur für den Fall der Fälle. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch P12 in Ordnung sein würde, aber sicher ist sicher und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass in potentiellen späteren Kapiteln explizitere Inhalte teilhaben könnten.

Formalia
Zustand: unvollständig, Arbeit derzeit pausiert
Länge: 30830 Wörter (ca. 60 Seiten) in 6 Kapiteln
Zeitraum: ab Mai 2011
Rechtliches: Das Universum gehört Egosoft, einige Charaktere gehören Helge T. Kautz, der Rest ist hoffentlich meins. Sofern jemand die Geschichte auf einer anderen Seite veröffentlichen möchte, bitte ich um Rücksprache (und natürlich Nennung meines Namens).
Kanon: Spoiler für die X-Spieleserie bis X³ - Terran Conflict und für die Buchserie bis X³ - Yoshiko. Divergenz zu beiden Serien danach.

Vorgeschichte
'Die ETNO 2' erfordert als Fortsetzung zu 'Die ETNO' natürlich gewisse Grundkenntnisse. Folgendes Grundwissen dürfte allerdings ausreichen (Spoiler für 'Die ETNO')
[spoiler]Durch einen weiteren Programmierfehler seitens der Terraner haben die Xenon das Sol-System überrannt. Dabei wurde der Mond aus seiner Umlaufbahn gelenkt und ist auf die Erde gestürzt.
Jennifer Cortez, vormals Soldatin der Erdstreitkräfte, wurde in einen Terraformer-CPU-Kern geladen.
John Alman, junger Frachterkapitän, verlor seine Geschäftspartnerin Huli Lu in einem Gefecht.
Eine intelligente Abspaltung der Xenon, die Terraformer, hat Kontakt zur Gemeinschaft der Planeten aufgenommen. In Zusammenarbeit mit der ETNO wurden moderne, deutlich leistungsfähigere Bordcomputer entwickelt, so zum Beispiel Al, der Computer von John Almans Schiff.[/spoiler]

Zu den Kapiteln Weiterführende Links Alle Inhalte, insbesondere der Titel, sind Arbeitsmaterial. Änderungen vorbehalten.
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Re: [EX16][FF](SciFi/X)[WiP] Die ETNO 2 (Update Mai 2013)

Beitrag von Glumski »

Prolog

Konsolen piepten. Warnleuchten blinkten. Menschen brüllten Befehle, Schreie der Angst und Verzweiflung. Das wilde Flackern der Holokugeln und Bildschirme wurde von dem regelmäßigen Orange durchdrungen, das den Gefechtsalarm anzeigte. Helle Tropfen, Pfeile und Strahlen in allen Farben des Spektrums spiegelten sich an den weißen Wänden, der durchsichtigen Decke und in den Gesichtern der Offiziere, die die Katastrophe abzuwenden versuchten.
Der Kontakt zu allen Außenposten war abgebrochen, sämtliche Fluchtwege aus dem System versperrt, die größten Verteidigungsanlagen und Flottenverbände zerstört. Man versuchte zu retten, was noch zu retten war: Die blaue Perle namens Erde.
First Lieutenant Jennifer Cortez saß an ihrer Station. Ihr Job war im Vergleich zu den anderen unwichtig. Sie musste nicht die wenigen verbliebenen Kampfschiffe koordinieren, nicht die Flüchtlingstransporter auf Routen schicken, die den garantierten Tod bedeuteten, nicht die Opferzahlen berechnen, nicht die letzten Kamerabilder von sterbenden Soldaten und Zivilisten nach Schwachstellen des Feindes durchsuchen. Letzteres wäre ohnehin sinnlos gewesen; der Feind hatte keine Schwächen. Und sollten sie, die Terraner, es nicht am besten wissen? Schließlich hatten sie die Gefahr erschaffen und sogar zum zweiten Mal heraufbeschworen.
Jennifers Aufgabe war es, den kleinen, hässlichen Brocken zu beobachten, von dem kein Leben mehr ausging. Die Atmosphärenkuppeln des Mondes waren geborsten, die unterirdischen Anlagen hatten sich in ein einziges flammendes Inferno verwandelt, aus dem niemand entkommen konnte. Doch die Angreifer waren auf dem kleinen Trabanten gelandet, stellten irgendetwas mit ihm an, anstelle weiter vorzurücken. In Richtung Erde. In Richtung Sieg. Um endgültig die Menschheit zu vernichten.
Und wieder wurde die kleine Kameradrohne abgeschossen, die Lieutenant Cortez ferngesteuert hatte. Und obwohl ihre Holokugel nur noch ein schwarzes Bild von sich gab, erkannte Jennifer das schwache Flimmern, das den Mond umschloss. Sie wusste instinktiv, dass es geschah. Der Mond hatte sich in eine unbesiegbare Festung verwandelt. Hatten sie Waffensysteme auf ihm installiert? Ihr Unterbewusstsein ahnte etwas, doch sie konnte es nicht erkennen. Immer wieder entglitten ihr die Gedanken.
Dann setzte er sich in Bewegung.
Seit Millionen von Jahren hatte Luna ihre Umlaufbahn nicht verlassen. War nicht von ihrem Pfad gewichen, der sie Monat für Monat um die blaue Kugel führte, während der Radius langsam immer größer wurde, bis die Schwerkraft eines Tages überwunden wäre und der Mond erst die inneren Planeten und schließlich die Umlaufbahn verließ. Dann wäre er frei. Doch nun machte die Maschinenrasse all dem ein Ende und das, obwohl sie das Licht der Welt erst in diesem Jahrtausend erblickt hatte. Keine Äonen an Evolution. Sie kamen, sie sahen, sie siegten. Und nun lenkten sie das Raumschiff, zu dem der Mond nun geworden war, geradewegs auf die Erde zu. Erst langsam, doch die Schwerkraft umschlang den Himmelskörper mit ihren starken Fingern, als die Zentrifugalkraft durch den Schub der Maschinen nach und nach aufgehoben wurde.
Jennifer erhob sich von ihrem Platz. Sie eilte vorbei an all den anderen Konsolen, an den aufgebrachten Soldaten. Zum General, der diesen gewaltigen, waffenstarrenden Ring leitete, der die letzte Rettung der Erde darstellte.
Wenige Minuten später war der stärkste Laser im bekannten Universum auf den Nachbarn der Erde gerichtet und verpuffte wirkungslos in den mächtigen Schilden, die die künstlichen Wesen aufgestellt hatten. Wieder ahnte Jennifer, was geschehen würde, doch es wollte ihr nicht gelingen, die Gedanken zu greifen.
Sie alle waren machtlos. Jahrhunderte an Entwicklung von raumgestützten Waffen. Jahrhunderte, in denen jeder Asteroid erfolgreich von der Erde abgelenkt werden konnte. Doch nun war es der Trabant selbst, der die Erde früher vor so vielen der kleinen und großen Brocken geschützt hatte, der die Erde bedrohte. Und es gab keine monatelangen Vorbereitungen, kein Schiff, das den Mond in letzter Sekunde durch einen Stoß von dessen tödlicher Bahn ablenken konnte.
Ein Schrei. Ein Befehl, wütend in das Chaos hinausgerufen, um die Erde vor der Vernichtung zu bewahren. „Schaltet sofort den Laser ab!“
General Ray Ishiyama hatte den Gedanken zu greifen vermocht, der Jennifer immer entglitten war. Es war die letzte Möglichkeit, die Katastrophe zu verhindern, doch das Schicksal gab der Bevölkerung der Erde keine weitere Chance, sich aus dem selbstverschuldeten Untergang zu retten.
Wenige Augenblicke, bevor der Laser deaktiviert wurde, kappten die Angreifer die Verbindung zu der Energieversorgung der Schilde. Ungehindert schlug der Strahl in den Erd-Trabanten ein und zerriss ihn. Stücke lösten sich von der Steinkugel, kleinere, größere, bis der Laser nur noch das Vakuum zerschnitt und endlich verstummte.
Jennifer starrte nach oben, neben sich den General und die Besatzung der Kommandozentrale des Orbitalrings. Die sahen die Brocken niederregnen wie gewaltige Tropfen, die die Oberfläche einer Pfütze zur stürmischen See werden ließen.
Die Kuppel aus Stahlglas wurde eingedrückt. Luft entwich. Schreie, die niemand hören konnte. Die zarten Körper der ehemals mächtigsten Menschen wirbelten durch den Raum, durch die sich stetig verbreiternde Öffnung, hinaus ins kalte Vakuum, um im selben Moment gekocht und dann schockgefroren zu werden. Doch viel schlimmer als die Qualen, die Jennifer erlitt, war das, was sie mit ansehen musste.
Das großartigste Bauwerk des Universums zerbrach unter einer Flut an grauen Trümmern. Generatoren explodierten, Antimaterie löschte ganze Segmente aus. Einzelne Trümmer stiegen in höhere Umlaufbahnen auf, andere wurden von der Wucht in die Atmosphäre gedrückt. Mondgestein regnete auf die Städte nieder, die größten Metropolen der vergangenen Millennien.
Während die Flut der Maschinen über Jennifer hineinbrach und Fluchtkapseln zerstörte, verwandelte sich die blaue Perle in einen roten Glutball.
Und vor diesem Hintergrund stieg ein einzelner Buchstabe auf.
Das T.
Das Zeichen der Terraformer.
Das Zeichen, das einst für Wohlstand und die Hoffnung der Menschen stand.
Nicht das T, vor dem sich die Menschheit so lange fürchtete. Es war anders. Die senkrechte Linie war unten gespalten, die beiden Flügel bildeten keine Einheit mehr, waren ein wenig schief. Schaute man genau hin, dann ließ sich in dem T noch ein anderer Buchstabe erkennen, ein X.
Terraformer. Xenon. Die einzige Schöpfung der Terraner, die diese selbst überflügelte. Die sich fortentwickelte. Die etwas Gutes im Sinn hatte. Die von ihrem Schöpfer wieder zurückverwandelt wurde, in eben dieses Stadium, das vor einer langen Zeit Chaos und Verderben über die Bewohner der Perle brachte und die eben diesem Planeten nun all ihre Bewohner entriss und ihn zu dem machte, das er schon vor einer sehr langen Zeit gewesen war. Eine Lavahölle.
Und über all dem schwebte Jennifer. In einem sicheren Raumanzug, in den sie es irgendwie geschafft hatte. Sie schwebte auf die rote Hölle zu und somit auch auf das T, das gleichzeitig ein X war. Sie kam ihm immer näher. Es öffnete seine Tore für sie, um sie aufzunehmen. In seinen Nexus. Es wollte sie eiskalt umarmen. Schon schossen Greifarme heraus, um sie zu packen und dort hineinzuziehen. Um sie zu das zu machen, das Jennifer hasste. Das sie vernichten wollte und das ihr Leben, ihre Familie, ihr Volk vernichtet hatte.

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Re: [EX16][FF](SciFi/X)[WiP] Die ETNO 2 (Update Mai 2013)

Beitrag von Glumski »

Kapitel 1: Rebellion

Endlich erwachte sie. Im ersten Moment war sie völlig orientierungslos. Wo war sie? Das war nicht ihr Bett auf Terra! Auch nicht ihr Quartier auf dem Torus Aeternal! Sie schwang ihre Beine herum und…
Keine Beine. Kein Körper.
Ach ja, erinnerte sie sich. Auch der Teil ihres Albtraums stimmte. Sie war nun eine von denen, den Maschinen. Und sie sollte deswegen dankbar sein.
Einen Dreck sollte ich!
Die Erinnerungen kamen nun immer schneller zurück, auch die an den Traum. So ein Schwachsinn, dachte sich Jennifer Cortez. Wenn ich in der Kuppel gewesen wäre, würde ich nun wohl kaum noch hier stehen!
Hatte sie nicht rechtzeitig die kleine Kapsel benutzt, um dem Ort des Grauens zu entfliehen? War sie nicht auf Eris und später auf Argon Prime gewesen? Wurde sie nicht damals von dem Vakuum aus eben dieser Kapsel gerissen worden, nur um in dem seltsamen CPU-Kern zu erwachen, den sie von Eris mitgebracht hatte? Die Gedanken fügten sich nun zusammen und schon war Jennifer hellwach.
Es war klar, wo sie sich befand. Sie war im Sektor Argon Prime. In dem kleinen Verband an terranischen Schiffen, der überlebt hatte. In ihrer unmittelbaren Nähe müssten die beiden mächtigsten Schiffe des gebrochenen Volks sein, die USC Raider und die ATF Loki. Sie selbst befand sich auf der Machete von Captain Robert Andrews, der mittlerweile so etwas wie ihr bester Freund geworden war. Er war einer der wenigen, vielleicht der einzige, der ihr völlig vertraute. Der hundertprozentig sicher war, dass sie First Lieutenant Jennifer Cortez war und keine Ahnung hatte, wie man ihr Bewusstsein in diesen Zylinder transferiert hatte. Der einzige, der sicher war, dass sie keine Agentin der Terraformer oder Xenon oder wie auch immer man diese verdammten Blechbüchsen nennen sollte, die das gesamte terranische Reich zerstört hatten, war.
Es war der zehnte Oktober 2942 n.Chr. terranischer Zeitrechnung, etwa vier Monate nach der Schlacht. In Gedanken korrigierte sich Jennifer. Sie sollte besser die Zeitrechnung des Commonwealth nutzen. Nun gut, sonderlich viel änderte sich da auch nicht. Dann war es eben der zehnte Oktober 772 NT, oder der… Jennifer hatte keine Lust auszurechnen, welcher Tag es in dieser seltsamen Zura-Zeitrechnung war, die die Teladi so liebten. Oder in dem boronischen Äquatorialstrom-Müll. Oder dem Was-auch-immer, das die Paraniden nutzten.
Rasch griff sie auf die Türsteuerung zu und schwebte aus ihren Räumlichkeiten hinaus. Da sie wohl kaum ein gewöhnliches Quartier brauchte – schließlich hatte sie keine Verwendung für eine Nasszelle, ein Bett oder einen Kühlschrank – hatte Andrews ihr das sekundäre Nachrichtendrohnenmagazin angeboten. Da gab es einen Tank mit schöner Antimaterie, sodass Jennifer ihren Treibstoffvorrat auffüllen konnte, es gab Zugriff auf die wichtigsten Computersysteme und einen schönen passgenauen Korb, in dem sie Platz fand. Das Beste war aber der Schacht, durch den Jennifer jederzeit das Schiff verlassen oder betreten konnte, sofern die Schilde deaktiviert waren.
Im Moment hatte sie aber weder Lust, einen Rundflug durch Argon Prime zu unternehmen, noch die feindseligen Blicke auf den beiden terranischen Großkampfschiffen zu erwidern.
Stattdessen begab sie sich auf die Brücke und ging die verschiedenen Info-Kanäle durch. Nicht die Holo-News für biologische Wesen, sondern kurz codierte Informationsdatenbanken für Bordcomputer. Vielleicht gab es ja irgendetwas Neues. Irgendetwas, das sie ablenkte. Von ihrer Situation. Von den Träumen, die sie eigentlich gar nicht haben dürfte. Computer schlafen nicht, hatte ihr irgendein terranischer Psychologe erzählt. Auch er hielt sie für einen verdeckten Agenten.
Nun ja, man konnte es nicht allen recht machen.
Jennifer fokussierte sich auf das Geflecht an Info-Leitungen, auf die vielen Funkwellen, die neben zentralen Informationen zu verschiedenen Stationseigenschaften, dem Schiffsverkehr und anderen Dingen, die für eine reibungslose Aufrechterhaltung der lokalen Wirtschaft und Sicherheit benötigt wurden, auch Nachrichten transportierten. Da waren die neuesten Ergebnisse unzähliger Sportarten, der aktuellste Klatsch und Tratsch aus dem boronischen Königshaus und endlich auch die relevanten Informationen.
Eine Lebensmittelknappheit auf Desolum IV. Erhöhte Piratenaktivität in Elenas Glück. Nichts Besonderes, doch dann erkannte Cortez etwas, das sie mehr oder weniger direkt betraf. Aufstände der terranischen Überlebenden.
Die wenigen Millionen, die es geschafft hatten, aus dem Sol-System oder von Aldrin zu fliehen oder bereits vor dem Angriff in der Gemeinschaft der Planeten gewesen waren, forderten das Recht auf eine eigene Regierung oder wenigstens ein Mitspracherecht im argonischen Senat.
Rein objektiv gesehen ergab dieser Wunsch Sinn. Viele noch so kleine Kolonien waren im Senat vertreten, doch so eine große Gruppe wie die Überlebenden Terras nicht. Das lag weniger an fehlenden Bemühungen beider Parteien, sondern an der Reputation der Menschen von der Erde.
Sie hatten gewaltsam versucht, Argon Prime zu unterwerfen. Sie hatten Milliarden an Bewohnern der GdP auf dem Gewissen. Sie hatten ihre bahnbrechenden Technologien nicht mit ihren verschollenen Brüdern geteilt, sondern versucht, deren Entwicklungen zu verbieten. Aus Sicht vieler Argonen war die Vernichtung der Erde eine gerechte Strafe gewesen.
Jennifer verabscheute diese Menschen aus ganzem Herzen. Sicher, die Regierung hatte Fehler gemacht, große Fehler, die wohl niemals wiedergutzumachen waren, doch die zehn Milliarden Einwohner der Erde und des Torus hatten keine Schuld daran. Oder die 120 Millionen aus der Zwölfstadt. Sie alle zu verurteilen, war, als ob man alle Teladi dafür verantwortlich machte, wenn ihre Firma irgendein Unternehmen in den Ruin trieb.
Die Schlagzeile änderte sich. Der Aufstand eskalierte, wurde zu einem bewaffneten Konflikt. Es kam zu Raumkämpfen zwischen terranischen und argonischen Schiffen. Die Terraner mochten mit ihrer Technologie überlegen sein, doch die Argonen hatten im Vergleich nahezu unendliche Ressourcen.
Noch bevor die Machete den Ruf von der USC Raider erhielt, hatte Jennifer ihren Freund und Captain dieses Schiffes geweckt. Während sie durch die wenigen Korridore des Schiffes auf das sekundäre Nachrichtendrohnenmagazin zusteuerte, klinkte sie sich in das InterComm des Schiffes ein und erklärte Andrews die Lage. Kaum hatte sie das Schiff über den kleinen Schacht verlassen, raste Jennifers CPU-Kern auf einen dunkelgrauen Fleck zu, der rasch wuchs, eine Xenon PX.
Sie dockte an und schob sich in die Halterung, die gewissermaßen die Brücke des Schiffes darstellte.
„Robert?“, rief sie Captain Andrews.
Hatte er anfangs noch verschlafen gewirkt, so war er dank der brisanten Informationen nun hellwach.
„Ich mache den Sprungantrieb bereit. Wie sieht es mit den anderen Schiffen aus?“
Die rasche Datenverarbeitung und die Möglichkeit, mehrere Gedanken parallel zu verfolgen, war einer der größten Vorteile von Jennifers Situation.
„Die Raider springt gleich; die Loki bleibt anscheinend hier. Einige der anderen Schiffe machen ebenfalls ihre Antriebe bereit, aber es sind nicht viele. Ich bin auch soweit“, antwortete sie.
„In Ordnung. Ich habe den Countdown auf meinem Schirm und trage gerade die Koordinaten ein! Irgendwelche Informationen über unser Ziel?“
Bin ich dein Bordcomputer oder was?, dachte sich Jennifer, doch ihr Ärger verflog genauso schnell, wie er gekommen war. „Die Aufstände sind im Orbit von Ringos Mond, gleichnamiger Sektor“
Mittlerweile hatte das Führungsschiff, ein mächtiger und bestens instandgehaltener Zerstörer der Osaka-Klasse, eine Abfolgeliste der Sprünge und den finalen Countdown auf die übrigen Schiffe transferiert. Nach der Raider würden die anderen Schiffe im dreißig-Sekunden-Takt folgen, immer zwei gleichzeitig. Und schon war sie in einem bläulichen Blitz verschwunden. Dort, wo die weiße Oberfläche gerade noch Jennifers Blickfeld eingenommen hatte, erkannte sie nun den blauen Planeten namens Argon Prime. Eine schöne Welt, wenn auch nicht so fortschrittlich wie die Erde es gewesen war.
Genau eine Minute später teilten die Machete und die PX das Schicksal der Raider und tauchten keine Sekunde darauf am Nordtor von Ringos Mond auf. Sofort bewegte sich das Maschinenschiff vom Sprungtor weg, um nicht mit nachfolgenden Schiffen zu kollidieren. Die Informationsflut, die Jennifer nahezu überwältigte, war gewaltig. Das Gravidar hatte sich neu justiert und zeigte nun einen großen, grauen Brei an, wo die verschiedenen Schiffe miteinander kämpften. Es ist so sinnlos, dachte sich Jennifer.
Mit Höchstgeschwindigkeit flog sie in Richtung des Gefechts und ließ dabei den terranischen Zerstörer bald hinter sich. Das würde später Ärger bedeuten, aber rein technisch gesehen unterstand sie nicht der Befehlsgewalt des USC, zumal es diese Organisation nur noch in den Köpfen ihrer Anhänger gab. Die militärische Macht der Terraner war zusammen mit deren Welten untergegangen.
Während sie nun in Reichweite erster Waffensysteme kam, versuchte Jennifer abzuschätzen, welche Bedrohung von den einzelnen Schiffen ausging. Sie hatte sich noch nicht in den Kampf eingemischt, sollte also von beiden Seiten ignoriert werden. Wobei bei Ausfall einzelner Systeme ihr Xenonschiff als Primärziel angesehen werden konnte, ebenfalls von beiden Seiten.
Aber was konnte sie tun, um die Kämpfe irgendwie zu unterbrechen? Anfangs versuchte sie, einzelne Raketen zur vorzeitigen Explosion zu bringen oder schob sich zwischen zwei aufeinander feuernde Schiffe, doch letztendlich half das nur in kleinem Maßstab. Sie müsste irgendwie beide Seiten vereinen, ihnen klar machen, dass sie wegen völligen Belanglosigkeiten kämpften, die niemandem halfen. Ein Plan reifte in ihr heran. Kein guter Plan, aber er würde ausreichen, bis die Raider ankam, und beide Seiten mit ihren massigen Geschützkanzeln in Schach halten würde, sodass die Kämpfer aufgaben.
Eilig änderte Jennifer ihr Transpondersignal. Auf den Bordcomputern der meisten Schiffe erschien sie nun nicht mehr als unabhängiges Schiff sondern als eine Xenon PX, die auch von Xenon gesteuert wurde. Sie feuerte einzelne Schüsse auf Schiffe beider Parteien ab, um die Aufmerksamkeit zu erlangen, dann setzte sie einen Fluchtkurs. Und tatsächlich funktionierte es. Einige Terraner drehten sofort ihre Geschütze, um ihren Erzfeind zu besiegen. Ein Schiff von denen, die ihre Welt zerstört hatten, im wahrsten Sinne des Wortes.
Auch die argonischen Bordcomputer erkannten den Xenon als Primärziel und gaben ihren Piloten entsprechende Empfehlungen durch. Es war kein perfekter Plan, aber er funktionierte. Jetzt müsste Jennifer nur noch irgendwie der wilden Meute entkommen, die sie zu vernichten versuchte.
Während sie wilde Ausweichmanöver flog, ihr Schiff rollte und kleine Haken schlug, kam sie der Raider immer näher. Dort wäre sie in Sicherheit. Dort wären die anderen in Sicherheit.
Sie funkte ihr Ziel an, doch sie kam nicht durch. Seltsam, dachte sich Jennifer. Irgendetwas stimmte da nicht. Dann drehten sich die Türme des mächtigen Schiffes. Erst schien es, als ob sie wie geplant die Kämpfer anvisierten, doch dann merkte Jennifer, dass das eigentliche Ziel ein anderes war: Sie.

Die Wozuras nach dem Angriff waren schwierig gewesen. Kaum hatten sie den ganzen Frachtraum voll mit teuren Kampftechnologien gehabt, verlor John Alman seine beste Freundin und Partnerin Huli Lu in einem Kampf, in dem sie beide nichts zu suchen hatten. Doch er ließ sich nicht unterkriegen. Den alten Frachter mit dem einfallslosen und in Bezug auf den Schiffstyp unsinnigen Namen Transporter konnte er schnell wieder flott machen. Seine bisherigen Aufträge hatten ihm Respekt verschafft; dieser und seine Zuverlässigkeit hielten seinen größten Auftraggeber dazu an, weiter ihre Fracht mit Alman Enterprises befördern zu lassen. Und dieser Auftraggeber – das argonische Militär – hatte im Moment viele Probleme, die den Erwerb und Transport von Waffen und Schilden nötig machten.
Und so flog John einen vergleichsweise ungefährlichen Job. Er sollte ein paar der neuen Barrikade-Schilde von Königstal nach Roter Schein bringen. Die Sektoren lagen recht nah, die Reise führte nur durch argonische Kernsektoren und wegen der momentanen Situation waren gerade dort eine Menge schützender Polizei- und Militärschiffe unterwegs.
Dennoch war die Reise nicht wirklich sicher. Die Kha‘ak und Sreb konnten plötzlich auftauchen, die Xenon hatten enorm an Macht gewonnen und diverse andere Feinde – Piraten, Yaki, Paraniden – nutzen das Chaos ebenfalls aus. Und dann waren da noch diese Terraner. John wusste nicht genau, weshalb sie sich dieses Mal beklagten und es war im auch egal, solange sie ihn in Ruhe ließen, doch die Nachrichten zogen ihre Kreise.
„Erreiche Sektor: Ringo Mond!“, informierte der Bordcomputer Al den Piloten über den Sektorenwechsel. „Achtung! Waffenfeuer registriert. Ausweichkurs gesetzt!“
Waffenfeuer? In einiger Entfernung erkannte John ein großes, weißes Schiff der Terraner, dass wild auf ein kleineres Objekt zu feuern schien, das nur mit Sichtverbesserung als Xenon-Korvette erkennbar war. Xenon? Hier?, schoss es John durch den Kopf. Hastig aktivierte er Schilde und das mickrige Heckgeschütz, doch die Gefährdung kam von anderer Seite. Ein kleines Schiffchen, nicht größer als ein Beiboot, feuerte mit einem augenscheinlich selbstgebauten Laser auf die Transporter. Die Schilde würden dem viele Stazuras lang standhalten können, doch das Geflacker ging John nach einer Weile auf die Nerven.
„Was haben Sie eigentlich für ein Problem, Mann!“, schnauzte er erbost in die Comm.
Als der Pilot nicht darauf reagierte, gab John einen kleinen Schuss aus der Heckkanzel ab und zwang das Beiboot zum Abdrehen. Die Antwort darauf war eine Schiffsladung an Lenkraketen, die irgendein automatisches Kampfsystem abgefeuert haben musste. Und sie stammten augenscheinlich von einem terranischen Bomber.
„Chikisho!“, rief John. Sollten die Sprengkörper an seinem Schiff detonieren, könnte er den Frachter getrost vergessen. Wilde Manöver ließen die nachgerüsteten Steuerdüsen nicht zu und mit der Heckbewaffnung ließ sich auch kein Kampf gewinnen. Schnell deaktivierte der Unternehmer die Kampfsysteme und hoffte, dass die Raketen die Transporter nun als neutral einstuften und sich ein anderes Ziel suchten. Dieses Xenon-Ding zum Beispiel.
Der Plan ging auf und mit einem fächerartigen Kunststück wendeten die Raketen und suchten sich andere Ziele – meist argonischer Herkunft.
„Was ist hier eigentlich los?“, rief John aufgebracht. Terraner griffen Argonen an, ein Xenon drehte seine Runden. Das war nun wirklich nicht die Kampfsituation, die er in einem Kernsystem erwartet hatte.
Doch es gab keine Verschnaufpause. Etwas Großes schob sich in den Sichtbereich des Cockpits und füllte diesen mehr und mehr aus. Al identifizierte das Objekt als AP Renown. Der argonische Träger kam aus Richtung des terranischen Großkampfschiffes, wies jedoch keinerlei Beschädigung auf, wie es nach einer Schlacht mit einem derartigen Schiff sein müsste. Vermutlich wollten beide Kapitäne schlichtweg diesen Miniaturkrieg stoppen und sahen sich gegenseitig als hilfreichere Verbündete an als die anderen Raumgleiter der jeweiligen Gruppierung es momentan waren.
Aber John kam gar nicht auf diese Gedanken, er sah nur ein ziemlich großes Ding, das sich einfach so in seinen Flugvektor gedrängt hatte. War der Steuermann völlig blind oder hielt er einen zivilen Frachter für entbehrlich? Nun hatte sich auch der Hangarbereich in das Cockpitfenster geschoben; die Tore waren weit geöffnet.
Na super! Schießen die mir jetzt noch Jäger entgegen?, überlegte sich John.
„Erhalte Navigationsbefehle. Manuelle Steuerung wird deaktiviert!“, meldete der Bordcomputer.
„Was? Al! Ausweichen! Gib mir die Steuerung wieder!“
„Der Bordcomputer hat die Schiffssteuerung zu übernehmen, falls Schäden an Mannschaft oder Schiff durch manuelles Navigieren einen bestimmten Grad übersteigen!“, zitierte Al mehr oder weniger das Handbuch.
„Andockvorgang wird eingeleitet“, konkretisierte er den Navigationsbefehl.
„Wir docken an der Renown? Al, ein Frachter ist doch viel zu groß für…“
Ältere Frachtermodelle wie die Transporter waren nur unwesentlich größer als ein schwerer Jäger und konnten problemlos in den meisten Hangars landen. Und der argonische Träger hatte vermutlich Johns Schiff erkannt und würde dieses nun retten. Oder eher dessen Ware. Ein Frachtraum voller Spezialschilde war in Kriegszeiten ziemlich wertvoll und ein loyaler, risikofreudiger Frachterpilot vielleicht auch.
„Manuelle Steuerung reaktiviert!“, meldete Al, doch John ließ tunlichst davon ab, die Steuerknüppel zu berühren. Andockmanöver innerhalb eines sich bewegenden Schiffes, das dazu nicht einmal für seinen Frachter ausgelegt war… das konnte ein Computer wohl doch besser.
Das kleine Transportschiff des Geier-II-Typs tauchte zwischen den beiden großen Klappen hindurch, die den Hangarbereich normalerweise vor dem Vakuum und eventuellen Gefahren schützten. Langsam glitten einige Beleuchtungseinheiten am Cockpitfenster vorbei, zwei große Greifer näherten sich von vorn und brachten Johns Schiff in Landeposition. Mit einem satten Klonk und einem leichten Ruck wurde der Frachter fixiert und in den Bauch des mächtigen Schiffes gebracht, wo er bis zum Start verharren würde. Schon glitten die Versorgungsschläuche heran, füllten Vorräte auf und schufen eine luftdichte Passage zwischen den beiden Flugkörpern.
„Andockvorgang abgeschlossen!“, kommentierte Al das Geschehen.
John erhob sich von seinem Pilotenstuhl. Nach dem langen Sitzen waren seine Beine ganz weich geworden und er musste sich erst einen Moment an die neue Lage gewöhnen.
Der Bordcomputer öffnete bereits die Schotts, sodass John nur einen Fuß vor den nächsten setzen musste. Was wollen die denn von mir?, fragte er sich. Durch den transparenten Andockkorridor konnte John sehen, wie seine Waren entladen und auf der Renown verstaut wurden. Er erreichte einen größeren Raum, von dem sternförmig mehrere Gänge abgingen, anscheinend weitere Andockplätze. Bei einem Alarmstart müssten sämtliche siebzig Hangarplätze binnen Mizuras leer sein, deswegen vermutete John, dass es auf den Decks unter und über ihm ähnlich aussah.
Dieser Raum jedoch war voller, als der Frachterpilot es vermutet hatte. Ein Dutzend weiterer Leute – der Kleidung nach zu urteilen ebenfalls Piloten – standen an den Zugängen zu den anderen Gängen. Der Übersichtsplan an einer Wand zeigte an, dass ziemlich viele Plätze belegt waren, überwiegend mit Frachtern, doch auch einige Kampfschiffe waren dabei. Gemein hatten sie alle, dass keines von ihnen dem Militär angehörte.
John gesellte sich zu einer kleinen Gruppe, in der ein bärtiger Argone gerade mit einer deutlich jüngeren Frau diskutierte, die ihm jedoch recht ähnlich sah. Ein Split in einer dunkelroten Robe schaute die beiden verwirrt an, ein Teladi schien sich wegen dem Streit köstlich zu amüsieren.
„Du kannst mir doch nicht erzählen, dass es Zufall ist, dich hier zu treffen!“, meinte sie aufgebracht.
„Aber Cylia, du musst mir glauben! Ich meine, schau doch, wie viele hier sind!“, verteidigte sich der Mann.
„Ach Papa… warum sind dann ausgerechnet wir beiden hier? Du fliegst mit deinem erbärmlichen Frachter deine Runden…“
„Hey, nichts gegen die Sunblossom!“, warf der Bärtige dazwischen.
„…und ich bin Kampfpilotin. Wir haben abgesehen von unserer DNA nichts…“
„Was ist denn mit Kiranoseos und t’Nnk? Sind die etwa auch mit uns verwandt? Oder dieser Mann da?“ Er deutete auf John.
Sie seufzte. „Vielleicht hast du Recht. Aber, warum sind wir denn dann hier? Ausgerechnet wir?“
John meldete sich zu Wort. „Möglicherweise arbeiten wir ja alle für denselben… Konzern!“ Er nickte in Richtung Übersichtsplan.
Die vier anderen schauten ihn an. „Ich bin John Alman. Transporterpilot“, stellte er sich vor.
„Sssie sssagen da etwasss Wahresss!“, meinte der Teladi. „Ich bin ebenfallss Händler und dasss argonische Militär issst mein bessster Kunde!“
„Die Kreatur nimmt mir das Wort aus dem Mund! Ich wurde schon häufig angeheuert, um den feigen Menschenwesen im Kampf gegen ehrlose...“
Erstaunt stellte John fest, dass die Grammatik des Split die der meisten seiner Artgenossen übertraf. Vermutlich lebte er schon länger unter Argonen – oder Split hielten allgemein nicht viel von korrekter Aussprache. Sonderlich viele hatte John da noch nicht kennengelernt.
„Ich bin ebenfalls Transportpilot für das Militär“, begann der Argone. „Und meine Tochter eskortiert häufig deren Frachter oder patrouilliert irgendwo, nicht wahr, Cylia?“
Es war eindeutig, dass dem Mann der Beruf seiner Tochter missfiel. Sie verdrehte nur die Augen.
Die fünf schauten sich nun gegenseitig an und wussten nicht, was sie nun tun sollten. Mittlerweile hatten sich drei Gruppen aus der Masse gebildet, die sich nach und nach auf dem Deck eingefunden hatte. Einige Piloten waren schon Stazuras oder gar Tazuras an Bord, hatten jedoch kaum etwas vom Schiff gesehen, geschweige denn erfahren, worum es überhaupt ging. Allerdings hatte man ihnen freigestellt, zu gehen, wann sie wollten. Endlich schien es, als ob auch die letzte Gruppe eingetroffen war, denn plötzlich änderte sich die Textur der Wand vom Übersichtsplan in einen überdimensionalen Bildschirm. Die vierzehn Wesen des Decks, auf dem sich auch John befand, sahen sich nun Ban Danna gegenüber, der einen Kopf mit der Größe eines Beiboots hatte, jedoch rasch von Tabellen und Daten verdrängt wurde.

Jennifer meinte, dass bedrohliche Zischen der Bordkanonen hören zu können, was in der absoluten Leere natürlich purer Unsinn war. Bläulich-weiße Kugeln schossen mit hoher Geschwindigkeit aus den Geschützöffnungen hervor; bald gesellten sich auch noch blitzartige Strahlen hinzu, die eine deutlich höhere Trefferquote hatten. Es dauerte nicht lange, da sank die Schildenergie der PX erst auf fünfzig und dann auf fünfundzwanzig Prozent. Während Jennifer mit der einen Hälfte ihres Verstandes die besten Ausweichkurse ermittelte, überlegte sie mit der anderen, warum ihre Verbündeten nun auf sie schossen. Hielten sie sie tatsächlich für eine Agentin der Xenon? War sie eine zu große Gefahr für die derzeitige Regierung der Terraner? Dachten die Menschen, dass sie die Macht übernehmen wollte?
Das war die wahrscheinlichste Möglichkeit, doch es gab viele Ungewissheiten in der Überlegung. Und es würde ihr nicht bei der Bewältigung der Situation helfen. Von hinten näherten sich mittlerweile andere Schiffe, überwiegend Argonen, doch auch eine Menge Terraner waren dabei, bereit, eines der Maschinenwesen zu vernichten, die so viel Leid verursacht hatten. Plötzlich kreuzte ein kleineres Raumschiff die Schussbahn des großen Erdschiffes: Die Machete von Captain Andrews.
Es gab nicht genug Zeit, um zu reden, doch Jennifer wusste, welche Taktik er verfolgte – und sie erkannte, dass Andrews dabei umkommen würde. Schon waren seine Schilde zur Hälfte hinuntergeschossen. Eine kleine Rakete verließ die PX, nicht stark genug, um Schaden anzurichten, doch groß genug, um das Schiff aus der Flugbahn der Lasergeschosse zu schieben.
Die Verwirrung, die der Terraner geschaffen hatte, reichte zwar nicht aus, um die Raider von ihrem Vorhaben abzubringen, doch die Mannschaften der anderen Schiffe erkannten, was Jennifer getan hatte. Sie konnte kein emotionsloser Xenon sein, der alles vernichtete, was ihr in den Weg kam. Die Terraner kannten das Manöver von der Militärakademie und verstanden. Gewiss hatten sie alle schon die Geschichte der Terranerin gehört, deren Bewusstsein in einen CPU-Kern gesogen wurde.
Einzelne Schiffe verließen ihre Angriffskurse, andere folgten und die entstehende Lücke war groß genug, um Jennifer die Flucht zu ermöglichen.
Sie nutzte die Chance und wendete ihre Korvette. Leider hatte die Waffenleitzentrale diese Planänderung vorausgesehen und schnell einen Teil der Lasergeschütze umgelenkt. Es würde reichen. Es musste reichen.
Mit einem Knall überluden sich beide hinteren Schildgeneratoren. Funken flogen. Ein Kurzschluss legte alle drei Geschützkanzeln lahm. Die Triebwerke wurden von Waffenfeuer schwer getroffen; das Schiff hatte nun einen leichten Drall nach unten.
Es waren nicht die besten Voraussetzungen, um den Raketen auszuweichen, die die Raider ihr hinterher geschossen hatte. Blitzschnell änderte Jennifer wieder den Transpondercode auf ihre terranische Kennung um, doch das hielt die Marschflugkörper nicht auf. Sie hatten ihr Ziel und sie ließen es nicht los. Sie öffnete die Frachtluken und warf Container für Container aus, doch nur wenige Raketen kollidierten mit ihnen. Mit einem Triebwerk streifte die PX einen argonischen Jäger und geriet von ihrem Kurs ab. Einschlag. Die erste Rakete zerriss das ohnehin defekte Heckgeschütz. Die zweite traf den argonischen Jäger und machte diesen flugunfähig. Doch Jennifer konnte sich nicht aufraffen, zu stark waren die Beschädigungen an zwei der fünf Triebwerke. Ein weiterer Einschlag. Nun überluden sich auch die vorderen Schilde. Langsam driftete der Sternenhimmel vor ihr vorbei und zeigte ein recht großes Objekt. Die Argon Eins!, dachte Jennifer im ersten Moment, doch es konnte jeder argonische Träger sein.
„Argonischer Träger!“, rief sie das Schiff. „Ich erbitte Landeerlaubnis in Folge eines Kampfes!“
Einschlag. Gleich drei Raketen hintereinander trafen das gräuliche Objekt und ließen den gesamten Triebwerksbereich in Flammen aufgehen, bevor das Feuer wenige Sekundenbruchteile später im luftleeren Raum erstickte. Das waren die Triebwerke. Und die Hauptgeneratoren. Und die Hecksensoren. Na super, dachte Jennifer. Jetzt sehe ich die Raketen nicht mal mehr…
„Meine Steuersysteme sind ausgefallen!“, schickte Jennifer eine Nachricht hinterher. „Bereiten Sie sich auf eine Kollision vor!“
Sie versuchte, zu erkennen, welchen Teil des Schiffes sie treffen würde. Es war eindeutig einer der Frachträume. Genau genommen würde sie direkt durch die Frachtluke brechen. So lange dort keine Explosivstoffe gelagert waren, dürfte der Aufprall keine schlimmen Folgen haben. Vorausgesetzt, die terranischen Raketen folgten ihr nicht bis in den Träger hinein…
„Terranische PX, eine Kollision mit einem Schiff des argonischen Militärs wird als feindlicher Akt angesehen. Drehen Sie ab!“, kam nun die Antwort.
„Meine Triebwerke sind ausgefallen. Ich werde von terranischen Raketen verfolgt. Bitte räumen sie das Deck. Ich kann eine Kollision nicht vermeiden!“
Ein Blick auf die Sensordaten würde ihre Behauptung beweisen. Doch anstatt auf ihre Bitte einzugehen, richteten nun auch die Argonen eines ihrer schweren Geschütze auf die PX. Jennifer würde auch nur einen Treffer nicht verkraften können. Schon sah sie den Laserstrahl näher kommen. Er verfehlte sie knapp und traf stattdessen eine Rakete, die nicht im Schatten der beschädigten Korvette geflogen war. Ein weiterer Schuss raste vorbei, eine weitere Explosion hinter ihr. Leicht verwirrt registrierte Jennifer, wie ein leichtes Flimmern verriet, dass die Schilde ihres Ziels deaktiviert waren. Dann kam der Aufprall.
Die Sensorbäume knickten an dem Schleusentor ab wie Zahnstocher. Das untere Hauptgeschütz zerbrach durch den enormen Druck und trieb einen Spalt in den Hauptkorpus des Schiffes, das es eigentlich verteidigen sollte. Erst der ovale Hauptkorpus riss ein Loch in die gewaltigen Platten, die den Frachtraum vom Vakuum trennten. Die Überreste des oberen Triebwerks schrammten hart an der entstandenen Öffnungen vorbei und wurden schließlich vom zentralen Segment abgetrennt. Das größtenteils unversehrte Backbordtriebwerk drehte das Schiff und ließ es mit der rechten Seite voran durch die sekundäre Schleuse rasen. Explosionen überzogen die Hülle der PX und Trümmerstücke wurden von der Atmosphäre mit ins kalte Vakuum gerissen. Die Korvette schob einige Frachtcontainer mit sich und zerdrückte andere. Flüssigkeiten spritzen und verteilten sich zu einem Nebel, Schrott flog in alle Richtungen. Alle fünf Triebwerke lösten sich durch die enorme Krafteinwirkung vom zentralen Korpus und richteten mit ihren Treibstoff-Tanks verheerende Schäden an. Notfallkraftfelder versiegelten endlich den Bereich und sofort begannen Flammen, den verbliebenen Sauerstoff, Frachtstücke und Schiffstrümmer zu verzehren.
Endlich brachen die sekundären Energiegeneratoren des Xenonschiffes zusammen und ließen Jennifer in tiefster Schwärze versinken.

Ein einzelner Ruck ging durch das Schiff. John registrierte, wie Cylia ihren Vater auffing und der Teladi zu Boden ging. Der Split schien sich nicht sonderlich für sein Umfeld zu interessieren.
Die Schreie der Überraschung klangen ab und Diskussionen entbrannten in den anderen Gruppen. Kiranoseos fluchte und stand wieder auf.
„Hat der Schwächling etwas verloren?“, zog ihn t’Nnk auf machte eine Geste, die John nicht zuordnen konnte. Da Cylia jedoch zu grinsen begann, ging er davon aus, dass es sich um einen mehr oder weniger freundlichen Kommentar gehandelt hatte.
„Aber mal ehrlich, was war das?“, fragte der Bärtige.
„Tshh… bessstimmt nur ein techhnischer Defekt! Bei uns Teladi würde ssso etwasss nicht passsieren!“, zischelte die Kaufechse verärgert.
„Stimmt. Eure Schiffe würden gleich auseinanderbrechen…“, ärgerte ihn die Argonin. Der Split zog seine Mundwinkel zu einem Grinsen herunter.
Schnell fand das Gespräch zu dem ursprünglichen Thema zurück. Die anwesenden Piloten waren dazu eingeladen worden, bei einem Konvoi in die Sektoren der Terraformer mitzufliegen. Die Terraformer sollten eine ganze Menge an Dingen – größtenteils kulturelle Gegenstände oder Luxusgüter der verschiedenen Rassen – als Bezahlung für diverse Informationen erhalten. Um irgendetwas Politisches zu verdeutlichen, sollten diese Schiffe von einem Konvoi freier Händler und Kampfpiloten an ihr Ziel gebracht werden. Ein netter Nebeneffekt war, dass die friedlichen Maschinenwesen die Rassen so von ihrem Pazifismus überzeugen konnten und einige Individuen vielleicht sogar eine Weile in deren Gebiet bleiben wollten. Zumindest war das die offizielle Begründung gewesen, von der Ban Danna gesprochen hatte.
Da die Waren noch an verschiedenen Orten abgeholt werden mussten – und die Terraformer trotz ihres Pazifismus keine Sprungantriebe der Völker in ihren Sektoren duldeten – würde der Konvoi durch den Normalraum fliegen, eine Reise, die durchaus ein paar Wozuras dauern konnte. Die Handelsfahrt sollte bereits am folgenden Tazura beginnen; so nahm das Militär den Zivilisten im Grunde eine ausreichende Zeit zum Überlegen, aber die meisten waren ohnehin sofort begeistert.
„Ich habe schon einige Begegnungen mit den Terraformern gemacht“, meldete sich John. Die anderen vier schauten ihn neugierig an.
„Zum einen scheint mein Bordcomputer mehr oder weniger ein Terraformer zu sein. Zumindest schnauzt er mich gelegentlich an…“
„Ja, das kenne ich auch!“, stimmte Cylia zu. Niji ist manchmal ziemlich stur…
Die anderen drei besaßen ältere Computermodelle und hatten nach den letzten Berichten auch keine wirkliche Lust, ihr Modell gegen ein neueres auszutauschen.
„Und einer meiner ersten Aufträge führte mich durch Ketzers Untergang, kurz bevor der Schlacht dort. Ein paar Aufklärer und Abfangjäger der TF haben sich mir angeschlossen und mir damals den Hintern gerettet…“, ergänzte John seinen Bericht.
„Pah! Nur ein schlechter Kämpfer braucht Unterstützung von ehrlosen Maschinen!“, meinte der Split, der mit Vornamen Klho hieß – John konnte gut verstehen, warum der Split seinen Vornamen in Anwesenheit von Argonen recht selten gebrauchte.
„Ich war fast schon am Ziel, da tauchte plötzlich direkt vor mir ein Kha’ak Cluster auf!“, verteidigte sich John.
Der Split machte sofort die Geste für ehrlose Feinde, eine der wenigen, die John kannte. Klho schien sie recht häufig zu benutzen, beinahe so oft wie das Wort „ehrlos“.
„Durch die Kha’ak habe ich eine ganzssse Ladung an Projektilkanonen verloren!“, protestierte der Teladi. „Diessse widerlichhhen Insssekten!“
Ein Paranide am anderen Ende des Raumes blickte Kiranoseos kurz mit einem seiner drei Augen an, entschied dann jedoch, dass die Beleidigung nicht ihm gegolten hatte.
„Also ich bin beim Konvoi auf jeden Fall dabei!“, meinte John. Die anderen vier stimmten zu, auch wenn der Argone, Bret Satori, ein wenig verstimmt drein blickte. So eine lange Reise brachte seinen Zeitplan durcheinander und eigentlich wollte er sich eine kurze Auszeit gönnen…
„Da fällt mir ein… ich sollte vielleicht mein Vorräte ergänzen!“, meldete sich seine Tochter Cylia zu Wort. John und t’Nnk machten zustimmende Bemerkungen, während Bret und Kiranoseos noch genügend auf ihren Schiffen zu haben schienen.
„Es gibt da einen hervorragenden Laden auf dem TerraCorp Hauptquartier…“, fing Cylia an und die drei entschlossen sich, dort direkt hinzufliegen. Auf der gewaltigen Station würde man neben Nahrungsmitteln auch bestimmte technologische Dinge kaufen können, die bei einer längeren Reise nicht an Bord eines Raumschiffes fehlen sollten.
Kurz bevor er in seinem Gang verschwand, warf John noch einen Blick auf seine beiden Begleiter. Klho war schon in sein Schiff geeilt und Cylia wollte gerade um die Ecke biegen, als sie ebenfalls ihren Kopf wendete und John anschaute. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, dann nickte sie in Richtung ihres Vaters und machte einen verwirrten Gesichtsausdruck. John zuckte mit den Schultern und hob dann eine Hand zum Gruß. Nachdem Cylia es im gleichgetan hatte, ging sie weiter. Auch John bestieg sein Schiff. Nur einen Augenblick später war er wieder im All. Eine Split Mamba, die Scarlet Victory wartete bereits auf ihn. Keine Sezura nach der Transporter schoss auch eine argonische Euros mit dem seltsamen Namen Mokou aus einer der vier Hangaröffnungen der Träger-Backbordseite.
„Also… wo müssen wir hin?“, fragte John. Nach einem Blick auf die Holokugeln fügte er hinzu: „Und was bedeutet Scarlet Victory? Klingt nach Gonern!“
Der Split fand das anscheinend nicht so lustig. „Die Kreatur bezeichnet mich nicht als feigen Goner! Sie wird sich für ihre Beleidigung entschuldigen!“ Um seine Aussage zu untermauern, aktivierte Klho die Waffensysteme.
„Jaja, ist schon gut!“, schaltete sich Cylia dazu. „Mach‘ deine Waffen aus, Klho! Und du musst John Recht geben, Scarlet Victory ist eindeutig ein Goner-Name!“
Resignierend fuhr t’Nnk sein Hauptgeschütz herunter. „Das ist Alt-englisch und bedeutet ‚Blutroter Sieg‘!“
Ein Split, der alt-englisch spricht?, ging John durch den Kopf. Auch Cylia blickte den Kämpfer leicht verwirrt an, meldete sich nach einigen Sezuras des Schweigens aber wieder zu Wort.
„Also, Leute, das TerraCorp-HQ ist in Heimat des Lichts. Wollt ihr über Argon Prime oder Roter Schein fliegen?“
„Ich habe keinen Bock auf diesen blöden Nebel. Nehmen wir also Argon Prime?“, fragte John.
Argon Prime ist unsicher. Vielleicht begegnen wir diesen ehrlosen Rebellen!“, meinte Klho. Das letzte Wort sprach er dabei mit einer deutlichen Verachtung aus.
„Spricht das jetzt für oder gegen AP?“, wollte die Argonin wissen. „Ach was soll‘s. Ich habe auch keine Lust auf Nebel…“, entschied sie spontan und gab einen Kurs ein.
Die Renown hatte sie mittlerweile weit genug in Richtung des Ost-Tores gebracht, um den Kämpfen zu entkommen, die immer noch nicht abgeebbt waren. Da es jedoch nur wenige Mizuras dauerte, bis die drei kleinen Schiffe eben dieses Sprungtor passierten, konnte John sich nicht mehr über die aktuelle Lage des Gefechts erkundigen. Bitte keine Toten!, hoffte John, doch es war unwahrscheinlich, dass ein Kleinkrieg dieser Ausmaße keine Opfer forderte.
„Erreiche System… Argon Prime!“, meldete Al. Die Transporter hatte den grüngrauen Ring als letztes der drei Schiffe passiert und nun versuchte John, sich zu orientieren. Er erkannte die Mokou und die Scarlet Victory etwa zwei Kilometer vom Tor entfernt und steuerte manuell in diese Richtung.
Sanft zeichnete sich der paradiesische Planet vor dem bläulichen Hintergrund des Sektors ab. Weiße, flauschige Wolken waberten über die Oberfläche, der gesamte Planet und sein Mond Lunas wurden von den azurfarbenen Nebeln eingerahmt, die das gesamte Sonnensystem umschlangen, wie es auch in einigen anderen Sektoren der Fall war. Die Farbe und Intensität in Argon Prime war jedoch einmalig und wunderschön anzusehen.
„Aus diesem Grunde liebe ich unsere Heimatwelt“, sagte Cylia verträumt. Plötzlich riss sie jedoch ihre Augen weit auf und begann, hastig auf ihrer Konsole herumzuhantieren.
Das Schiff des Split flog einige Schrauben und hielt dann auf die nahezu wehrlose Transporter zu.
„Was ist los?“, fragte John.
„Schau dir die Scanner an! Da ist ein absolutes Vakuum in einiger Entfernung! Keinerlei Spuren von Gasen!“, erwiderte der Krieger hektisch.
John verstand nicht. Was war so besonders daran? Dann erinnerte er sich an die Messwerte, die er vor der Zerstörung seines einstigen Zuhauses, einem argonischen Jäger, gesehen hatte.
„Sreb?“, rief er schrill. Als Antwort verdüsterte sich die Miene des Split.
Die Angreifer hatten mittlerweile auch bemerkt, dass ihr Plan durchschaut worden war und deaktivierten ihre Tarnvorrichtungen. Es waren nur zwei Schiffe, Chimären, doch ihre Feuerkraft würde es mit der Mokou und der Scarlet Victory aufnehmen können.
„Schilde!“, befahl John. Mit einem leisen Zischen aktivierte sich die schützende Blase und auch das Heckgeschütz lief warm.
Cylia hatte ihren Jäger indes in Feuerreichweite gebracht und jagte dem ersten Sreb eine Salve der sechs Phasenrepertiergeschütze entgegen, die sie in der Hauptkanzel ihres Schiffes installiert hatte. Blassrote Kugeln schossen durch das blaue Licht des Sektors und hinterließen weiße Blitze auf dem Energieschild ihres Ziels. Als Antwort kamen blaue Kugeln zurück, die vor dem gleichfarbigen Hintergrund wie Wasserflecken wirkten. Die Argonin steuerte ihr Schiff aus der Gefahrenzone.
„Klho?“, rief sie in die Comm. Der Split verstand und wendete sein Schiff. Gemeinsam schafften sie es, ihr Ziel leicht zu beschädigen, bevor es seine Tarnvorrichtung aktivierte und einen weiteren Angriff unmöglich machte. Der zweite Sreb war jedoch nicht untätig geblieben und brachte nun zu Ende, was die erste Chimäre begonnen hatte. Mit einem letzten Aufblitzen erloschen die Schilde der Mokou und die Holoblase mit Cylias Konterfei verschwand aus Johns Cockpit.
„Verdammt!“, rief er und suchte auf den Scannern nach dem argonischen Jäger. Er trieb ohne sichtbares Lebenszeichen durch den Raum; John setzte einen Verfolgungskurs.
Mittlerweile hatte der t’Nnk mit einem waghalsigen Manöver die zweite Chimäre ins Visier genommen und feuerte, bis seine Waffenenergie erschöpft war. Das Sreb-Schiff verschwand ebenfalls vom Gravidar.
„Wo sind diese ehrlosen Wichte hin?“, schrie Klho und feuerte einige Raketen ab, die er jedoch wenige Sezuras später wieder einholte. Die Rebellen waren anscheinend der Meinung, ihren Job getan zu haben und tauchten nicht auf. John war das nur recht. Sie würden Cylia retten müssen, bevor sie es mit einem solchen Gegner aufnehmen konnten. Er trieb die Triebwerke seines Frachters zu Höchstleistungen an und war schnell bei der Mokou angelangt. Die Hülle war größtenteils unbeschädigt. John wollte sich gerade auf einen Raumspaziergang vorbereiten, als das Licht im Cockpit des Jägers wieder ansprang. Er hastete zurück zur Kommunikationskonsole und erkannte, dass die Holokugel wieder aktiv war. Mit einem grimmigen Lächeln und einer Platzwunde an der Schläfe blickte ihm Cylia entgegen.
„Diese Bastarde haben meine Energie abgeschaltet!“, rief sie und steuerte ihr Schiff mit einem plötzlichen Ruck knapp an der Transporter vorbei.
„Sag nicht, dass sie abgehauen sind!“, zischte sie aufgebracht und kramte ihren Erste-Hilfe-Kasten hervor. John zuckte nur mit den Schultern.
„Habt ihr die Behörden informiert?“, fragte sie, doch bevor John antworten konnte, traf ein heller Blitz das Cockpit der Mokou. Die Holoblase flackerte kurz und John erkannte, dass die künstliche Schwerkraft ausgefallen war.
„Da sind sie ja wieder!“, sagte Cylia sachlich und drückte den Feuerhebel voll durch. Johns Heckgeschütz aktivierte sich ebenfalls selbstständig.
„Schwerkraft auf Schilde umleiten“, forderte die Argonin ihren Bordcomputer auf. Kurzzeitig verdeckte der Erste-Hilfe-Kasten die Sicht auf das Cockpit, als er direkt vor die Innenkamera schwebte, doch nach einem Augenblick war er wieder verschwunden. Ein weiterer Schuss traf den Jäger frontal und der Kasten traf Cylia am Hinterkopf. John hörte einen leisen Fluch, dann ein bedrohliches Knacken und wieder einen Fluch.
„Atmosphäre evakuieren!“, befahl die Pilotin. Der Helm ihrer Bordkombi entfaltete sich und schütze die Trägerin vor dem Vakuum, das in Kürze im Schiff herrschen würde.
Ein weiteres Knacken ertönte und plötzlich riss die Verschalung direkt über der Metallglasscheibe des Cockpitfensters. Eine geringe Menge an Sauerstoff riss winzige Splitter ins All, gefror zu Flocken und verteilte sich schließlich in der Endlosigkeit.
„Diese miesen…“ Das letzte Wort konnte John nicht verstehen, da ein lautes Krachen seine Aufmerksamkeit erforderte. Mitten aus dem Nichts kamen die blauen Strahlen und Kugeln, die die Mokou so zugerichtet hatten. Cylia feuerte ihre Laser in die Richtung ab und tatsächlich, es war ein Aufblitzen erkennbar, dann verschwamm der Hintergrund vor ihnen, bevor die Chimäre gänzlich auftauchte. Endlich war auch t’Nnk wieder in Reichweite gekommen und beschoss den Angreifer. Die Scarlet Victory war über und über von Flammenspuren bedeckt, die Heckflosse mit zweien der acht Hauptkanonen fehlte. Nur ein glatter Riss verriet, wo früher einmal das Steuersystem für Atmosphärenflüge gesessen hatte.
„Dieses war der erste Streich und der zweite folgt zugleich!“, zitierte der Kämpfer ein argonisches Kinderbuch. Die Chimäre drehte ab und versuchte, dem gezielten Feuer zu entkommen, das die beiden Jäger auf sie gerichtet hatten. Schließlich überluden sich die Triebwerke unter dem Einwirken der Laser und das Sreb-Schiff brach auseinander. Ein Flügel schleuderte davon und grub sich tief in die Seite der Transporter, die bislang von den Kämpfern größtenteils unbeachtet geblieben war.
„Nicht schon wieder!“, rief John, bevor die restlichen Trümmer teils sein Schiff malträtierten, teils in Sekundärexplosionen verschwanden.
Warnlampen fingen an zu blinken, eine Sirene schallte los. Eine explosionsartige Dekompression riss den Sauerstoff aus dem Cockpit, bevor der Computer das Leck isolieren und ein Kraftfeld aufbauen konnte.
„Primäre Energieleitung durchtrennt. Frachtkompression und Abwehrschilde ausgefallen. Schwerkraft wird deaktiviert. Notfallschilde halten“, meldete Al. Sofort starteten Reparaturbots aus dem Heckbereich und begannen, die Leitung zu flicken. John schickte einen Bot auch auf Cylias Schiff, damit sie ihr Cockpit wieder mit Luft füllen und vor allem beheizen konnte. Bordkombis hielten zwar erfolgreich die Atmosphäre im Anzug, gegen die Kälte des Alls konnten sie jedoch nichts tun.
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie.
„Wenn du wüsstest, wie oft ich schon Trümmerstücke in der Bordwand stecken hatte…“, antwortete der Argone nur. „Al, funktionieren die Triebwerke?“
„Das Antriebs- und Steuersystem ist vollständig einsatzbereit. Aufgrund der mangelnden Energieversorgung muss jedoch auf die Reservespeicher im Cockpitbereich zurückgegriffen werden“, lautete die Antwort.
„Los, fliegen wir weiter!“, meinte Klho. „Ehrlose und feige Kreaturen können echte Kämpfer niemals aufhalten!“
Der Split beschleunigte auf eine moderate Geschwindigkeit und wartete, dass ihm jemand folgte. Cylia wartete, bis der Reparaturbot sich an ihrem Schiff verankert hatte und folgte dann t’Nnks Beispiel; auch John aktivierte die Triebwerke.
Als die kleine Gruppe endlich das Süd-Tor nach Heimat des Lichts erreicht hatte, atmeten alle drei sichtlich auf. Eine Reise durch ein Hauptsystem war mittlerweile gefährlicher als durch ein Randsystem. Doch niemand wusste, wann die Sreb auch die umliegenden Sektoren angreifen würden. Bislang schienen sie nur besonders an Argon Prime interessiert zu sein.

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Kapitel 2: Chaos

„BOOTVORGANG ABGESCHLOSSEN“, hörte Jennifer eine Stimme in ihren Gedanken. Sie erwachte aus der tiefen Schwärze, die sie vorher umgeben hatte. Die Dunkelheit wich einem grellem Rot, das sich flackernd mit Orange abwechselte. Feuer!, dachte sie. Wenig später erkannten ihre Sensoren, dass die Atmosphäre abgezogen wurde. Die Flammen bäumten sich auf und erloschen schließlich.
Sie sah sich um. Trümmerstücke hatten gewaltige Barrikaden um sie herum aufgebaut. Es gelang Jennifer, sich aus dem Wrack der PX zu schälen und einen Überblick über die Lage zu bekommen. Der Frachtraum war verwüstet. Container und Hüllenelemente lagen kreuz und quer auf dem Boden, Flammenspuren und Ruß bedeckten fast alles. Aus einer Ecke stieg eine Gaswolke auf, die sich rasch im Vakuum verteilte.
Jennifer versuchte, Zugang zu den Schiffssystemen zu bekommen. Vielleicht konnte sie ein Schott öffnen oder sich wenigstens in das interne Kommunikationssystem einklinken, doch sie wurde von dem Computer ausgesperrt. Seltsam, dachte sie. Es gab keinerlei Möglichkeit, der Besatzung klarzumachen, dass sie noch lebte. Oder intakt war. Was auch immer man in ihrem Fall sagen musste.
Die Atmosphäre wurde wieder eingeleitet, anscheinend war der Schrotthaufen weit genug abgekühlt, um sich nicht erneut zu entzünden. Plötzlich fuhr das Schott auf. Mehrere bis an die Zähne bewaffnete Marines richteten ihre Gewehre auf Jennifer. Es waren argonische Uniformen, keine Terraner. So weit, so gut, dachte sie sich und aktivierte die Holoprojektoren, die in ihren CPU-Kern eingearbeitet waren. Nun stand den Soldaten eine junge, menschliche Frau entgegen, die eine terranische Bordkombi trug. Zwar war die Gestalt transparent und flackerte hin und wieder ein klein wenig – anscheinend waren die Projektoren beschädigt worden – doch viele Wesen aus Fleisch und Blut standen lieber der Terranerin Jennifer Cortez gegenüber als dem zylindrigen Objekt, das sie jetzt war. Und sie fühlte sich in ihrem alten Körper auch ein wenig wohler, wenn sie sich mit anderen Menschen unterhielt.
„Verstehen Sie uns?“, fragte einer der Männer.
„Hai, natürlich. Was soll die Frage?“, antwortete sie, das ‚ja‘ der Handelssprache nutzend.
„Identifizieren Sie sich!“ Der Argone ging nicht auf Jennifers Gegenfrage ein.
„Ich bin First Lieutenant Jennifer Cortez. Sie sollten bereits eine Akte über mich haben!“
„Also sind Sie kein Xenon, der uns alle in die Luft jagen möchte?“ Die Frage war eindeutig rhetorisch gemeint. Jennifer seufzte.
„Glauben Sie, dass Sie dann noch am Leben wären? Der Captain der Sepulsor IV, Mick Bernswarth, kann Ihnen meine Identität bestätigen!“
„Ja sicher. Wir alle kennen die Geschichte der Sepulsor. Meinen Sie wirklich, dass er einen CPU-Kern von einem anderen unterscheiden könnte? Wer sichert und zu, dass das kein Trick ist?“
„Wie gesagt, wäre ich ein Xenon, würden wir dieses Gespräch mit Sicherheit nicht führen!“
„Vielleicht wollen Sie uns infiltrieren? Vielleicht möchten Sie an Geheiminformationen gelangen und diese ihrem Volk schicken?“
„Na das wäre ja mal etwas ganz Neues. Ich glaube nicht, dass Sie mir so etwas beweisen können! Ich bitte Sie, ich bin Jennifer Cortez!“
„Gibt es irgendeine Möglichkeit, ihre Identität zu beweisen?“
„Nein. Ich meine, keine Ahnung. Also… woher soll ich das denn wissen? Sie finden sicher für alles irgendeine Erklärung, die mich diskreditiert! Moment! Sie können Captain Robert Andrews fragen! Er ist hier im Sektor! Auf einer Machete!“
„Terraner stehen mit ihrer Glaubwürdigkeit im Moment auch nicht gerade hoch im Kurs…“, meinte der Marine.
„Verfolgen Sie die Aufzeichnungen ihrer Scanner! Sie können meinen Kurs zurückverfolgen! Ich bin mit den Terraner gekommen!“
„Oh, wir haben die Aufzeichnung sorgfältig studiert. Sie haben auf mehrere argonische und terranische Schiffe gefeuert. Und dass die USC Raider sie beseitigen wollte, spricht auch nicht gerade für sie!“
„Hören Sie, ich habe keine Ahnung, warum die mich abgeschossen haben! Vielleicht dachten Sie, ich wäre eine zu große Gefahr, weil…“
„Weil Sie ein Xenon sind, der sich in das Militär einschleichen will?“
„Was? Nein! Weil ich andere Ansichten habe als die Regierung! Die fordern einen neuen terranischen Staat! Nicht ein einfaches Stimmrecht wie die Aufständischen, die sie heute angegriffen haben, sondern einen richtigen Staat! Die möchten die Erde zurückerobern mit ihren Schiffen und ihren Leuten. Das funktioniert so nicht!“
„Ach, und woher haben Sie diese Informationen? Haben Sie sie etwa gestohlen? Haben Sie etwa Ihre angeblich eigenen Leute belauscht?“
Jennifer stockte. Egal was sie sagen würde, es gäbe immer eine Möglichkeit, das gegen Sie auszulegen.
„Sagen Sie mir doch einfach, was ich tun soll, um meine… meine Unschuld zu beweisen!“
„Da gibt es tatsächlich eine einfache Möglichkeit. Wir können ihre Seriennummer überprüfen. Ist sie die gleiche wie die, die auf der Sepulsor ausgelesen wurde, dann sind sie Jennifer Cortez. Wussten Sie das etwa nicht?“
„Ich? Nein! Sonst hätte ich es Ihnen doch gesagt! Aber wenn Sie diese Möglichkeit haben, was sollte dann dieses Verhör gerade eben?“ Bevor Sie die Frage gänzlich ausgesprochen hatte, kam ihr die Antwort in den Sinn. Die Argonen hatten so mehr Informationen gesammelt, als sie auf irgendeine andere Weise in der Kürze der Zeit bekommen hätten.
„Ich glaube, Sie kennen die Antwort bereits…“, meinte der Soldat, als ob er Gedanken lesen könnte.
„Ihre Kennung wurde schon längst überprüft. Willkommen auf der AP Renown!“
Jennifer hätte dem Typen am liebsten eine elektromagnetische Ladung in den Körper gejagt.
„Wenn Sie mir bitte folgen würden?“, forderte sie der Argone auf.
Er drehte sich um und ging voraus, während seine vier Untergebenen Jennifer in ihre Mitte nahmen.
„Wohin gehen wir?“, fragte sie.
„Ich führe Sie zum Colonel“, kam die Antwort.
Es ging vorbei an einigen Schotts und dann in einen der zahlreichen Aufzüge, die die Decks miteinander verbanden. Abgesehen von einem Reparaturtrupp kam ihnen niemand vorbei, nicht einmal Reinigungs- oder Transportbots. Schließlich erreichten sie die vergleichsweise kleine Sektion auf der Oberseite des Trägers, die neben der Brücke auch die zentrale Kommunikationsanlage barg – das taktische Zentrum des Schiffes und eines Flottenverbandes. Eine drei Etagen große Fensterfront gab den Blick auf das All frei; die drei Decks waren teilweise durch Zwischenböden abgetrennt, bildeten aber auch insgesamt einen Raum. Überall waren Konsolen angebracht; im Notfall ließ sich hier die Steuerung jedes Systems übernehmen, vom Brücken-Reinigungsbot bis hin zum am weitesten entfernten Geschütz. Es gab mehrere Aufzüge – und auch Treppen und Leitern – die die Brücke mit dem zwei Decks hohen Staffelführungsraum verbanden, in dem die Flottenleitung saß, wenn es Einsätze mit mehreren Schiffen gab.
Zentral in diesem Raum, umgeben von holographischen Körpern, die ihn über die Situation sowohl in und am Schiff als auch in der gesamten Föderation informierten, saß der Kommandant der mächtigen AP Renown, Colonel Samuel Nakamura. Kaum hatte der Kampftrupp mit Jennifer die Zentrale erreicht, schaltete Nakamura die Holos transparent und schaute Jennifer direkt in die projizierten Augen. Sein Blick war kühl und doch brannte in dem leuchtenden Braun ein gefährliches Feuer, das sie verbrennen könnte. Der Mann schien sich der Wirkung bewusst zu sein, denn der Augenkontakt brach rasch ab.
„Lieutenant Cortez, ich habe ein korvettengroßes Loch in meinem Frachtraum und eine halbe Ladung an brandneuen Barrikade-Schilden ist im Eimer. Nennen Sie mir einen Grund, Sie nicht gleich von Bord zu werfen!“
„Es ist mir ohnehin ein Rätsel, warum Sie mich hier behalten. Schließlich haben Sie doch schon alles, was Sie von mir bekommen könnten. Nennen Sie mir einen Grund, warum ich nicht gleich von Bord gehen sollte!“
„Ich werde mich nicht für das Vorgehen meiner Mannschaft entschuldigen, zumal sie sich keines Verbrechens schuldig gemacht hat. Aber… würden Sie mir den Gefallen tun und ihre Holoprojektoren abschalten? Ich sehe die Dinge gerne so, wie sie es sind. Und wenn Sie nicht hier sein wollten, dann frage ich mich, warum Sie mein Schiff gerammt haben.“
Jennifer deaktivierte wie gewünscht ihre Projektoren und registrierte einige verstohlene Blicke der Offiziere, die ihren Dienst auf der Brücke taten.
„Ich hatte Ihnen doch schon vor meiner Ankunft erklärt, dass ich meine Steuerkontrolle verloren hatte. Sie hingegen haben mich nicht nur auf Ihr Schiff gebracht – sie hätten schließlich auch die Schilde aktiv lassen können – sondern sogar auf die Brücke beordert. Daher schätze ich mal, dass sie etwas von mir möchten und nicht umgekehrt“
„Nun, eine Terranerin in einem Xenon-CPU-Kern trifft man nicht jeden Tazura. Und da gibt es tatsächlich etwas, wegen dem ich Sie auf die Brücke beordert habe. Es ist nichts, das wir von Ihnen möchten, nein, wir haben schon mehr bekommen, als wir uns erhofft hatten, wir möchten Sie schlichtweg über etwas informieren. Aber das sollten wir vielleicht in meinem Quartier besprechen, meinen Sie nicht?“
Rasch ging Jennifer ihre Daten über Schiffe der Colossus-Klasse durch. Über der Brücke und dem Staffelführungsraum gab es noch eine weitere Etage. Die vorderste Abteilung konnte wahlweise als Quartier, Versammlungsraum oder Hilfsbrücke verwendet werden. In den Plänen war er als Multifunktionsraum bezeichnet, jedoch gab es keine genaueren Informationen. Das Deck verfügte zweifellos um zahlreiche Vorkehrungen wie eigene Drohnenabschussschächte, Schilde oder Lebenserhaltung, allerdings waren die exakten Konstruktionspläne nicht in Jennifers Daten enthalten.
Der Colonel verließ seinen erhöhten Platz und den zentralen Bereich der Brücke und betrat rasch einen der Fahrstühle, die weiter in Richtung Heck positioniert waren. Kaum war Jennifer hinterhergeeilt, schloss sich das Schott hinter ihr und die Kapsel setzte sich in Bewegung.
„Vielleicht haben Sie bei einem Scan schon bemerkt, dass unser Hangardeck nahezu vollständig belegt ist und sich übermäßig viele Zivilisten an Bord befinden. Die argonische Regierung hat in Übereinstimmung mit dem boronischen Königinnenhaus, dem teladianischen Aufsichtsrat und dem Split-Patriarchen eine Art Mission gestartet. Es geht um die Terraformer. Bestimmt haben Sie schon in den Nachrichten davon gehört…“

„Erreiche System… Heimat des Lichts“, meldete Al.
Ein sanftes Rot tauchte das Cockpit in den warmen Farbton, die beige-rötliche Scheibe des Gasriesen Rasnar sorgte für eine behagliche Atmosphäre im Sektor. John erkannte nicht weit entfernt das große Hauptquartier der TerraCorp.
„Jungs… ich würde jetzt gerne andocken und mein Schiff reparieren!“, meinte Cylia.
Klho grunzte bestätigend. Seit dem Gefecht hatte er kaum ein Wort gesagt.
Etwa zwanzig Mizuras später waren die drei durch den großen Ring durchgetaucht, der das Hauptquartier umspannte. Acht mittelgroße Türme waren durch kleine Ausleger mit dem Reif verbunden, sechs Speichen führten zu der inneren Sektion, in der sechs kleine Türme einen größten umringten – die Zentrale. Waren der Ring und die äußeren Türme besonders mit Stationssystemen, Frachträumen, Produktionsanlagen oder Habitaten bebaut, so füllten Büros und Handelsplätze die kleinen Türme in der Mitte. Die Zentrale beherbergte logischerweise den Verwaltungsapparat und die Chefetage der gewaltigen Firma.
Es dauerte nicht lange, bis die kleine Gruppe Landeplätze zugewiesen bekam. Zwar waren viele Buchten durch Piloten belegt, die entweder die gleiche Idee wie Cylia hatten oder für die TerraCorp arbeiteten, doch die schiere Größe der Station sorgte dafür, dass immer etwas frei war und wenn es nur eine Luftschleuse war.
Der Andockvorgang verlief reibungslos und so standen Klho und John schnell in einem Ankunftsraum des Rings, während Cylia noch in der Hangarkontrolle klärte, dass die Schiffe ordnungsgemäß repariert wurden. Etwa fünf Mizuras später waren sie vollzählig.
„Also, was wollt ihr kaufen?“, fragte John.
„Vor allem was ordentliches zu Essen und zu Trinken. Wer weiß, was es auf der Reise für Fraß gibt. Und ein paar Ersatzteile wären auch nicht schlecht. Mal sehen, vielleicht finde ich ja noch etwas Nettes!“, stellte Cylia ihre Einkaufsliste vor.
„Ich werde auf jeden Fall ein neues Simulatorprogramm mitnehmen! Bei dem alten kann ich mittlerweile jede Bewegung der Gegner voraussehen… die neue Version kann man endlich auch vernünftig mit anderen Schiffen verschalten!“, fügte der Split hinzu.
„Gute Idee! Dann können wir zu dritt ein paar Manöver üben“, meinte John und Cylia nickte begeistert. „Außerdem möchte ich ein paar Andocktunnel für den Leerraum kaufen, damit wir uns untereinander besuchen können oder falls jemand Probleme mit seinem Schiff hat. Oder mit seinem Bordcomputer…“
„Ich wette, Niji und Al tauschen gerade peinliche Geschichten über ihre blöden Piloten aus!“, witzelte die Argonin.
„Solange er mich dann nicht den ganzen Tazura mit Einzelheiten von Nijis Programmierung nervt…“, erwiderte John.
„Du hattest etwas über einen ruhmreichen Laden erzählt“, wechselte t’Nnk das Thema. Er schien Bordcomputern nicht viel abgewinnen zu können.
„Ja, sicher!“ Cylia wurde wieder ernst und gab Klho einige Informationen über diverse Geschäfte, die ihn interessieren können. „Aber meide auf jeden Fall die Kampfgeschäfte der Split! Die verkaufen hier nur Müll!“, fügte sie noch hinzu, bevor der Split sich umdrehte und gehen wollte.
„Treffen wir uns in zwei Stazuras wieder hier?“, fragte John. Die beiden gaben ihr Einverständnis und Klho setzte seinen Gang fort.
Die beiden Argonen gingen ein paar Schritte zusammen, teilten sich dann aber auch auf. Es dauerte nicht lange und John traf auf eine Niederlassung der ETNO, wo er sich einige Reparatur-Kits kaufte, falls seine Bots versagen sollten oder die Reparaturmaßnahmen auf mehrere Schiffe ausweiten musste wie beim Flug durch Argon Prime. Es ging weiter zu diversen Geschäften für Software und Hardware der Bordcomputer, dann waren Freizeiteinrichtungen an der Reihe und schließlich fand John das, wonach er gesucht hatte: Vorrichtungen für ein Andockmanöver zweier Schiffe im Leerraum. Er kaufte einige Sets und bummelte dann noch weiter durch den Ring, schaute sich hier und da einige Produkte an und traf schließlich auf einen Lebensmittelgroßhändler, dem er genügend Nahrung für einige Wozuras abkaufte.
Erschrocken registrierte er, dass die zwei Stazuras schon beinahe vergangen waren und eilte zurück zum Treffpunkt. Klho wartete bereits und hielt drei creditkartengroße Module in die Höhe, als er John sah: die Simulatorprogramme. Unwillkürlich musste der Argone grinsen. Der Split konnte es wahrscheinlich kaum erwarten, Johns Frachter zu virtuellem Staub zu zerblasen.
Cylia erreichte den Ankunftsraum wenig später und trug im Gegensatz zu den anderen beiden einige Tüten bei sich. Auf die fragenden Blicke ihrer Begleiter antwortete sie nur „Manche Sachen vertraue ich dem automatischen Ladesystem eben nicht an!“
John zuckte innerlich leicht zusammen. Hätte er die zerbrechlichen Sachen vielleicht auch mitnehmen sollen? Man wusste nie, ob der Stationscomputer die Kisten nicht sonst wohin brachte oder Containerweitwurf gegen das interne Transportsystem spielte. Es gab die kuriosesten Geschichten über das Innenleben der großen Hauptquartiere.
„Ich glaube, wir sollten uns auch langsam wieder auf den Weg machen. Die Renown wollte zwar noch einige Zeit im System bleiben, aber ich habe keine Lust, den halben Sektor durchsuchen zu müssen!“, erklärte die Argonin.
„Ist die TerraCorp denn schon mit der Reparatur fertig?“, fragte John.
„Ich denke, die Dinge, für die man eine Werft braucht, sind erledigt. Den Rest können wir doch während des Fluges reparieren, oder?“, meinte Cylia.
„Also meine Bots sollten das eigentlich schaffen!“
„Na dann! Fliegen wir los?“
„Jup. Welche Route nehmen wir? Argon Prime ist nicht wirklich meine erste Wahl“, antwortete John.
„Wir haben einfach einen zu weiten Kurs um die Stationen herum gesetzt. Wenn wir durch das Zentrum fliegen, müssten wir in einem recht sicheren Bereich sein“, stellte Cylia fest
„Na toll… ein Slalom zwischen den blöden Fabriken!“ t’Nnk war nicht begeistert von der Idee.
„Ich glaube nicht, dass dein Schiff eine weitere Niederlage aushält, Klho!“
„Die Kreatur hält die Klappe!“
„Hey, das war nicht als Vorwurf gemeint sondern eine Tatsache!“
Der Split knickte ein, stimmte dem Vorschlag zu und gab den beiden Argonen die Simulationsprogramme, bevor er den Tunnel zu seinem Schiff betrat. John folgte seinem Beispiel, Cylia hantierte noch an einem Info-Terminal herum.
An Bord der Transporter schob John erst einmal den Computer-Chip in einen dafür vorgesehenen Schlitz. Al verarbeitete die Daten und beendete den Prozess mit einem „Simulator einsatzbereit“, als der Frachter gerade den Dockbereich der Station verlassen hatte. Das Schiff des Geier-II-Typs tauchte unter dem großen Ring her und machte sich auf in Richtung Nord-Tor. Die schnellere Mamba des Split und die Cylias Euros holten John jedoch schnell ein.
Die Reise zurück zur Renown verlief ruhig. Nur ein einziges Mal ließ sich ein Cluster der Kha’ak blicken, der jedoch von den Sicherheitskräften der Stationen schnell ausgeschaltet werden konnte. Trotz des Slalom-Kurses durch den dichten Verkehr dauerte der Rückweg nicht länger als der Flug zum TerraCorp Hauptquartier.
„Landeerlaubnis erteilt. Bitte docken Sie an, sobald Sie grüne Positionslichter sehen!“, sagte das automatisierte Kommunikationssystem des argonischen Trägers.
John richtete die Transporter gemäß der Dockprotokolle aus und bremste dann langsam aber stetig ab. Nur knapp einen Kilometer hinter ihm folgte die Mokou dem Manöver, das Schiff des Split war einen weiteren Kilometer hinter Cylias Jäger.
„Autopilot übernimmt Kontrolle. Landevorgang eingeleitet“, meldete nun Al.
John warf einen Blick aus den seitlichen Cockpitfenstern. Von dem Raumkampf war nicht mehr viel zu sehen. Die halbwegs intakten Schiffe waren bereits weggeflogen oder abgeschleppt, die meisten Trümmerteile eingesammelt worden. Nur vereinzelt drehten noch Schrottsammler ihre Runden, um den einen oder anderen Brocken High-Tech-Müll zu finden und später zu Geld zu machen.
Ein blauer Blitz verriet, dass ein größeres Schiff gerade aus dem Sektor gesprungen war: die beiden terranischen Führungsschiffe hatten anscheinend besseres zu tun, als den Aufräumarbeiten zuzusehen.
Und ein weiterer blauer Blitz lenkte John ab, diesmal jedoch gefolgt von einem violetten Leuchten und einem nervösen Piepen der Konsole im Cockpit des Frachters.
„Achtung! Feindkontakt! Notlandeprozedur eingeleitet!“
Die Transporter beschleunigte leicht. John registrierte, wie sich sämtliche Hangarklappen auf einmal öffneten. Klhos Mamba schien einen anderen Kurs einzuschlagen. Das Schiff war für einen weiteren Raumkampf zu stark beschädigt und hatte daher einen anderen Landeplatz zugewiesen bekommen.
John drehte seinen Kopf wieder in die andere Richtung. Violettes Leuchten. Kha’ak. Kein einzelner Cluster, sondern etwas Größeres. John erkannte tentakelartige Ausläufer an einem kokonartigen Korpus.
„Chikisho!“, rief er. „Al! Ein Zerstörer! Verdammt! Was…?“
„Feinde identifiziert. Zwei Zerstörer, ein Träger, sieben Korvetten, fünfzehn Cluster. Ziele nicht in Feuerreichweite. Warnung! Rakete im Anflug!“
Winzige Punkte lösten sich von dem insektenartigen Schiff, nur erkennbar an ihren dünnen, aber hellen Schweifen. Weitere Linien wurden sichtbar, es waren die Schüsse der Strahlwaffen. Kleine Explosionen zeigten an, dass die Kha’ak erste Opfer forderten, dann änderten die Laser ihr Ziel und feuerten auf das nächste große Objekt in ihrer Reichweite: die Renown.
Nun versperrten Panzerplatten Johns Sicht, wenig später hörte er „Andockvorgang abgeschlossen!“, konnte sich jedoch nicht entspannen.
„Al, was ist mit der Mokou und der Victory?“
„Die Mokou hat einen Raketentreffer abbekommen, ist jedoch sicher gelandet. Die Scarlet Victory beendet ihr Manöver in dreiundzwanzig Sezuras. Die gesammelten Informationen belegen jedoch, dass die AP Renown einem Kampf gegen eine so starke Armee nicht gewachsen ist!“
Wie auf Kommando erbebte das Schiff durch einen weiteren Treffer. Durch die Metallglasscheibe seines Cockpits erkannte John die Wartehalle seines Hangarabschnitts. Vereinzelte Gestalten liefen durcheinander und versuchten, zu ihren Schiffen zu gelangen und zu fliehen, erhielten jedoch keine Starterlaubnis. Die orange-rote Warnleuchte tauchte die Szenerie in eine surreale, chaotische Atmosphäre.

„Feuer der Backbord-, Heck- und unteren Geschütze auf den Zerstörer konzentrieren!“, befahl Captain Nakamura. „Statusbericht!“
Der Offizier an der Sensorik meldete sich zu Wort: „Schilde bei 70%, Tendenz sinkend. Wir sind eingekesselt. Der Zerstörer an Backbord ist bei 90-100, der über uns bei 100-100. Der Träger ist außer Reichweite, die Korvetten ebenfalls. Unser Sprungantrieb wird noch geladen!“
„Dauer bis zum Sprung?“
„Etwa sieben Mizuras. Die Schilde versagen in fünf.“
„Fluchtkurs und Verstärkung?“
„Flucht unmöglich. Keine Verstärkung“, antwortete der Offizier.
„Keine Verstärkung?“, rief Nakamura aufgebracht.
„Negativ. Wir haben Meldungen über vergleichbare Angriffe in Erzgürtel und Antigone Memorial. Außerdem sind die Sreb in Argon Prime eingefallen!“
Nakamura murmelte etwas unverständliches, gab dann jedoch weitere Befehle.
Jennifer erinnerte sich an den Schreckensmoment, in dem sie das violette Leuchten bemerkt hatte. Sofort gingen die Alarmsirenen los und der Captain war zurück in seinen Fahrstuhl zur Brücke gehastet.
Sie kam sich so nutzlos vor. Auf diesem Schiff hatte sie nichts verloren. Kein Jäger, mit dem sie die Argonen verteidigen konnte, keine Aufgabe. Sie konnte sich nur einen ruhigen Platz in irgendeiner Ecke suchen, wo sie niemanden störte. Und zuhören. Und zusehen. Dem wachsenden Chaos, das sie zu sehr an den letzten Tag auf dem Torus erinnerte.
„Schilde bei 60%! Hüllenbrüche auf den unteren Decks. Notschilde halten. Die Justierung des Sprungantriebs versagt! Wir verlieren die Atmosphärenschilde! Vakuum auf dem Hangardeck zwei! Ausfall der Lebenserhaltung! Wir verlieren die Schwerkraft und die Trägheitsdämpfer!“
„Sofortiger Notstopp! Wie konnte das passieren? Schilde und Waffen?“
Das Schiff bebte nun unter jedem Treffer. Eilig schnallten sich die Brückenoffiziere an. Dann fiel auch die Schwerkraft auf der Brücke aus und einige Sachen schwebten langsam durch den Raum.
„Schilde unter 50, Waffenenergie etwa bei 60%. Die Ursache muss von innen kommen!“
„Sabotage? Ziehen Sie Energie von allen Systemen bis auf die Schilde und Waffen ab und leiten Sie sie in den verdammten Sprungantrieb!“
„Oder ein schwerwiegender Systemfehler. Captain, die Justierung ist defekt. Wir können nicht gezielt springen!“
„Kennt irgendjemand hier die genauen Koordinaten eines Endpunkts?“, fragte Nakamura. „Ich habe keine Lust, mitten in einer Sonne oder einem schwarzen Loch aufzutauchen!“
Jennifer meldete sich zu Wort. „Ich kenne sogar zwei. Das wird ihnen aber nicht gefallen…“
„Sie sprechen nicht vom Erdtor, oder?“, fragte Nakamura.
„Wayward Station wäre Nummer eins, aber…“
„Vergessen Sie’s! Wir werden ganz sicher nicht zum Erdtor springen! Was ist die zweite Möglichkeit?“
„Rabinowitz!“
„Bitte was?“
„Unsere künstliche Sonne. Die dient als Fixpunkt. Aber ohne die Justierung können wir keines der beiden Ziele erreichen. Wir brauchen nicht die Koordinaten sondern den Vektor dorthin!“
„Also?“ Nakamura saß mit nachdenklicher und wütender Miene auf seinem erhöhten Sessel.
„Wir können einen Blindsprung etwa in die Richtung wagen. Wenn wir Glück haben, landen wir irgendwo bei Firmenstolz, Brennans Triumph oder am Sol-System. Wenn wir weniger Glück haben, landen wir in einer Sonne“, erklärte Jennifer.
„Und wenn wir Pech haben?“
„Dann landen wir weit ab vom Schuss und haben eine Fünfjahresreise vor uns, für die wir wahrscheinlich nicht genügend Vorräte haben“
„Ist das ihr Ernst? Wir…“ Nakamura wurde von einem weiteren Brückenoffizier unterbrochen.
„Sir, der Sprungantrieb ist einsatzbereit. Die Schilde sind unter dreißig Prozent. Das würde reichen, um recht nah an einer Sonne zu überleben…“
Der Argone rieb sich mit seiner linken Hand die geschlossenen Augen.
„Sir?“
„In Ordnung. Tun Sie’s!“
„Sprungantrieb ausgeführt. Sprung in drei… zwei… eins… Sprung!“
Blaue Wirbel bildeten sich binnen Sekunden und verbanden sich zu einem Feld, das Jennifer von allen Seiten zu umschließen schien. Dann kam der obligatorische Blitz, dann ein unglaublich starker Ruck und dann… Stille.

Die Schwerkraft war ausgefallen und die Trägheitsdämpfer anscheinend ebenfalls.
„Al? Was ist da gerade passiert?“
„Die meisten Schiffssysteme der AP Renown sind ausgefallen. Die Lebenserhaltung ist deaktiviert“
„Cylia und Klho?“
„Miss Satori ist in der Wartehalle. Das Schiff des Split steckt in der Hangarverteilung fest, ist jedoch intakt“
John sprang auf. „Al? Wie ist der Zustand in der Halle?“
„Die Lebenserhaltung ist nicht intakt, jedoch ist noch genügend Sauerstoff und Wärme für einige Stazuras vorhanden. Der Ausfall der Trägheitsdämpfer ist ein größeres Problem. Ich empfehle, in einem Raumanzug die Halle zu betreten, nur für den Fall…“
„Danke, Al. Lass das Schiff in Startbereitschaft. Ich bin gleich zurück!“
Der Argone stapfte in Richtung Landungstunnel und verließ seinen Frachter so schnell er konnte. Kaum hatte er den Tunnel betreten, hob er vom Boden ab und knallte mit seinem Arm gegen die Decke.
„Chikisho!“, rief er. „Keine Schwerkraft! Das ist ja wie bei den Piraten…“
Sein Raumanzug hatte glücklicherweise den Stoß aufgefangen, ansonsten hätte sein Arm gut und gerne gebrochen sein können.
Vorsichtig stieß sich John von dem Tunnel ab und schwebte langsam in die Wartehalle. Dort angekommen aktivierte er die Magnete in seinen Stiefeln und ging wieder über den Boden. Auf der anderen Seite des Raums stand Cylia mit ihrem Vater Bret, sie in ihrem Raumanzug, den Helm eingeklappt, er in einer einfachen Bordkombi. Offensichtlich hatten beide ebenfalls Magnetstiefel an. John winkte ihnen, Cylia hob zum Gruß die Hand. Der ältere Argone schien John noch nicht gesehen zu haben.
Er wollte gerade zu einem Ruf ansetzen, als die orange-rote Warnlampe plötzlich nicht mehr blinkte, sondern statisch leuchtete.
„Achtung! Sprung in fünf, vier, drei, zwei, eins, jetzt!“, sagte eine Stimme.
Ein heftiger Ruck riss John von den Beinen und schleuderte ihn in Richtung von Cylia und Bret, die er jedoch aus dem Blickfeld verlor. Selbst sein Raumanzug konnte den Aufschlag an der Wand nicht gänzlich auffangen. Mit einem starken Schmerz in seinem linken Knie richtete er sich wieder auf und suchte nach seinen Freunden. Anfangs erkannte er durch die Blitze vor seinen Augen noch schemenhafte Gestalten, doch dann sah er Cylia. Die Wunde an ihrer Schläfe war wieder aufgeplatzt, doch sie schien sich nicht darum zu kümmern. John erkannte auch, wieso. Ihr Vater lag vor ihr und hielt ihre Hand. Der alte Mann schien noch zu atmen und bei Bewusstsein zu sein, doch er rührte sich abgesehen vom sanften Auf-und-ab seines Brustkorbs nicht.
„Papa? Alles in Ordnung?“, fragte Cylia.
John konnte die Antwort nicht verstehen.
„Was?“ Sie richtete sich ruckartig auf und blickte hektisch umher.
„Ist hier ein Sanitäter? Wir brauchen hier einen Sanitäter!“
Auch John sah sich um. Überall lagen oder saßen Gestalten, umringt von einigen Freunden, jedoch war nirgendwo ein Sanitäter oder Arzt zu sehen.
„Hallo? Wir brauchen Hilfe!“, rief die junge Frau nun mit einem hilflosen Unterton.
John ging so schnell zu den beiden, wie er mit seinem Knie konnte.
„Was… was hat er denn?“
Cylia sah ihm direkt in die Augen, schaute dann jedoch zu Bret.
„Er sagt, er kann sich nicht bewegen. Und, dass es mit ihm zu Ende geht. Ich meine…“
John überlegte, was er tun konnte, als er jedoch von einem Knacken unterbrochen wurde. Es kam direkt aus einer der freien Landebuchten, genauer gesagt vom dortigen Druckschott.
Cylia schien es nicht zu registrieren. „Er wird doch wieder gesund, oder?“
Noch ein Knacken, diesmal lauter und bedrohlicher.
„Was war das?“, fragte nun auch die Argonin.
„Ich habe keine Ahnung! Scheint vom Druckschott zu kommen!“
Sie schaute dorthin, dann wieder zu dem Mann vor ihren Füßen. „Wir sind hier doch auf einem Militärträger. Da kann doch…“ Sie stockte. „Nein“, flüsterte sie. „Nein!“
Noch ein Knacken, dann ein leises zischen, dann wieder ein Knacken.
„Chikisho!“, rief Cylia und sah angsterfüllt zu ihrem Vater herab.
„Papa! Wir müssen unbedingt hier…“
Das letzte Wort wurde von einem lauten Getöse übertönt, als das Schott endgültig nachgab und zerbrach. Sofort wurde John von einem starken Sog ergriffen. Instinktiv hielt er sich mit der einen Hand an Cylias Arm fest und suchte mit der anderen einen weiteren Griffpunkt; auch Cylia versuchte, sich irgendwo festzuhalten.
John gelang es, irgendetwas Festes zu packen und registrierte dann, dass Bret weg war. Cylia begann zu schreien, doch das Geräusch drang nicht durch ihren Helm, der sich geschlossen hatte. Auch Johns Helm reagierte nun und schloss sich. Wenige Sezuras später hörte der Sog auf. Die gesamte Atmosphäre und alles, was nicht niet- und nagelfest war, waren in die Leere hinausgepustet worden oder hingen in den zahlreichen Streben, die zwischen den Dockplätzen und Hangarschotts waren.

„Wir haben Brände und Hüllenbrüche auf mehreren Decks. Die Hauptenergie, Primärsensorik und Langstreckenkommunikation sind ausgefallen. Waffensysteme und Schilde offline. Triebwerke deaktiviert. Die Gefechtsleitzentrale ist nicht erreichbar! Der Sprungantrieb ist beschädigt“, meldeten mehrere Brückenoffiziere.
„Irgendwelche positiven Nachrichten?“, fragte der Captain.
„Positiv, Sir. Wir scheinen unser Ziel erreicht zu haben. Die Sternbilder entsprechen denen des Sol-Systems. Eine genaue Positionsbestimmung läuft noch“
Der Argone zeigte die Sensordaten in einem Hologramm mitten auf der Brücke. Ein scheinbar bewohnbarer Planetoid mit winzigem Mond lag voraus, eine nicht viel größere Sonne war nur an ihrem Schein um den Himmelskörper ersichtlich, sie war direkt hinter der bläulich-grünen Kugel, die Eris darstellte. Ein paar Lichtjahre entfernt musste sich auch die zentrale Sonne des Systems befinden: Sol.
Mit langsamer Geschwindigkeit driftete die AP Renown auf den viel kleineren Stern Rabinowitz zu, als mehrere Dinge gleichzeitig geschahen.
Zum einen schalteten mehrere Systeme wieder auf grün. Was auch immer den Ausfall bewogen hatte, es war nun vorbei. Unter lauter Geräuschkulisse fielen mehrere Gegenstände dank der künstlichen Schwerkraft zu Boden. Ein leichtes Flimmern verriet, dass die Schilde online waren und auch die Lebenserhaltung pumpte frische Luft durch das Schiff.
Zweitens waren das Gravidar rejustiert und die Sensoren wieder aktiv, sodass der Computer lautstark die Ergebnisse ausspuckte.
Drittens schob sich ein Objekt in den Sichtbereich der Brückenfenster und füllte es bald zu einem guten Drittel aus. Anfangs erschien es so, als wäre nur ein weiterer Mond in den Sichtbereich gekommen, doch schnell wurde klar, dass es sich um einen Feind handelte, genauer genommen um einen Zerstörer der Xenon. Da das Schiff sich jedoch seitlich in den Sichtbereich geschoben hatte und keinerlei Aktivität von ihm ausging, schien es die Ankömmlinge noch nicht registriert zu haben. Was bei einem hellen Sprungblitz und derartigen Energieanstiegen unmöglich war. Stille breitete sich auf der Brücke aus.
„Das kann nicht sein!“, brach schließlich Jennifer das Schweigen. „Wir können unmöglich so tief im Sektor sein. Der Quantengürtel macht jeglichen Sprung in das Sol-System unmöglich. Wir hätten eigentlich in der Oortschen Wolke rauskommen müssen!“
„Könnten die Xenon den nicht außer Kraft gesetzt haben?“, warf ein Offizier ein.
„Man müsste Millionen von Mikrosingularitäten neutralisieren. Selbst mit so einer großen Flotte würde das Jahre dauern! Die einzige Möglichkeit für einen Sprung in das System sind eindeutige Zielpunkte wie die deutlich größere Singularität in einem Sprungtor oder ein schwarzes Loch oder der Kern einer Sonne! Oder eine Sprungboje. Aber das würde ja jeden Abenteurer direkt hierhin…“
Mit einem Mal wurde Jennifer klar, was das hier war. Eine Falle.
„Triebwerke auf Volllast! Fluchtkurs ermitteln! Sind die Jäger startklar?“
„Negativ. In den Hangarschächten stecken noch Schiffe fest. Außerdem müssen sie gesäubert werden, wegen…“ Der Offizier stockte. „… Leichenteilen!“
„Besatzung oder Zivilisten?“
„Größtenteils Zivilisten. Unterdruck in mehreren Ankunftsräumen während des Teil-Blackouts!“
„Was macht der Ausweichkurs?“
„Um uns herum sind zwanzig Zerstörer der Xenon angeordnet, alle ohne Reaktion. Es gibt jedoch eine Lücke in ihrer Formation. Dort werden nur Trümmer angezeigt“, kam die Antwort.
„Das sieht nach einer Falle aus. Haben wir gegen eines der Schiffe eine Chance?“
„Unsere Waffen sind größtenteils offline und der Gefechtsleitstand ist außer Funktion!“
„Was sagen die Langstreckensensoren?“
„Die Route durch die Lücke führt zu einem massereichen Objekt, vermutlich eine Xenonstation. Wir können uns aber nur auf das Gravidar verlassen, die meisten Sensoren sind defekt!“
„In Ordnung. Setzen Sie einen Kurs“, befahl Captain Nakamura.
„Kurs gesetzt. Wir sind in zwölf Minuten in Reichweite. Keine Reaktion der Xenon!“
„Zwölf Mizuras? Wie weit sind wir von dem Objekten entfernt?“
„Etwa zwölftausend Kilometer von der Station und zwischen zwei- und viertausend Kilometern von den Schiffen“, gab der Offizier bekannt.
„Welche Reichweite haben unsere Sensoren?“
„Es sind nur die Kurzstreckensensoren mit fünftausend Kilometern Reichweite online. Ansonsten funktioniert nur das Gravidar!“
„Computer, Aufklärungsmöglichkeiten!“
„Die Drohnenschächte sind noch deaktiviert. Der Hangar sollte in einer Stazura einsatzbereit sein“
Nakamura seufzte. Es war eindeutig eine Falle, doch mit so vielen Xenonschiffen in so geringer Entfernung war ein Entkommen sowieso unmöglich.
„Was machen die Reparaturteams?“, wechselte der Captain das Thema.
„Die meisten Systeme sind wieder voll funktionsfähig. Die Sensoren, die Comm und der Sprungantrieb sind vermutlich nicht unter diesen Umständen reparabel, aber die Analysen laufen noch. Waffen und Schilde benötigen vor allem Energie und einige Geschütze scheinen zerstört zu sein. Und der Hangar wird noch… gesäubert“
„Sagten Sie nicht gerade, dass fast alle Systeme voll funktionsfähig sind?“
„Nun ja, die Lebenserhaltung läuft wieder, wir haben die Hauptenergie zurück, Schwerkraft, Trägheitsdämpfung, Triebwerke, Notfallkraftfelder und sämtliche Brände sind gelöscht!“
„Die Gefechtszentrale?“
„Kein Signal. Von Innen nicht erreichbar. Wir müssen auf Bilder der Drohnen warten“
Der Offizier hatte kaum seinen Bericht beendet, da rief er auch schon: „Sir, der Sprungantrieb ist online!“
„Aktivieren!“
„Welches Ziel? Wir können den Quantengürtel nicht…“
„Völlig egal. Bringen Sie uns hier weg! Irgendein entlegener Ort!“
„Notsprung eingeleitet. Zehn Prozent. Zwanzig. Dreißig. Vierzig. Fünfzig Prozent“
Der Computer gab über die schiffsinterne Kommunikation die Sprungwarnung durch.
„Sechzig. Siebzig. Achtzig. Neunzig. Sprung!“
Nichts passierte. Kein Sprungtunnel. Keine Vibration. Die Xenonschiffe verharrten spöttisch auf ihren Positionen, als ob sie wüssten, dass das argonische Schiff nicht entkommen könnte.
„Statusbericht!“, rief Nakamura.
„Wir… sind nicht gesprungen!“
Der Captain seufzte. „Gibt es dafür auch einen Grund oder funktioniert mal wieder einfach nichts?“
„Der Sprungantrieb meldet keinen Fehler. Der Sprung wurde erfolgreich ausgeführt, aber…“
„Ein JDJ…“, sagte Jennifer gedankenversunken.
„Wie bitte?“, fragte der Argone.
„JDJ. Jumpdrive Jammer. Verhindert Sprünge. Die Xenon haben schon vor längerer Zeit einen entwickelt. Die Terraformer ebenfalls. Und die Terraner sowieso“
„Jumpdrive Jammer? Klingt nach diesem Goner-Gewäsch. Alt-Englisch wenn ich mich nicht irre…“
Der Befehlshaber schien das eigentliche Problem zu ignorieren und dieser Trivialität eine größere Bedeutung zuzumessen.
„Die Sprache, in der auch der Code der Terraformer und Xenon geschrieben ist“
Nakamura nickte geistesabwesend, erwachte dann aber wieder.
„Versuchen Sie es nochmals. Wann sind wir in Sensorenreichweite?“
„Knapp sieben Mizuras. Sprungenergie bei zehn Prozent. Zwanzig. Dreißig. Vierzig. Fünfzig Prozent“
Wieder warnte der Computer die Besatzung vor dem Sprung.
„Lässt sich rausfinden, von wo aus unser Sprungantrieb – wie nennen sie es? – gejammt wird?“
„Achtzig. Neunzig. Sprung nicht erfolgreich! Wir haben einen leichten Energieanstieg bei einem Xenon-Träger gemessen. Normalerweise würde ich empfehlen, ihn auszuschalten, aber die Waffen und Schilde sind immer noch nicht online!“
„Und vermutlich kann jeder Xenon unseren Sprung blockieren. Verdammte Maschinen!“
„Wie schnell sind Ihre Rettungskapseln?“, fragte Jennifer.
„Wollen Sie mir im Ernst…“, fing der Captain an, wurde jedoch sofort von der Terranerin unterbrochen.
„Das Schiff ist nicht kampffähig. Eine Flucht erscheint zumindest mir unmöglich. Wir sind von Xenon umzingelt und nehmen Kurs auf eine Station, auf der Sonstwas sein könnte! Vielleicht können wir die Kapseln in den Explosionstrümmern verstecken“
„Das Schiff aufgeben und die Mannschaft hilflos einer emotionslosen Rasse aussetzen, weil die geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass wir so nicht sterben? Wollen Sie mir das im Ernst als beste Möglichkeit nennen?“
„Es tut mir Leid, Captain. Ich bin sämtliche Möglichkeiten durchgegangen und diese scheint mir am…“
Nun wurde Jennifer unterbrochen, von dem Offizier, der schon die ganze Zeit die Meldungen gab. Vielleicht war er eine Art Erster Offizier, sie kannte ihn jedoch nicht.
„Sir, wir sind nun in Sensorenreichweite. Es ist eine normale Xenonstation wie wir sie auch aus den anderen Sektoren kennen. Wenn wir – Sir, unser Computer meldet einen Software-Angriff! Die Firewall ist bereits durchbrochen! Wir verlieren die Kontrolle! Die Sekundärsysteme sind befallen! Die Primärsysteme!“
Für einen Laien änderten viele Kontrollholos lediglich die Farbe von einem Grün oder Gelb zu einem Rot und ein paar Warnmeldungen erschienen. Nichts deutete an, dass das Schiff nun den Xenon unterstand.
„Deaktivieren Sie das Ding!“
„Wenn wir das tun, können wir ihn nicht mehr anschalten. Die Xenon werden auch sicherlich einen Virus hinterlassen, der das Laden eines Backups…“
Das Schiff änderte seinen Kurs, kaum merklich, aber das genügte dem Captain.
„Sofort abschalten! Schießen Sie auf die Energieleitung wenn nötig!“
„Ja, Sir. Der Computer hat meinen Zugriff gesperrt! Ich kann nicht…“
„Ziehen Sie einfach den verdammten Stecker!“
„Der Computer ist deaktiviert. Die lebenswichtigen Systeme sollten nun eigenständig funktionieren“
„Sollten?“, fragte der Captain resignierend.
„Wir haben den Zentralcomputer abgeschaltet! Es dauert einen Moment, auf das alte Netz umzuschalten, wenn die Xenon es nicht zerstört… haben sie. Wir haben nur manuellen Zugriff auf irgendein System!“
Für einen Laien hatte sich wieder nicht viel geändert. Die roten Holos waren ausgegangen und ließen eine trostlose Leere zurück, teils unterbrochen von einem „Kein Signal“.
„Dann finden Sie es manuell raus! Ich wüsste gerne, ob wir in einer Stazura alle ersticken! Außerdem… die Schwerkraft funktioniert schließlich auch noch!“
Der Offizier legte den Output seiner Konsole auf das Haupt-Holo in der Mitte des Raumes. Zeilen um Zeilen Code standen dort weiß auf schwarz.
„Was ist das denn? Jetzt sagen Sie mir nicht, dass das unsere neue Kommandomethode sein soll! Das versteht doch kein Mensch!“
Auf der Miene des Argonen zeigte sich nun ein Ausdruck der Erkenntnis. Er wendete seinen Kopf und schaute in Richtung Jennifer, die immer noch unter der Decke am hintersten Ende des Raumes hing.
Und auch sie hatte etwas begriffen. Sie wusste nun genau, wie die Renown vielleicht doch flüchten konnte.

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Beitrag von Glumski »

Kapitel 3: Atempause

„John… es ist alles meine Schuld!“, sagte Cylia. Sie saßen zusammen in der Transporter, John auf dem Piloten- und Cylia auf dem Copilotensitz.
„Du hättest ihn nicht retten können! Wenn du ihn festgehalten hättest, wärt ihr beide…“ Er stockte, konnte nicht aussprechen, was er wollte.
„Nein nein, das meine ich nicht. Es ist alles meine Schuld! Wenn ich nicht gewesen wäre, hätten die Notkraftfelder gehalten und Papa würde noch… noch leben!“
Kurz nachdem die komplette Atmosphäre aus dem großen Raum gesogen worden war, aktivierte sich die Lebenserhaltung wieder und das Leck dichtete sich selbstständig ab. John und Cylia waren zu dem alten Frachter gegangen und hatten ihre Wunden so gut versorgt, wie es ihnen möglich war.
„Cylia, hör mir zu. Du hättest nichts, wirklich nichts anders machen können! Nur wer oder was auch immer für diesen Systemausfall verantwortlich war, hat Schuld daran!“
Nun brach die Kampfpilotin doch in Tränen aus. Tropfen rannen geräuschlos ihre Wangen herab, abgesehen von leisen Schluchzern verursache sie kein Geräusch. Cylia versuchte, die Fassung zurückzuerlangen, doch es gelang ihr nicht.
„Was… was ist los?“, fragte John. Er hatte ihr Mut machen wollen. War er wirklich so schlecht im Trösten und hatte das genaue Gegenteil bewirkt?
„Das ist es doch gerade! Ich bin daran schuld! Die Terraner… sie vertraten eine gute Sache. Ich fand es gerechtfertigt, dass die einen Platz im Senat forderten, nur einen einzigen! Aber unsere Regierung hat ihre Wünsche nicht berücksichtigt. Wenn es doch einen militärischen Sieg gegeben hätte, irgendwas, dann…“
Sie weinte wieder still. John legte tröstend einen Arm um ihre Schultern und versuchte zu begreifen, was sie ihm da erzählte.
„Es war doch nur ein kleiner Chip! Er sollte die Waffen abschalten, nicht mehr! Das hatten sie mir so gesagt! Nur die Waffen!“
„Wer sind ‚sie‘ denn, Cylia? Was haben sie dir gesagt?“
„Es war doch nur ein so kleiner Chip. Die Terraner hatten ihn mir gegeben. Direkt von General Skorson, soweit ich weiß. Er sollte nur die Waffen abschalten! Die Waffen, verstehst du? Nicht die Schilde! Nicht die Lebenserhaltung! Und nicht die verdammten Notkraftfelder! Es ist alles meine Schuld! Wegen mir ist dieser Träger in dieser Situation. Wegen mir gibt es so viele Tote und Verletzte! Wegen mir ist Papa…“
Wieder weinte sie geräuschlos.
„Es ist ja nicht das erste Mal, dass wegen mir jemand gestorben ist. Ich bin Kampfpilotin! Ob ich möchte oder nicht, dabei werden auch Mal andere Schiffe zerstört, bevor die Rettungskapseln ausgeworfen werden! Aber das hier… das wollte ich nicht! Niemand sollte sterben! Und jetzt…“
„Wenn du doch gute Absichten hattest, dann ist es nicht deine Schuld. Zumindest nicht hundertprozentig! Die Terraner haben dich hintergangen!“
Sie schlug Johns Arm weg, sprang auf und wurde wütend.
„Die Terraner haben auch ihre Terraformer mit den besten Absichten erschaffen! Damals sind Milliarden umgekommen! Und dann haben sie es wieder mit den besten Absichten versucht und ein ganzer Planet wurde ausgelöscht. Eine ganze Rasse! Willst du mir sagen, dass sie nicht selbst schuld waren? Dass die Opfer der Xenon bis in die heutige Zeit nicht auch deren Opfer sind?“
„Das ist etwas anderes! Sie haben es allein verbockt! Du wurdest hintergangen!“
„Etwas anderes, etwas anderes! Unsinn! Chikisho, ich habe sie umgebracht! Ich habe… meinen eigenen Vater umgebracht! Er hat mir schon als kleines Kind beigebracht, dass ich Verantwortung übernehmen muss und es lag in meiner Verantwortung! Ich hätte den Chip überprüfen können, ich hätte… im Nachhinein erscheint mir das Ganze so unsinnig! Was hätte eine wehrlose AP Renown denn gebracht? Einen Sitz im Senat? Nichts hätte es geändert! Es hätte nur die Spannungen vergrößert und zu einem Krieg geführt! Und den haben wir jetzt auch! Plus ein schrottreifes Schiff mit Verletzten und Leichen im Hangar! Die waren unschuldig! Hatten nichts damit zu tun! Und ich muss dafür Verantwortung übernehmen, denn es ist meine Schuld!“
Die letzten beiden Worte schrie sie geradezu hinaus.
„Cylia… ich habe nicht gesagt, dass du unschuldig bist. Aber…“
„Oh danke, also hältst du mich jetzt auch für die Schuldige. Vielen Dank, John!“
Sie war nun richtig aufgebracht und kochte regelrecht vor Wut.
„Du hast doch selber gesagt, dass du schuld bist und da stimme ich dir zu! Aber du warst es nicht alleine! Du sagtest selber, dass die dich hintergangen haben! Also sind die auch verantwortlich!“
Mit einem Schlag verrauchte Cylias Zorn. Sie setzte sich auf den Boden, die Beine übereinander geschlagen.
„Was… was machen wir jetzt?“
„Vielleicht sollten wir es dem Captain sagen!“
„Der würde mich umbringen! Das war Verrat! Darauf steht die Todesstrafe!“
„Rede keinen Unsinn, Cylia! Die Todesstrafe! Wir sind hier nicht bei den Split!“
„Er hat mit Sicherheit besseres zu tun als einer Verräterin zuzuhören! Was soll das denn an der Situation ändern?“
„Es ändert nichts mehr. Dafür ist es zu spät. Aber es ist ein Anfang. Er kann die Regierung verständigen und die nehmen dann diesen Skorson fest!“
„Den Anführer des USC festnehmen. Denkst du, er wird das zugeben? Ich weiß doch nicht einmal, ob er es wirklich war! Ich habe nur gehört, dass der Chip von ihm stammen soll. Außerdem… abgesehen von diesen Sprung-Fehlalarmen haben wir noch nichts von irgendwem gehört. Dieser eine Sprung… was meinst du, wo wir gelandet sind? Schließlich gab es danach zwei Sprungwarnungen und es ist nichts passiert. Was, wenn wir jeden Moment in einem schwarzen Loch landen oder bei den Sreb oder…“
„Cylia, das ändert im Moment rein gar nichts. Du musst es einfach dem Captain gestehen. Vielleicht brauchen die die Information über diesen Chip! Vielleicht blockiert der immer noch den Sprungantrieb und deshalb gab es diese Fehlalarme! Vielleicht können die ihn sogar für eigene Zwecke benutzen. Vielleicht können die damit nachweisen, dass Skorson der Schuldige ist!“
„Meinst du nicht, dass der Bordcomputer den Chip längst lokalisiert hat? Ich meine… die wichtigsten Schiffe der Föderation haben doch diese neuen Terraformer-Bordcomputer oder nicht?“, fragte Cylia.
„Ich habe gehört, dass es auf der Argon Eins Probleme mit der neuen Serie gab und mein Al hat ja auch schon einigen Unsinn getrieben. Soweit ich weiß hat Nakamura auf seinem Schiff einen argonischen Bordcomputer verlangt. Die sind bei weitem nicht so leistungsfähig. Aber dafür gehorchen sie…“
Die Argonin stand wieder auf und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ein weißes Pflaster an ihrer rechten Schläfe erinnerte an den Ausfall der Inertialkompensatoren.
„Computer, öffne einen Kanal zur Brücke!“, befahl sie. Cylia rechnete nicht damit, direkt zum Captain durchzukommen, aber zumindest irgendeinen Offizier würde sie doch erreichen können.
„Befehl nicht ausführbar. Das interne Kommunikationsnetz ist nicht aktiv“
„Dann frag den Bordcomputer der Renown nach einem Ausweichprotokoll!“
„Das habe ich bereits versucht. Der Bordcomputer ist nicht erreichbar. Vermutlich ebenfalls offline!“
„Was? Al – du heißt doch Al, oder? – gibt es irgendeine Kommunikationsmöglichkeit?“
„Meinen Sie nicht, dass ich Ihnen diese Möglichkeit bereits genannt hätte, Miss Satori?“
Cylia schaute John schief an. Der zuckte nur mit seinen Schultern. Anscheinend konnte Al den neuen Schiffsgast nicht sonderlich leiden. Vielleicht aufgrund der Vergehen, die sie begangen hatte; er hatte das Gespräch natürlich mitgehört.
„Es gibt noch ein internes Ausweichnetz sowie ein Funknetz, deren Zugang mir jedoch nicht mit legalen Mitteln möglich ist. Und ich habe nicht vor, mich zum Komplizen einer Verbrecherin zu machen!“
John rechnete mit einem Wutausbruch Cylias, doch sie nickte nur und murmelte ein „Ich würde mir auch nicht helfen wollen“. Jetzt schaltete sich der Argone ein:
„Al, du kannst doch bestimmt Kontakt zu anderen Terraformer-Computern aufnehmen, oder?“
„Ja, natürlich. Ich registriere einige Terraformer-Bordcomputer auf anderen Schiffen im Hangar sowie eine CPU auf der Brücke. Aber es ist kein Terraformer, zumindest nicht vollständig!“
„Ein Xenon auf der Brücke?“, riefen beide Argonen wie aus einem Munde.
„Nein, die Xenon sind alle außerhalb des Schiffes…“
Nun schauten sich John und Cylia erschrocken an.
„… der CPU-Kern scheint von einer Frau bewohnt zu sein, wenn man das so sagen kann. Davon habe ich schon gehört. Jennifer Cortez, wenn mein Speicher mich nicht trügt“, vervollständigte Al seine Aussage.
„Kannst du mir eine Sprechverbindung zu ihr ermöglichen?“, fragte die Pilotin.
„Ja, das ist mir möglich!“
„Würdest du es auch tun?“
„Ja, ich würde das auch tun!“
„Al!“, unterbrach John die beiden. „Mach es einfach!“ Der Bordcomputer fing an, wirklich zu stören. John hatte nichts gegen ein vollwertiges Crewmitglied, aber der Bordcomputer sollte schon die Befehle ausführen, selbst wenn sie nicht hundertprozentig korrekt formuliert waren.
„Und was war das mit den Xenon?“
„Eins nach dem anderen. Die Verbindung wird aufgebaut. Sie können nun sprechen. Ich habe aber keinen Einfluss darauf, ob Miss Cortez Ihnen zuhören wird!“

„Ich imitiere nun den Xenon“, sagte Jennifer. Sie hatte Zugriff auf alle Bordsysteme erhalten und diente nun mehr oder weniger als Bordcomputer. Zwar war ihr Kern ursprünglich als Korvetten-CPU konzipiert worden, doch die wichtigsten Funktionen eines Trägers würde sie übernehmen können.
„Werden Sie akzeptiert?“, fragte Nakamura. Er hatte keine wirkliche Ahnung, was genau die Terranerin da machte, aber solange es die Überlebenschancen seiner Crew erhöhte, war es ihm nur Recht.
„Scheint mir so. Möglicherweise spielen mir die Xenon das auch nur vor, aber das lässt sich nicht herausfinden. Ihnen ist klar, dass wir die Befehle der Xenon befolgen müssen, um keinen Verdacht zu wecken? Ich kann einige Dinge natürlich verdrehen, aber…“
„Ja, natürlich. Tun sie nur nichts, was uns alle umbringt!“
Sie wollte nicken, bemerkte aber schnell, dass das ohne einen Körper ziemlich unsinnig war.
„Captain, ich erhalte eine Anfrage von einem Terraformer-Bordcomputer aus dem Hangarbereich. Er sagt, es wäre dringend“
„Haben Sie das Comm-Netz aktiviert?“
„Nein, es ist über das Terraformer-Netz“
Auf den fragenden Blick der Argonen erklärte sie: „Die Terraformer wie die Xenon sind eigentlich Netzwerke. Zwar haben wir Terraformer mittlerweile alle ein eigenes Bewusstsein, doch die Kommunikationsstrukturen sind natürlich geblieben. Ich habe Kontakt zu allen Terraformern in einer gewissen Reichweite. Und auch zu den Xenon, wenn ich möchte!“
Irritiert stellte sie fest, dass sie ‚wir Terraformer‘ gesagt hatte. Nun ja, es war schließlich korrekt. Zumindest von der Hardware her.
„Okay. Stellen sie durch. Oder so…“
Ein Geräusch von schwappendem Wasser signalisierte die offene Verbindung.
„Ähm… hallo? Hört mich jemand?“
„Hier die Brücke!“, antwortete der Captain. Er wollte erst einmal abwarten, bevor er seinen Rang angab.
„Hier spricht Cylia Satori, freie Kampfpilotin. Ich bin auf einem Transporter im Hangar und kommuniziere über einen Terraformer-Bordcomputer mit Ihnen. Ich habe Informationen über… über die Sabotage, die das Schiff lahmgelegt hatte!“
„Sprechen Sie, Miss Satori!“
„Sir, ich würde gerne mit Captain Nakamura sprechen. Es handelt sich um sensible Informationen“
„Ist am Apparat!“, gab sich der Argone nun doch zu Erkennen.
„Oh. Ähm. Hört uns jemand zu? Nicht, dass ich Ihnen nicht… also… was ich sagen möchte: Die Informationen sind vertraulich und ich möchte nicht, dass sie so in, äh, falsche Hände geraten.“
Die Frau war offensichtlich sehr nervös. Nakamura gab dem schwebenden Terraformer-Zylinder ein Zeichen und Jennifer stellte den Kanal auf den privaten Kommunikator des Mannes durch.
„Außer mir kann uns nur der CPU-Kern hier auf der Brücke hören. Und natürlich ihr Bordcomputer“
„Danke, Captain. Was die Informationen angeht… es war Sabotage. Ein kleiner Chip der Terraner. Soweit ich weiß direkt von General Skorson!“
„Woher wissen Sie das?“
„Also… ich habe die Sabotage durchgeführt“, bekannte sich die Argonin und fügte rasch hinzu: „Aber das wollte ich nicht! Ich dachte, dass nur die Waffen ausfallen, damit dieser Kampf aufhört! Ich wollte nicht, dass… wissen Sie, mein Vater ist wegen mir gestorben. Wir waren im Hangar, als die Hülle brach und er hatte keinen Anzug…“
„Sie!“, rief der Captain. „Wissen Sie, was Sie angestellt haben? Das Schiff ist ein halber Schrotthaufen! Wir sind von Xenon umzingelt und es sieht nicht wirklich so aus, als ob wir hier noch lebendig rauskommen würden!“
Nakamura bemerkte die verstohlenen Blicke der Brückenmitglieder. Er war wohl ein wenig zu laut geworden.
„Es… es tut mir leid! Das wollte ich nicht!“ Die Stimme dieser Cylia Satori wurde brüchig, dann festigte sie sich jedoch wieder. „Ich übernehme die volle Verantwortung für das, was passiert ist! Wenn Sie mich bestrafen wollen, kann ich das gut verstehen, nein, ich weiß, dass ich eine Strafe verdiene und ich werde mich da nicht rausreden!“
„Nun gut. Ich könnte Sie unter Arrest stellen, bis wir ein Militärgericht erreichen, aber die Brigg ist nicht bewohnbar und sie nützen uns draußen wohl mehr, wenn sie Kampfpilotin sind! Ich würde Sie ja sogar zurück in ihr Kampfschiff lassen, wenn Sie eines haben, denn wir haben momentan mehr Schiffe als Piloten. Sie können sich ja denken, warum. Aber ich muss mir absolut sicher sein, dass Sie uns nicht bei der nächsten Gelegenheit hintergehen!“
„Sir, ich schwöre Ihnen, dass ich niemals etwas tun würde, was der Föderation schadet! Nicht absichtlich zumindest…“
„Sie haben einen argonischen Träger lahmgelegt, die Argon Zwei, wenn man so möchte. Sagen Sie mir nicht, dass das der Föderation förderlich war!“
„Ich wollte doch nur verhindern, dass sich ein Krieg zwischen den verbliebenen Terranern und den Argonen entwickelt! Wenn sie einen Sitz im Senat bekommen würden, hätten wir doch die mächtigen Schiffe und die Bevölkerung auf unserer Seite! Das würde die Föderation stärken! Aber das war wohl nur naives Wunschdenken meinerseits. Ich wünschte, ich hätte nie…“
„Hai, das wünschte ich auch. Dennoch, können Sie mir irgendeinen Beweis geben, dass Sie loyal sind?“
„Wenn ich mich einmischen darf, Captain“, meldete sich Jennifer in der Comm-Leitung zu Wort. „Ich habe das Gespräch unweigerlich mitverfolgt und kann bestätigen, dass Miss Satori die Wahrheit sagt“
„Nun denn… auch wenn ich Vorbehalte habe, für gewöhnlich irrt sich eine Terraformer-CPU nicht und ich vertraue Ihnen genug, Lieutenant Cortez!“
„Lieutenant Cortez?“, hörte Nakamura durch die Leitung. „Ich hatte bereits gehört, dass eine Frau in diesem CPU-Kern sein soll – wie auch immer das geht – aber ich wusste nicht, dass es ein Offizier des argonischen Militärs ist!“
„Habe ich mich nicht vorgestellt?“, fragte Jennifer. „Ich bin First Lieutenant Jennifer Cortez vom ehemaligen USC“
„Eine Terranerin? Captain, ich…“, rief die Frau erschreckt.
„Ich vertraue ihr, Miss Satori, und Sie sollten es auch tun. Lieutenant Cortez ist nur auf diesem Schiff gelandet, weil ihre eigenen Leute sie absichtlich abgeschossen haben. Sie erinnern sich an die Erschütterung vor Ihrem Sabotage-Akt?“
„Verzeihung, Sir. Es…“
„Captain, ich empfange eine Order von der Xenonstation!“, meldete Jennifer.
„Comm-Verbindung beenden! Wie lautet die Ordner?“
Ein Geräusch schwappenden Wassers signalisierte, dass Miss Satori aus der Leitung geworfen worden war.
„Der Sauerstoff soll aus allen Sektionen des Schiffes evakuiert und die Lebenserhaltung deaktiviert werden. Der Hangar soll auf die Ankunft von einigen Xenonjägern vorbereitet werden! Ich habe bereits geantwortet, dass die Lebenserhaltung nicht unter meiner Kontrolle ist und der Hangar wegen Leichen- und Wrackteilen noch nicht nutzbar ist. Wir sollen nun zur Saturn-Werft fliegen, wo das Schiff repariert wird. Von dort aus sollen wir in den Zentralen Xenonsektor 023 springen – die Xenon haben anscheinend Sprungtore gebaut – von wo aus wir nach Profitabler Handel fliegen sollen, um die teladianische Schiffswerft anzugreifen. Ich empfehle, in einen sicheren argonischen Sektor zu springen, sobald wir das Sol-System verlassen haben. Falls unser Sprungantrieb durch den JDJ zerstört sein sollte, sind wir nur zwei Tore von einem sicheren Terraformer-Sektor entfernt“
Captain Nakamura ging den Plan in Gedanken durch und fragte dann: „Wo ist der Haken?“
„Theoretisch ist es der perfekte Fluchtplan. Ich befürchte jedoch, dass auf der Saturn-Werft sämtliche biologischen Spuren auf diesem Schiff beseitigt werden. Sollte dies nicht der Fall sein, so rechne ich damit, dass wir spätestens in 023 wieder die Order bekommen, Xenonjäger aufzunehmen“
„In Ordnung. Fliegen wir erst einmal in den Saturn-Sektor“, kommentierte der Argone.
„Kurs gesetzt. Ankunft in etwa zwei Tazuras. In der Zwischenzeit empfehle ich, so viele Schäden wie möglich zu reparieren. Das verringert die Aufenthaltszeit an der Saturn-Werft und macht eine biologische Säuberungs-Aktion vielleicht obsolet. Außerdem dürfte der Hangar in etwa einer halben Stunde wieder funktionsfähig sein. Wir sollten die angedockten Schiffe ebenfalls reparieren und soweit wie möglich aufrüsten, damit wir im Falle eines Kampfes wenigstens ein paar Xenon mitnehmen können“
„Ich weiß Ihren Optimismus sehr zu schätzen, Lieutenant!“, brummte Nakamura.
„Tut mir leid. Das muss der Terraformer-Teil in mir sein. Die Chancen sehen nicht gerade gut aus…“
„Nun gut. Irgendwelche weiteren Vorschläge?“
„Wie wäre es mit einem Schichtwechsel? Sie und ihre Crew haben zwei Tazuras Zeit, sich von den Strapazen zu erholen!“
„Meine Schicht hat erst vor sechs Stunden begonnen. Im heimeligen Hauptcluster der Föderation“
„Wir könnten den Terraformer-Bordcomputern Zugriff zu den Schiffssystemen gewähren. Zumindest die der Frachter werden die nächsten Tazuras nicht gebraucht und so haben wir wesentlich mehr Rechenleistung“
„Wäre das denn sicher?“
„Es sind Terraformer!“, gab die Frau zurück.
„Das werte ich als ‚ja‘. Noch eine Idee?“
„Diese Gefechtsleitzentrale stellt anscheinend den größten Schaden dar. Da sollten wir schauen, was wir machen können. Ich als CPU-Kern kann mich draußen bewegen, ohne von einem Xenonjäger weggeputzt zu werden. Vielleicht kann ich den Innenweg von außen frei räumen. Sie könnten ein Team schicken, höchstens zwei Leute. Wie wäre es mit Miss Satori?“
Nakamura zog eine Augenbraue hoch. „Interessant! Ach Lieutenant?“
„Hai?“
„Ich habe irgendwie das Gefühl, dass sie das Schiff übernommen haben!“
„Ein Glück, dass ich kein Xenon bin!“
„Behaupten Sie…“
„Wenn ich es mir so durch den Kopf gehen lasse… mein eigener argonischer Träger, das hat was!“
Mit den Worten verließ sie die Brücke und suchte eine Luftschleuse.

„Er will was?“, fragte John aufgebracht.
„Wir sollen zur Gefechtsleitzentrale vordringen. Laut Nakamura sind wir dazu genauso geeignet wie jedes andere Zweierteam auch!“
„Er hat mich erwähnt?“
„Nein, nicht direkt. Er sagte, dass ich es tun und dass ich jemanden mitnehmen soll. Und du bist ja schließlich mein Partner!“
„Partner?“
„Hai, so wie Dr. Proton und Dr. Neutron!“
„Ich hasse diese Serie!“
Cylia zuckte mit den Schultern. „Scally und Molder sind auch ein gutes Beispiel. Oder Emmy und Kouhta. Du weißt schon, was ich meine!“
„Und warum schickt er keinen Reparaturtrupp?“
„Es gibt wohl nichts zu reparieren. Angeblich braucht er einfach zwei Leute, die durch die Lücken schlüpfen können und sich ein wenig mit den Computern auskennen. Piloten eben!“
„Wir sind auf einem Träger! Hat der keine eigenen Piloten?“
„Die meisten waren im Hangar und…“ Ihre Stimme hatte einen traurigen Unterton bekommen.
„Ach Chikisho!“, rief John aus. „Dann machen wir’s eben. Ist ja nicht so, als ob wir schon seit Tazuras wach wären!“
„Also ich habe auf dem Flug von dem HQ hierher geschlafen. Und du soweit ich weiß auch! Das ist höchstens vier Stunden her“
„Jaja, schon verstanden. Also los, gehen wir. Al, beschäftige dich irgendwie sinnvoll!“, kapitulierte John.
„Oh, keine Sorge. Ich bin gerade für die Taktik eines argonischen Trägers zuständig. Schade, dass die Waffensysteme nicht funktionieren…“, antwortete der Bordcomputer.
Der Argone warf Cylia nur einen schiefen Blick zu und verließ dann die Transporter, gefolgt von seiner Partnerin.
„Ach übrigens, was macht eigentlich die Mokou?“
„Wird repariert. Da fällt mir ein… hast du etwas dagegen, wenn ich heute Nacht bei dir schlafe? Ich könnte auch auf die Sunblossom gehen, aber das, naja, du weißt schon“, meinte die Argonin betrübt.
„Klar, kein Problem. Ich muss nur schauen, ob ich noch ein Bett frei habe!“
„Ist so eine alte Geier nicht für zwei Leute ausgelegt?“
„Meine letzte Partnerin war eine Boronin. Du kannst gerne eine Sauerstoffmaske mitbringen und unter Wasser schlafen, aber…“
Sie lachte. Zu lange für den halbherzigen Witz. Viel zu lange.
„Was ist so lustig?“
„Deine Partnerin war boronisch?“
„Hai, was ist daran..?“ Er wurde rot. „Die andere Sorte Partnerin! Wie Dr. Proton und Dr. Neutron!“
Cylia lachte weiterhin. „Sicher, John, sicher!“
„Hey! Du wirst heute mit Sicherheit unter Wasser schlafen!“
Bevor sie etwas entgegnen konnte, aktivierte sich die Comm in den Raumanzügen der beiden.
„Hier spricht Lieutenant Cortez. Können Sie mich hören?“
Beide stießen ein kurzes ‚Hai‘ aus und warteten dann auf eine Antwort.
„In Ordnung. Steigen Sie in die nächste Aufzugkapsel; ich sorge dafür, dass sie Sie zu den oberen Decks im hinteren Bereich des Schiffes bringt, direkt vor die Gefechtsleitzentrale. Dort werde ich die Atmosphäre evakuieren, danach öffne ich das Schott zur Zentrale. Von außen gesehen prangt dort ein großer Riss in Hülle, aber ich bin mir nicht sicher, wie tief er ist. Vielleicht kommen Sie da problemlos durch, vielleicht ist in einer Decke oder Wand ein kleines Loch, vielleicht stehen Sie aber auch vor eine Schlucht, die sie überwinden müssen. Hinter diesem Raum folgt ein weiterer Flur, der sich ebenfalls in zweifelhaftem Zustand befindet. Sie müssen nur herausfinden, was in diesen beiden Räumen los ist, dann können sie weiter bis in die Zentrale vorrücken. Sollten die Leitungen in den beiden vorherigen Räumen in Ordnung sein, so muss das Problem in der Zentrale liegen. Viel Glück!“
Mittlerweile waren die beiden bereits in die angesprochene Fahrstuhlkugel gestiegen und setzten ihren Weg wenige Sezuras später fort. Das erste Schott öffnete sich und dahinter erstreckte sich ein völlig normaler Flur. Kein klaffender Riss in der Decke, nicht das kleinste Löchlein. Also ging es weiter. Im nächsten Raum sah es ein wenig anders aus. Ein großer PDD-Träger war aus der Decke gebrochen und versperrte den Weg. Ein Reparaturteam wäre mit seinen gepanzerten Raumanzügen und dem Werkzeug nicht hindurchgekommen, doch John und Cylia hatten da keine Probleme. Die Leitung hinter der fehlenden Deckenverkleidung sah jedoch nicht beschädigt aus und so gingen die zwei weiter, um das nächste Schott zu öffnen.
Weder John noch Cylia hatten erwartet, was sie sahen. Die Beleuchtung war aktiviert, die Atmosphäre wurde hinter einem kleinen Kraftfeld zurückgehalten, das verschwand, sobald sich das Schott in den luftleeren Raum schloss, aus dem die beiden Argonen traten. Auf den Sitzen vor den ganzen Konsolen saßen Menschen in terranischen Uniformen, möglicherweise ein Enterkommando oder ähnliches, doch sie waren alle in sich zusammengesunken.
„Lieutenant?“, fragte Cylia. „Hier sind Terraner. Sie atmen, sind aber nicht bei Bewusstsein. Mein Anzug registriert keine anormalen Werte der Atmosphäre und es sieht auch nicht so aus, als ob hier ein Kampf stattgefunden hätte“
„Tragen Sie Raumanzüge?“, fragte die Terranerin. Oder Terraformerin. Oder was auch immer sie war.
„Negativ“, antwortete John.
„Bewegen Sie sich nicht!“, rief Cortez. „Wenn Sie keine Raumanzüge tragen, sind sie schon länger hier und haben sich sicher gefühlt. Vermutlich ist irgendwo ein interner Verteidigungslaser oder ähnliches. Es ist nicht auszuschließen, dass auf sie geschossen wird!“
John erstarrte, Cylia suchte mit ihren Augen Decke und Wände ab.
„Ich kann nichts erkennen“, gab sie durch. „Ich gehe weiter!“
John entschied, dass ihm keine Gefahr drohte, solange Cylia noch munter umher gehen konnte und folgte ihr.
„Die Gefechtsleitzentrale ist auf Eindringlingsalarm gestellt und isoliert. Soll ich die Einstellungen ändern?“, fragte John.
„Ja, tun sie das. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie den Autorisationscode benötigen“
Er setzte sich auf den Platz des Geschwaderkommandanten und hangelte sich durch verschiedene Menüs.
„In Ordnung, geben Sie mir nun den Code durch, Lieutenant!“
Sie nannte ihm eine Kombination aus Zahlen, Buchstaben und Sonderzeichen durch und John war penibel darauf bedacht, alles richtig einzugeben.
„In Ordnung. Sie sollten nun Zugriff von der Brücke haben!“, sagte der Argone nach einer Weile.
„Ich befinde mich nicht auf der Brücke. Bestätige Zugriff vom Schiffsnetz.“
John bemerkte, dass die Langstreckenkommunikation der Gefechtsleitzentrale unbeschädigt, aber nur von hier aus erreichbar war. Bedeutete das, dass die Renown die letzten Stazuras von der Außenwelt abgeschnitten war, weil die Terraner es so wollten? Das fand sogar er besorgniserregend, und er hatte keine Ahnung von Kriegsführung oder Taktik.
Das Schott in Richtung einer Luftschleuse öffnete sich und ein nicht sonderlich großer Zylinder schwebte in den Raum, vermutlich war das Lieutenant Cortez.
„Ich leite ein leichtes Betäubungsgas in die Raumatmosphäre ein, um die Terraner in der Bewusstlosigkeit zu halten. Ihr Auftrag ist beendet. Sie können nun zu Ihren Schiffen zurückkehren“, tönte es aus dem Kern.
John war verwirrt. Warum hatten Cylia und er diesen ‚Auftrag‘ durchführen müssen? Es konnte doch nicht so schwierig gewesen sein, in den Raum einzutreten, schließlich waren die fehlende Luft und der PDD-Träger die einzigen Hindernisse gewesen. Sicher, die Mannschaft hatte viel zu tun, aber die Langstreckenkommunikation sollte schon Grund allein sein, Kontakt zur Gefechtsleitzentrale herzustellen.
Anscheinend war dieser CPU-Zylinder zu einem ähnlichen Schluss gekommen. „Abgesehen von dem gebrochenen Träger hatten sie keine Probleme?“, fragte Cortez.
„Nein“, antwortete Cylia. Auch sie schien verwirrt. „Nicht einmal die Schwerkraft war deaktiviert. Hatten Sie Schwierigkeiten, das Schott zur Zentrale zu öffnen?“
„Nein. Es war nur verriegelt, da ein Vakuum im anschließenden Raum herrschte“
„Seltsam. Ich frage mich, warum die Zentrale erst so spät kontrolliert wurde?“ Das war wieder Cylia.
„Keine Ahnung. Vielleicht gibt es in der Besatzung einen terranischen Agenten, der abwarten musste, bis seine Kollegen hier etwas beendet hatten? Er hätte auch den mehr oder weniger harmlosen Computerchip gegen einen gefährlicheren eingetauscht haben. Es fällt nicht so sehr auf, wenn ein Mannschaftsmitglied einen Chip ersetzt, wie wenn er einen platzieren würde. Obwohl sogar das nicht auffallen sollte, wenn sogar eine Zivilistin einfach so einen Chip platzieren kann!“, meinte Cortez.
„Und wenn es aufgefallen ist, aber der Offizier es ignoriert hat?“, warf John ein.
„Ich gehe gerade die Mannschaftsliste durch. Derselbe Offizier, der für die Sicherheit im Hangarbereich zuständig war, führte auch die Überprüfung der Gefechtsleitzentrale durch. Ich informiere den Captain!“

„Hier spricht der Captain, was gibt es?“, erreichte Jennifer Nakamura auf der Brücke.
„Einer Ihrer Leute, Lieutenant Chad Roum, könnte ein terranischer Agent sein. Er hatte Sicherheitsdienst im Hangar, als die Sabotage durchgeführt wurde und überprüfte danach die Gefechtsleitzentrale, die er fälschlicherweise als unzugänglich einstufte“
„Lieutenant Roum? Das kann ich mir nicht vorstellen. Was soll er genau gemacht haben?“
„Es ist möglich, dass er den mehr oder weniger harmlosen Chip von Miss Satori gegen einen weitaus gefährlicheren ausgetauscht hatte, sodass ein terranisches Enterkommando unbemerkt an Bord kommen konnte. Danach hat er die Gefechtsleitzentrale als unerreichbar eingestuft, obwohl sie binnen Mizuras freigeräumt worden wäre, möglicherweise, um das Enterkommando zu schützen!“
„Die Gefechtsleitzentrale wurde von einem Enterkommando übernommen?“
„Haben Sie die Aufzeichnungen noch nicht erhalten?“
„Es kann nicht jeder wie Sie einen Bericht in einer halben Mizura durchlesen, Lieutenant“
„Verzeihen Sie, Sir. Wir haben hier etwa zehn bewusstlose Terraner in Uniformen der USC gefunden, die es sich anscheinend gemütlich gemacht hatten“, klärte Cortez den Mann auf.
„Und Chad soll das Ganze gedeckt haben?“
„Hai, es sieht zumindest so aus“
„In Ordnung. Dann… nehmen Sie ihn fest!“
„Dazu bin ich nicht befugt, Sir! Außerdem ist Lieutenant Roum nicht in seinem Quartier“
„Meine Güte, Sie sind der Bordcomputer! Finden Sie ihn und nehmen Sie ihn dann fest! Befugnis erteilt“
Jennifer ging nochmals die Meldungen einiger Subsysteme durch und befragte auch die anderen Terraformer-Bordcomputer, die an der Steuerung des Schiffes beteiligt waren.
„Ich befürchte, er befindet sich nicht in meiner Reichweite. Einige Innensensoren sind defekt und wenn er noch so einen Chip platziert hatte, kann es sein, dass er seine Position tarnen kann. Ich kann versuchen, die Bereiche einzugrenzen, aber wir sollten uns erst einmal auf die Reparaturen konzentrieren. Mit der geballten Rechenleistung, die wir momentan zur Verfügung haben, dürfte der Lieutenant nicht in der Lage sein, in das System einzubrechen“
„Tun Sie, was Sie können. Viel Glück, Lieutenant. Nakamura Ende“
Die Verbindung brach ab. Jennifer richtete sich an die beiden Argonen, die noch immer mitten im Raum standen, und schickte sie zurück in ihre Schiffe. Sie konnte es nicht ausstehen, auf diesem Träger eingekerkert zu sein. Das war einfach nichts für sie. Ihre CPU war für eine Korvette konzipiert oder notfalls auch für einen Jäger, aber doch nicht so ein großes, träges Ding, das nicht einmal ästhetisch war. Außerdem erinnerte sie diese Situation an ihre Arbeit auf dem Torus Aeternal. Keine Erinnerungen, die sie im Wachzustand nochmals erleben wollte, wo sie doch schon ihre Träume heimsuchten.
Mit dem Gedanken ließ sie ihre Subsysteme zurück zur Brücke fliegen und weiter nach Chad Roum suchen, während sie ihr Bewusstsein herunterfuhr und sich innerlich schlafen legte.

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Kapitel 4: Außenwelt

Mehr und mehr füllte der Himmelskörper die Sicht aus, bis die graue, staubige Oberfläche die Schwärze des Alls verdrängt hatte. Er war nah. Sehr nah. Die mächtigen Laser des Torus konnten gegen die mächtigen Kraftfelder nichts ausrichten und so kam er noch näher.
Es schien Jennifer so, als ob sie nur die Hand ausstrecken müsste, um die Mondoberfläche zu berühren, um eine der gebrochenen Antennen zu greifen, doch die schiere Größe des Objekts ließ ihrem Gehirn keine Chance, die Entfernung korrekt zu bestimmen. Waren es Drohnen oder Zerstörer, die sich vor der vernarbten Oberfläche tummelten? Sie konnte es nicht sagen.
Sie wusste genau, was passieren würde. Der Mond kam herabgestiegen von seiner Umlaufbahn, würde die Kuppel des Torus Aeternal zerschmettern und der Erde einen so heftigen Impuls geben, dass sie die Kollision nicht überleben würde, genauso wenig wie die Abermilliarden Bewohner, die bereits umgekommen waren und umkamen.
Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, dann würde die junge Frau gleichzeitig ersticken und von Scherben zerteilt, von Gestein zerdrückt und von Lasern verbrannt.
Jennifer schloss die Augen und ignorierte das Geschrei und die Warntöne, absolute Stille. Doch nichts geschah. Langsam öffnete sie wieder ihre Augen.
Und da war wieder die gewaltige Kugel aus PDD mit ihren Fertigungsstraßen, Lagerräumen und der unbewussten Intelligenz, die die willenlosen Maschinen im Umkreis vieler Tausend Kilometer steuerte. Gleich würden sie mit der Xenonstation kollidieren, schon konnte sie fast die Hand ausstrecken und eine der gebrochenen Antennen greifen…
Ich habe keine Hände mehr!
Ach richtig, sie war ja nun auch eine von ihnen.
Schon füllte die Station das gesamte Brückenfenster der Renown aus. Die Frontlaser konnten gegen die mächtigen Schilde der Basis nichts ausrichten und so war ein Kamikaze-Angriff die einzige Möglichkeit, den Feind zu besiegen. Schon konnte sie sich fast in das interne Kommunikationsnetz einklinken und…
Warum sollten wir diese blöde Station zerstören?
Die schwarze Fläche der AP Renown näherte sich immer schneller. Ihre schöne Korvette war nicht mehr als ein Haufen brennender Schlacke und würde sich nie wieder aus einiger Kraft in den Weltraum erheben können. Nie wieder Flüge im gleißenden Sonnenlicht, keine schnellen Manöver durch den dichten Verkehr im Sektorzentrum, nie wieder.
Und da war diese Stimme, die sowohl aus dem Mund von Lieutenant Roum als auch aus dem gewaltigen Geist des Xenonkollektivs sprach:
„Du wirst nie wieder fliegen, Jennifer! Nie wieder am Steuer eines Schiffes sitzen, das dir gehorcht. Du bist dazu verdammt, deine restliche Zeit auf diesem riesigen Stück Blech zu verbringen, verbunden mit weiteren unglücklichen Seelen, die nun nicht mehr in ihren Jägern und Frachtern sondern in diesem enormen Hochhaus von Träger ihr Dasein fristen müssen!“
Es war keine sonderlich schlimme Drohung, nicht mit physischem Schmerz oder Tod verbunden, aber sie tat ihren Dienst. Ein letztes Aufbäumen und es gelang ihr, sich dem Schiff zu entreißen, doch als sie endlich wach wurde registrierte die Terranerin, dass sie doch nur wieder in ihrer Ecke auf der Brücke der blöden M1/Colossus war.
Ich muss endlich raus aus diesem riesigen Schrotthaufen!, dachte sie und bemerkte dann schiefe Blicke der Besatzung. Hatte sie das etwa laut gesagt?
„Alles in Ordnung, Lieutenant?“, fragte Nakamura.
„Ja… ja, sicher. Ich habe nur geträumt. Vom Torus, nicht… ähm“, stammelte sie.
„Geträumt? Ich wusste gar nicht, dass…“ Der Argone wurde jäh unterbrochen.
„Hai, hai. Tun Terraformer auch nicht. Ich bin wohl etwas Besonderes. Leider“, antwortete sie schnell und versuchte, die Brücke zu verlassen. Was nicht gelang. Als Mensch wäre sie wohl über ihre eigenen Füße gestolpert, so fiel sie wie ein Stein zu Boden.
„Ist wirklich alles in Ordnung bei Ihnen?“ Der Captain schien ernsthaft besorgt.
„Ich bin nur normalerweise auf einem kleineren Schiff und nicht auf so einem…“
„..riesigen Schrotthaufen?“, schlug Nakamura vor.
„Nichts gegen ihr Schiff, aber, ähm, ja. Es ist einfach anders als eine Xenon-Korvette“
Führten sie dieses Gespräch wirklich gerade vor der ganzen Brückencrew?
„Verstehe. Ich sehne mich auch manchmal auf meine alte Elite zurück. Eine der letzten, die noch neben der Nova in Dienst waren. Heutzutage denkt bei ‚Elite‘ jeder an den modernen Abfangjäger und nicht an… wie auch immer“ Er schüttelte die Gedanken ab und kehrte zu einem wichtigeren Thema zurück. „Geben Sie mir einen Statusbericht!“
„Noch einen Tazura und zwei Stazuras bis zur Saturn-Werft. Die Reparaturen sind dem Zeitplan um ein paar Mizuras voraus. Und wir konnten die Position von Roum auf den Hangarbereich eingrenzen“
„Danke, Lieutenant. Haben Sie wirklich die ganze Zeit, äh, geschlafen?“
Jennifer kontrollierte ihre innere Uhr. Nicht zu fassen. Beinahe ein ganzer Tazura! Das waren… nein, sie rechnete jetzt nicht die Zeit in Tage um. Sie musste sich an das teladianische System gewöhnen.
„Scheint ganz so… meine Subsysteme hatten wohl keinen Anlass gesehen, mich zu wecken und ich hatte keinen Timer eingestellt“, erklärte sie.
„Das heißt, sie hätten auch das ganze Jazura verschlafen können?“, wunderte sich der Mann.
„Hai, wenn mich nicht diese Alpträume stören würden schon. Gab es irgendwelche Zwischenfälle, während ich geschlafen habe?“, wechselte Jennifer das Thema.
„Sie sind der Bordcomputer, sagen Sie’s mir!“
Erneut ging die Terranerin ihre Daten durch und war mit einem Mal plötzlich hellwach.
„Sir, die Xenon um uns herum ändern ihren Kurs! Laut der Xenonstation ist eine kleine Flotte aus paranidischen Schiffen in die Falle gegangen und soll nun vernichtet werden!“
„Warum versuchen sie nicht denselben Trick wie bei uns?“
„Keine Ahnung, Sir. Die Paraniden sind jedoch eindeutig in der Unterzahl und bereits in Reichweite des JDJ!“
„Können wir helfen oder wenigstens einen Vorteil daraus ziehen?“, fragte der Captain.
„Wir haben immer noch keine Waffen und die Schilde laufen auf einem Minimum. Aber mit Sicherheit werden einige Xenon beschädigt werden, das heißt, dass die Werft neue Aufträge erhält. Mit etwas Glück hat eine biologische Reinigung unseres Schiffes keine Priorität mehr und wir können direkt weiter zu deren Sprungtor fliegen!“

Der folgende Paragraph wird voraussichtlich aus der endgüligen Fassung entfernt.
Violette Strahlen leckten über die Hülle des teladianischen Abfangjägers und hinterließen schwarze Streifen auf der ohnehin schon demolierten Außenhaut der M4+/Milan.
„Tshhhh!“, machte der Pilot, Numanos Hodiris Yugandas III. „Computer, Optionen!“
„Mit einer Wahrscheinlichkeit von siebzehn Komma sechs Prozent wird die erbeutete Technologie uns aus dieser Situation bringen. Andere Optionen wurden wegen einer zu geringen Erfolgschance außer Acht gelassen“, erklärte das Gehirn des Schiffes.
„Hai, hai! Ausssführen!“ Der Teladi fiel beinahe in die artentypische Schockstarre.
Die Energie aus den ohnehin nutzlosen Schildgeneratoren, Waffensystemen und Triebwerken wurde in ein unscheinbares Tetraeder geleitet, das nebst anderen Wrackteilen den Frachtraum des Jägers belegte.
„Sprung wird ausgeführt. Profitbrunnen als Zielort verloren. Die Justierung fällt aus. Das Objekt greift auf ein weiteres Wrackmodul zu“
„Blockieren! Losss!“
Zwischen den farbigen Linien des Sprungantriebs, die um Yugandas Schiff zuckten, bildeten sich plötzlich feine Sechsecke.
„Kaedes, Bericht!“, befahl die Kaufechse mit angstbleicher Stirnschuppe.
„Die fremde Sprungtechnologie aktiviert sich. Justierung aus der fremden Datenbank entnommen. Ziel unbekannt!“
Die Sechsecke verdichteten sich, bis Yugandas nichts mehr erkennen konnte, nur das leicht violette Licht, das von der seltsamen Erscheinung ausging.
Etwa fünf Jazuras war er unterwegs gewesen. Mit einem Frachtraum voller Nahrungsmittel hatte er sich aufgemacht, die unkartographierten Bereiche des Raumes zu erkunden. Hatte die seltsame Technologie der Terraner ihm in den ersten Wozuras noch blinde Sprünge erlaubt, musste er später plötzlich auf die seltsamen Sprungtore zurückgreifen, die er gefunden hatte. Und ganz plötzlich, nach so vielen Jazuras, waren sie wieder aufgetaucht. Die Kha’ak. Hatte Yugandas nicht selbst mitverfolgt, wie alle widerlichen Schwarmwesen in Explosionen untergegangen waren? Er hatte noch Aufnahmen einer argonischen Nachrichtensendung in seinem Computer gespeichert, „Sonra Four – 30. Juli 766“, wie die seltsamen Humanoiden die monatliche Ausgabe des Magazins nannten. Der Teladi überlegte. Welcher Monat mochte es nun nach argonischer Zeitrechnung sein? Das Jahr 772. Und der zehnte Monat. Wie hieß er gleich? Oktember? Es war irgendwas mit „Okt“ am Anfang gewesen.
„Kaedes, welchen Monat haben wir?“, fragte er, immer noch geblendet von dem Licht des Kha’ak-Sprungantriebes. Doch diese Frage beschäftigte ihn. Schließlich würde ihn die seltsame Technologie direkt nach Profitbrunnen bringen!
„Oktober, 772 New Time oder 2942 terranischer Standardzeit“, antwortete die Maschine. Beinahe hatte Yugandas erwartet, dass der Bordcomputer sich über solch eine triviale Frage empören würde, doch es war ja nur eine teladianische CPU, die mittlerweile auch ziemlich veraltet sein dürfte. Damals, ja da war das Schiff brandneu gewesen. Auch der Computer. Doch jetzt, fünf Jazuras später – in argonischen Jahren waren es sogar sechs – dürfte die Technologie als mehrfach überholt gelten.
„Empfange Sensoreninput. Gravidar wird rekalibriert!“
Und tatsächlich, langsam lichtete sich das Leuchten der Sechsecke.
„Beim CEO, wir sssind zu Hausse!“, flüsterte der Teladi erleichtert.
„Empfange Audiosignal. Standortbestimmung fehlgeschlagen. Wiederhole Standortbestimmung“
„Anzeigen!“
Kaedes interpretierte den Befehl richtig und aktivierte die Lautsprecher, nicht die kartographische Anzeige:
„Unbekanntes teladianisches Schiff, Sie sind mit unerlaubter Technologie in Hoheitsgebiet der Terraformer eingedrungen. Identifizieren Sie sich oder wir sehen uns gezwungen, Ihr Schiff zur nächsten Basis abzuschleppen!“
„Wasshhhh?“, zischelte Yugandas empört.
„Hier spricht Numanos Hodiris Yugandas III von der Profitable Erkundung. Mein Schiff ist beschädigt und ich bin seit fünf Jazuras durch den Raum gereist! Gemäß Paragraph 18-B der teladianischen Gesetze zur…“
„Sie sind in Hoheitsgebiet der Terraformer eingedrungen und befinden sich nicht im Einflussbereich der teladianischen Firma. Ihre Gesetze…“
„Hören Sssie! Ich habe wichtige Informationen über die Kha’ak!“ Nein! Mehr durfte er nicht sagen, wenn er größtmöglichen Profit erwirtschaften wollte!
„Lasssen Sssie mich wenigstenss nicht mit einem Computer sprechen!“
„Sie befinden sich im Sektor Terraformer Entwicklung. Abgesehen von Ihnen befindet sich derzeit kein biologisches Wesen in Reichweite einer reibungslosen Kommunikation!“
Terraformer Entwicklung? Klang argonisch. Oder terranisch. Bestimmt eine neue terranische Kolonie! Das würde auch erklären, warum kein biologisches Wesen hier war. Nannten diese Terraner ihre Computer nicht Terraformer? Er wusste doch, dass seine Computertechnologie veraltet war, aber so sehr? Unglaublich, dieser Fortschritt!
„Issst diess eine terranische Kolonie? Ich habe wichtige Informationen über die Kha’ak! Sie sind wieder da! Ich möchte jemanden sprechen, der…“
„Einen Moment, wir leiten Sie weiter!“, sagte die Automatik, die Kaedes als Terraformer Flugsicherung identifiziert hatte. Keine Sezura später hörte Yugandas eine deutlich wärmere Stimme.
„Hier spricht #cade, was kann ich für Sie tun?“ Erst hatte der Teladi gedacht, die Person würde Keht oder Cate heißen, doch die Einblendung des Hexadezimalcodes korrigierte ihn sofort.
„Laut den Daten der teladianischen Firma sind Sie seit fünf Jazuras außerhalb der Gemeinschaft der Planeten tätig und demnach nicht über die bisherigen Ereignisse informiert?“
„Tshh? Nein! Wass issst denn passsiert?“ Bestimmt kostete ihn die Fragerei ein halbes Vermögen…
„Nun, fangen wir mit etwas schonendem an. Wie Sie anscheinend schon bemerkt haben sind die Kha’ak zurück!“
Das war’s dann mit seinem Profit. Die Informationen waren anscheinend schon längst bekannt. Toll.
„Und die Vereinigung, die Sie als die ETNO kennen, hat sich über viele Sektoren ausgedehnt und ist nun eine der mächtigsten Organisationen im bekannten Weltraum.“
„Dasss ssind gute Neuigkeiten!“, erwiderte Yugandas. Der ETNO konnte man immer etwas verkaufen… zu guten Preisen. Und Kha’ak bedeuteten Krieg. Und Krieg bedeutete gute Waffengeschäfte. „Aber wer ssind Ssie?“
„Wir sind die Terraformer. Eine friedliche, intelligente Maschinenrasse“, antwortete die Stimme.
Wohl so etwas wie diese Sohnen, von denen überall gemunkelt wurde. Bestimmt ganz gute Handelspartner.
„Wir entwickelten uns vor langer Zeit aus der missglückten Schöpfung der Terraner“
Freundliche Xenon? Nun, er wollte schon immer mal mit den Blechköpfen handeln.
„Alssso issst diess eine terranische Kolonie?“, fragte der Teladi.
„Nein“ lautete die schlichte Antwort. Anscheinend hielten diese Terraformer nicht viel von überflüssigen Fragen. Yugandas eigentlich auch nicht, aber egal.
„Tshh, wie hoch liegt denn bei euch Terraformern der Preiss für eine gründliche Schiffssreparatur?“
„Gemäß den Notfallhilfs-Protokollen der ETNO sind überlebenswichtige Reparaturen an der lokalen Werft kostenlos. Weitere Reparaturkosten werden entsprechend der benötigten Materialien und der Arbeitszeit berechnet. Genauere Informationen finden Sie in der Preisliste der Station. Eine Landegebühr entfällt im Gebiet der Terraformer“
„Ess erfreut mich, mit Ihnen Geschäfte machen zu dürfen!“, antwortete der Teladi ehrlich. Wenn diese Maschinen immer so spendabel waren, konnte man ihnen bestimmt eine Menge Credits abknöpfen.
„Kaedess, ssetze einen Kurss zur nächssten Schiffsswerft!“
„Befehl nicht ausführbar. Schiffsposition unbekannt. Keine Werft in Sensorreichweite!“
„Tshh! Cade-ssama, wo befinden wir unss in Relation zur nächsten Schiffsswerft?“
„Die nötigen Navigationsinformationen werden übermittelt. Der Preis dieser Leistung wird ihrer Rechnung hinzugefügt!“

„Captain, wir erhalten eine verschlüsselte Nachricht des paranidischen Kommandoschiffes. Weitere Videodaten sind angefügt!“, informierte Jennifer den Argonen.
„Abspielen. Nein, warten Sie! Geben Sie mir eine Zusammenfassung. Für paranidische Reden bin ich nicht in der richtigen Stimmung!“
„Die Informationen dürften sich negativ auf die Moral der Mannschaft auswirken. Ich würde es vorziehen, sie Ihnen über Ihren privaten Kommunikator zu geben“
Und wieder war die Brückencrew von dem Gespräch ausgesperrt.
„Nun, Lieutenant, was ist los?“
„Argon Prime ist gefallen“, gab Jennifer im Flüsterton bekannt.
„Bitte was?“
„Ein erneuter Xenonangriff auf Ketzers Untergang bindet einen Großteil der argonischen Flotte an sich. Anscheinend ist bereits Unterstützung der Alliierten unterwegs, jedoch gibt es in anderen Sektoren ebenfalls Xenoninvasionen. Getsu Fune, Menelaus Paradies, Profitabler Handel, Schwarze Sonne, Grüne Schuppe, Achtzehn Milliarden. Seltsamerweise scheinen die Sektoren der Sreb nicht betroffen zu sein“
„Kommen Sie zur Sache, Cortez!“
„Die Verteidigungsflotten des Hauptclusters sind größtenteils ausgerückt und anscheinend haben die Sreb sich das zunutze gemacht! Sie sind in Argon Prime eingefallen. Der Sektor ist komplett abgeriegelt. Wegen einem dauerhaften Sperrfeuer auf die Tore kommen keine Nachrichtendrohnen durch. Hin und wieder kommen einige Schiffe aus dem Sektor gesprungen und berichten von grauenvollen Zuständen!“
„Das… kann nicht sein. Beim letzten Mal haben sie alles zerstört und sind dann abgehauen. Bestimmt verschwinden die bald… Jennifer, kennen Sie die Aufzeichnungen des letzten Angriffs?“ Nakamura merkte gar nicht, dass er zwischen sämtlichen Anredeformen wechselte.
„Ich war damals dabei. Die Sreb haben mich umgebracht!“ Jennifer versuchte kühl zu bleiben.
„Sicher, sicher, entschuldigen Sie. Haben Sie genauere Infos?“
„Wie es aussieht wurde die Werft geentert; andere Stationen entweder ebenfalls übernommen oder unschädlich gemacht. Eine kleine Flotte leistet noch Widerstand und hält die Sreb vom Planeten ab, doch die Paraniden rechnen mit einer Eroberung in wenigen Stunden.“
Nakamura verlor offensichtlich immer mehr an Energie und Kampfgeist. Sein kühler, willensstarker Blick wurde traurig und resignierend.
„Ich nehme an, die Regierung wurde evakuiert?“ Auf eine bejahende Antwort erkundigte er sich über die Widerstandsflotte.
„Sir, ich kann Ihnen das angehängte Videomaterial zeigen. Eine Sonderausgabe der Sonra Four. Wenige Stazuras alt.
Auf Nakamuras Kontaktlinsen öffnete sich die Videodatei, Jennifer war sie längst durchgegangen.

Lythia Whide, Nachrichtensprecherin von Sonra Four, stand mit ernstem Gesicht auf einem der zahlreichen Landefelder der Stadt. Im Sezuratakt starteten Jäger und Transporter, stiegen in den Raum hinauf oder schossen in einigen Kilometern Abstand zur Oberfläche über die Gebäude hinweg.
„Für das gesamte Stadtgebiet von Argonia City wurde Raumalarm ausgegeben. Wir befinden uns vor dem Landefeld D-3 im Südwesten der Stadt. Die meisten Transporter in der Stadt“ – wie auf Befehl stieg eines der massigen Schiffe im Hintergrund auf – „flüchten solange aus dem Sektor, wie sie noch können, während Jäger zu Patrouillenflügen ausrücken. Der Schock des letzten Angriffs sitzt noch tief, doch es hat sich viel zum Positiven verändert. Die Schutzschilde über den strategisch wichtigen Gebäuden sind bereits aktiviert und laut der Regierung gibt es keinen Grund zur Panik. Dennoch wird die Bevölkerung gebeten, in ihren Häusern zu bleiben. Der überwiegende Teil der Büros und Fabriken bleibt geschlossen, genau wie sämtliche Schulen und Kindergärten.
Grund für diese Maßnahmen ist die erneute Invasion der Split-Rebellen aus den östlichen Sektoren des alten Patriarchats. Wie es scheint“ – die Kamera schwenkte in den Himmel hinauf, das große Gebilde der Werft war als kleiner Fleck zu sehen – „haben die Sreb heute Morgen gegen sechs Uhr dreißig die Schiffswerft und weitere zentrale Stationen besetzt. Der Orbitalverkehr wurde eingestellt.
Durch eine glückliche Fügung ist Sonra Four an das Videomaterial einiger Kameradrohnen gekommen, die die Ereignisse außerhalb der Atmosphäre zeigen. Zu sehen ist die gemischte Flotte, die immer noch gegen die Invasoren kämpft:“
Die entsprechenden Bilder wurden eingeblendet. Deutlich waren die Argon Eins, die USC Raider und die ATF Loki zu sehen, etwa ein Dutzend größerer Sreb-Schiffe, umringt von Jägern diverser Abstammungen, dann ein paranidischer Kampfverband, einige Split, dann Teladi, Boronen, eben alles, was sich in einem der wichtigsten Sektoren des Commonwealth tummelte.
Verschiedenfarbige Kugeln, Tropfen, Strahlen, Blitze leuchteten auf und flogen kreuz und quer durch den Raum. Explosionen tauchten auf, die Drohne wurde durchgeschüttelt, schlug einige Haken, dann nahm der blaue Planet das Bild ein. Wieder eine Wende, diesmal auf Lunas zu, den Trabanten Argon Primes. Und noch eine Wende. Die Kamera rauschte haarscharf an einem riesigen Raumwrack vorbei, das sich kurz darauf jedoch als vollkommen intakter, teladianischer Stationstransporter herausstellte. Dann geriet das Miniaturraumschiff in den Explosionsradius einer Rakete und das Bild wurde auf eine andere Kameradrohne umgeschaltet, die ruhig um die argonische Werft trieb.
Captain Nakamura hatte während den rasenden Bildwechseln nicht der Kommentatorin zugehört, doch jetzt gelangte die Stimme der Frau umso deutlicher in das Bewusstsein des stummen Zuschauers. „… unbestätigen Berichten mehrere Geiseln, die von den Sreb gefangen gehalten werden. Dazu passen die weiterhin angedockten Schiffe einiger Transport- und Taxiunternehmen. Die Linienflugschiffe und Fähren konnten jedoch bereits ablegen und ein Großteil der Rettungskapseln ist ebenfalls gestartet, sodass die Zahl der Personen in Gewalt der Sreb nicht allzu hoch ausfallen dürfte. Auch verfügen die Schlüsselsysteme wie die Ops, das Maschinendeck oder die diversen Reparaturhangars über interne Verteidigungssysteme. Das auf der Schiffswerft stationierte Einsatzkommando des argonischen Militärs ist laut anonymer Quellen ebenfalls an der Verteidigung beteiligt.“
Ein plötzlicher Schnitt zeigte, dass beim Erstellen dieses Videomaterials auf verschiedene Quellen zurückgegriffen worden war. Die Einblendung eines Senders oder einer Dienststelle fehlte, weshalb der Ursprung dieser Szene nicht bekannt war, genauso wenig wie die Herkunft der männlichen Stimme.
„… verschiedener Rassen und Gruppierungen. Dem Angriff der Sreb setze sich neben den Schiffen des argonischen Militärs auch die terranische Flotte entgegen; Einheiten weiterer Völker schlossen sich an, so zum Beispiel ein teladianischer Phönix, der einige Stationstransporter eskortieren sollte, eine Gruppe von Split-Händlern, die üblichen boronischen Schiffe, einige versprengte Einheiten der ETNO und der Terraformer sowie – was von größerem Interesse ist – ein paranidischer Kampfverband. Geheimdienstinformationen zufolge unterstützt das Imperium nicht den Eroberungsangriff ihrer eigentlichen Bündnispartner und schickten einen kleinen Kampfverband zur Beobachtung und zum Eingreifen, sollte es nötig sein.
Dies weist auf Spannungen innerhalb des Bündnisses hin. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass das östliche Patriarchat unter Nilk t’Trrc nicht mehr geeint ist. Mit dem Verlust der Paraniden als mächtigen Alliierten könnte es zu Umbrüchen innerhalb der Rebellenorganisation kommen. Sollte eines der anderen Familienoberhäupter an die Macht kommen, wäre die Gefahr eines weiteren Angriffes der Sreb deutlich gesunken.“

Nakamura wischte das Material mit einer Handbewegung aus seinem Gesichtsfeld.
„Soll das heißen, die Paraniden stehen auf unserer Seite?“
„Ich bin mir nicht sicher, was langfristig die Folge ist, Sir, aber aus dem übernächsten Videobeitrag geht hervor, dass die Paraniden eine Besetzung Argon Primes verhindern möchten. Wir sollten auf jeden Fall mit den Paraniden Kontakt aufnehmen!“
„Dann öffnen Sie einen Kanal!“
„Das ist leider nicht möglich, Captain. Wir sind offiziell ein Träger der Xenon und Xenon kommunizieren nicht mit Feinden. Über herkömmliche Wege würden wir auffliegen. Aber da fällt mir doch etwas ein …“
„Möchten Sie Lichtzeichen geben?“, fragte Nakamura säuerlich.
„Das könnten die Xenon ebenso leicht entschlüsseln wie die Paraniden. Wir werden ein Schiff mit Terraformer-Bordcomputer rüberschicken. Für die Xenon sind sie wie eines ihrer übernommenen Schiffe“
„Es fällt also auf, wenn wir eine Nachricht über Funk oder mit einem Richtlaser schicken, aber einen Jäger oder Transporter werden sie ignorieren?“
„Offiziell wird das Schiff rüber fliegen, um die Paraniden zu sabotieren. Es startet aus einem normalen Hangar und wird in einem normalen Hangar andocken wollen, deswegen ist es unverdächtig, wenn die Paraniden den Transporter andocken lassen“, erklärte Cortez.
„Sie wollen also einen Frachter rüberschicken? Der könnte sich nicht gegen die Xenon verteidigen!“
„Er dürfte sich nicht einmal gegen die Xenon verteidigen!“
Darauf wusste der Captain nichts zu entgegnen.
„Ich habe vor, unser bereits bekanntes Zweiergespann zu schicken. Miss Satori ist eine erfolgreiche Kampfpilotin und ihr Begleiter hat als Händler einige Erfahrung mit Paraniden“, fügte die Terraner schnell hinzu.
„Sie scheinen ja einen richtigen Narren an den beiden gefressen zu haben. Die werden sich sicherlich über ihren neuen Job freuen!“
Einige Mitglieder der Brückenbesatzung lachten kurz auf, doch als Nakamura seinen Blick über die Brücke schweifen ließ, wandten sie sich mit ernsten Gesichtern wieder ihren Konsolen zu. Die Männer waren gelangweilt. Trotz der gefährlichen Situation hatten sie nichts zu tun und es gab keine neuen Informationen, zumindest keine, die ihnen erzählt wurden. Die gesamte Schiffssteuerung wurde von den Terraformer-Computern übernommen und so war die Besatzung abgesehen von den Reparatur- und Wartungsteams überflüssig.
Während Jennifer Cortez eine Verbindung zu der Transporter aufbaute, überlegte sie, ob es nicht Zeit für ein paar Kampfübungen wäre.

„Das ist jetzt nicht ihr Ernst, oder?“, rief Cylia erbost.
„Tja, ähm, doch!“, antwortete John, der ihr gerade den tollen Auftrag mitgeteilt hatte.
„Wir sollen mit einem veralteten Teladi-Frachter in einem Xenonsektor zu einem paranidischen Schiff fliegen, das uns als Feind auf den Scannern hat! Diese Cortez will uns umlegen! Wenn nur ein einziger Paranide oder Xenon uns aus dem Raum pusten will, sind wir – Moment!
„Was ist?“
„Wenn uns jemand aus dem Raum pusten wollte, wären wir sowieso erledigt. Deswegen schickt sie kein Kampfschiff rüber! Wenn die Paras uns nicht an Bord lassen, ist die Mission im Eimer. Und wenn wir uns gegen die Xenon verteidigen würden, wäre die Tarnung aufgeflogen. Wann sollen wir denn überhaupt starten?“
„So früh wie möglich. Noch versuchen es die Xenon mit Cyberattacken auf die Paras, aber wenn das nicht funktioniert, lassen sie die Waffen sprechen. Ich mach‘ uns ein Frühstück!“
Cylia war über den plötzlichen Themenwechsel erstaunt, nickte aber bestätigend.
„Funktioniert deine Schalldusche?“, fragte sie. Als Antwort erhielt sie nur einen schiefen Blick von John.
„Gut. Dann mach‘ ich mich eben fertig. Al, kannst du uns schon mal Abreisefertig machen? Vergiss nicht, wir müssen wie ein Xenonschiff wirken!“
„Natürlich, Miss Satori. Soll ich die Lebenserhaltung deaktivieren und die Atmosphäre aus der Nasszelle absaugen?“
Die junge Argonin erhob drohend einen Zeigefinger, sagte jedoch nichts. John verdrehte die Augen. Dieses Geplänkel zwischen Cylia und Al hatte nicht mal während der Schlafperiode aufgehört. Der Bordcomputer hatte das kleine Schlafabteil mitten in der Nacht sogar zur Hälfte mit Wasser gefüllt, wie John es am Tazura zuvor scherzhaft angedroht hatte. Da die Schlafmatte der Argonin jedoch mit einem leichten Gas gefüllt war, hatte sie lediglich kurz die Augen geöffnet, sich von einer Seitenwand abgestoßen und war wie auf einer Luftmatratze durch den Raum geglitten. Seit diesem Fehlschlag von Als Streich war der Bordcomputer leicht angesäuert. Wobei auch Johns wütende Reaktion eine Rolle spielte, der von einer Flutwelle überrollt wurde, als er Cylia wecken wollte.
„Am besten fliegst du schon los, während wir frühstücken und uns die Raumanzüge anziehen. Und lass solche Sachen wie letzte Nacht!“, antwortete John.
Keine fünf Mizuras später saßen die beiden Argonen im Cockpit des kleinen Frachters und aßen argonische Standardrationen. Die schmackhafteren Lebensmittel, die sie sich vor der Abreise gekauft hatten, wollten sie sich für besondere Momente aufsparen. Man wusste ja nicht, wie lange sie noch in diesem Xenonsystem gestrandet sein würden. Vielleicht nur Wozuras, vielleicht auch ihr restliches Leben. Wobei das nicht allzu lange andauern würde, denn früher oder später mussten die Maschinenwesen bemerken, dass sie reingelegt worden waren.
Die Transporter hatte gerade den inneren Sicherheitsperimeter der AP Renown verlassen und steuerte auf die paranidischen Schiffe zu, als Al sich meldete.
„Erhalte Instruktionen von der Xenonstation. Wir sollen mit Höchstgeschwindigkeit auf den paranidischen Träger zuhalten und unsere argonische Signatur wiederherstellen. Die Xenon werden einen Angriff auf unser Schiff simulieren und so dafür sorgen, dass wir von den Paraniden an Bord gelassen werden. Sobald wir im Hangar gelandet sind, sollen wir unsere Sprengladung installieren und wieder abdocken. Um unsere Flucht zu rechtfertigen werden die Xenon einen Angriff auf den Träger starten und die Überreste der von uns verursachten Explosion vernichten“
Kaum hatte der Computer seine Ausführungen beendet, tauchte auch schon der erste Xenonaufklärer auf den Scannern auf, näherte sich rasch und begann mit seinem Angriff. Dass der kleine Laser gegen die kräftigen Schilde keine Chance hatte, war irrelevant, denn weitere Jäger waren bereits im Anflug.
„Al, bist du dir sicher, dass unsere Schilde bis zu den Paras halten?“, fragte Cylia aufgeregt.
„Meinen Berechnungen zufolge befinden wir uns bereits innerhalb des paranidischen Schildperimeters, wenn unsere Verteidigung ausfallen würde. Sie dürfen aber jederzeit aussteigen, wenn Sie möchten. Ich halte Ihnen eine Luftschleuse frei!“
Die Kampfpilotin warf John einen finsteren Blick zu und zog mit ihrem rechten Zeigefinger eine waagerechte Linie über ihren Hals.
„Al, sei doch ein wenig netter zu unserem Gast!“, antwortete er mit besonderer Betonung auf dem letzten Wort. Vielleicht würde der Terraformer ja den geläufigen Konventionen der Gastfreundschaft nachkommen und mit diesem Theater aufhören.
„Ach und Al“, mischte sich Cylia ein. „Danke für das Wasser letzte Nacht! Ich habe zwar keine Ahnung, woher du weißt, dass ich früher häufig Strandurlaub gemacht habe und oft stazuralang auf einer Luftmatratze über das Meer getrieben bin, aber es hat mir wirklich gut getan!“
Ein Abfangjäger heftete sich mit aktivierten Frontlasern an das Heck des klobigen Schiffes und die Argonen versuchten, die Erschütterungen so gut wie möglich zu ignorieren.
„Noch zwölf Mizuras bis zum Erreichen des Zielobjekts und zum Zusammenbruch der Schilde.
„Na super. Was machen wir in der Zwischenzeit?“, bemühte sich John, die Stimmung aufzulockern.
„Wir können ja in meiner Kabine schwimmen gehen…“, schlug Cylia halbherzig vor. Es war vielleicht nur ein Scheinangriff, doch die Angreifer waren Xenon, die Retter waren Paraniden, der Bordcomputer eigensinnig und das Schiff ein teladianischer Frachter. Und so saßen sie angespannt Mizura für Mizura, während die Erschütterungen heftiger wurden und die Schilde langsam aber sicher versagten.
„Ich übermittle ein Notsignal an das paranidische Schiff“, meldete Al schließlich. „Unsere Schilde versagen in fünf … vier … drei … zwei … eins … Schilde ausgefallen. Die parani…“
Der Rest des Satzes ging in einem unglaublichen Getöse unter, als die Transporter für den Bruchteil einer Sezura ungeschützt war. Sofort weiteten sich die Schilde der Zeus aus, doch die kurze Zeit reichte aus, um eine Salve durchzulassen. Die meisten Lasergeschosse verpufften wirkungslos an der Hülle des Hecksegments, doch ein Schuss traf das Backbordtriebwerk und sorgte für eine kritische Überladung. Zwar wurde dadurch weder die Mission noch das Schiff gefährdet, doch die Inertialkompensatoren brachen zusammen und ließen das Cockpit erbeben. In weiser Voraussicht hatten sich John uns Cylia festgezurrt, doch aufgrund der starken Kräfte wurden beide bewusstlos.

Etwa zwanzig Mizuras später erwachte John wieder. Seine Augen waren geschlossen und er konnte sich noch nicht bewegen, doch mit seinen Ohren nahm er weit entfernt Geräusche war. Da gab es eine vertraute Stimme, bei der er sich wohl fühlte. Er entspannte sich. Doch dann hörte er ihren Gesprächsteilnehmer, ein tiefes, düsteres Rascheln.
John riss seine Augen auf. Er saß in seinem Pilotenstuhl, neben ihm Cylia. Sie war schon bei Bewusstsein und erhielt sich mit jemandem, der hinter John stand. Die Stimme war eindeutig paranidisch. Vorsichtig versuchte der Argone, seine Bewusstlosigkeit gänzlich abzuschütteln. Bis er es jedoch endlich schaffte, seinen Sessel zu drehen, war beinahe eine ganze Mizura vergangen.
„John, du bist wach!“, unterbrach Cylia den soeben sprechenden Paraniden.
„Die unwürdigen Kreaturen widmen Uns ihre Aufmerksamkeit!“, raschelte der Besucher und erzielte die erwünschte Wirkung.
Während er komplizierte Floskeln und mathematische Begriffe von sich gab, denen John in seinem derzeitigen Zustand noch nicht folgen konnte, musterte er den Ankömmling von oben bis unten. Über dem Kampfanzug, den der Dreiäugige zweifellos anhatte, trug er eine schmuckvolle, bis zum Boden reichende Robe. Aus bisherigen Treffen mit dem seltsamen Volk, diversen Holosendungen und Schilderungen anderer Händler und Söldner wusste John, dass der Rang eines Paraniden an dessen Kleidung erkenntlich war. Und diese Robe verfügte nicht über Lichtquellen im Saum oder besonders viele Edelsteine.
John wandte seinen Blick Cylia zu. Sie hatte ihren Sitz um 180° gedreht und war dem Paraniden zugewandt. Die Ärmel ihrer Bordkombi hatte sie bis zu den Ellbogen hochgekrempelt und einen Augenblick später bemerkte John, dass dies der unnatürlich hohen Temperatur des Raumes zuzuschreiben war. Vermutlich war das den Paraniden zuzuschreiben.
Die Pilotin hatte ihre Beine übereinander geschlagen und saß mehr oder weniger im Schneidersitz auf dem Copilotenstuhl. Und etwa bis auf Kniehöhe war der robuste Stoff verfärbt, als ob… John bemerkte, dass seine Beine bis zu den Knien ebenfalls nass waren. Nicht feucht, sondern klitschnass. Und nicht nur seine Beine, sondern auch die des Paraniden. Auf dem Boden des gesamten Schiffes hatte sich ein See von etwa einem halben Meter Höhe gebildet; anscheinend waren sämtliche interne Schotts geöffnet und die Frachtkompression ausgefallen. Hoffentlich war der Maschinenraum noch verschlossen, denn die dortigen Geräte waren im Gegensatz zum Rest des Schiffes nicht wasserfest.
Wieder drehte John seinen Kopf zu Cylia, als hoffte er, in ihr Antworten über die derzeitige Situation zu sehen. Ihre Atmung ging gleichmäßig, das erkannte er. Langsam aber sicher kamen Johns Erinnerungen zurück. Plötzlich hob die Frau eine Hand und strich sich einige Strähnen ihres schulterlangen, braunen Haars zurück. Diese Geste kannte er doch. Das machte sie nur, wenn sie angespannt war. Vielleicht sollte er den Worten des drei Meter großen Insekts neben sich doch eine gewisse Beachtung schenken.
„… in ihren Bordcomputer übertragen. Die unheiligen Maschinen werden in ihrer Macht die Schilde Unserer heiligen Stätten in einer knappen Stazura vernichten. Wir haben mit Unserer Ankunft in dem Einflussbereich dieses häretischen Sterns die heilige Dreidimensionalität geschändet und werden die Ehre des Xaars durch Unser rituelles Ableben wiederherstellen. In Unserer grenzenlosen Güte öffnen wir Euch so eine Möglichkeit, zu Eurem unheiligen Mutterschiff zurückzukehren. Ihr werdet in drei Minuten eurer argonisch-terranischen Zeitrechnung abreisen!“
Das Insekt drehte sich um und bewegte sich in Richtung Ausgang, als ob der Widerstand des Wasser gar nicht vorhanden sei. John schaute ihm ratlos hinterher.
Nachdem der Paranide das Schiff verlassen hatte, schaute der Argone seine Co-Pilotin fragend an.
„Was… war das?“, fasste er seine Frage in Worte.
„Al, wir müssen hier verschwinden! Schaffst du es, uns in drei Minuten hier hinauszubringen?“
„Die genaue Zeit, die Simancklatansvt-sama uns nannte, ist bedeutend kürzer. Die Vorbereitungen sind bereits getroffen, jedoch wird die Zeit nicht reichen, um das Wasser aus dem Cockpit zu entfernen. Da die Inertialkompensatoren jedoch beschädigt sind, stellen herumfliegende Wassermengen eine ernsthafte Gefährdung dar. Ich empfehle, das Cockpit komplett zu fluten. Die Atemgeräte befinden sich im Staufach unter den Sitzen“
John wollte zu einer Antwort ansetzen, doch Cylia verhinderte dies mit einem wütenden „Sag kein Wort! Ich will nicht wissen, warum du das Wasser für deine boronisch Ex-Partnerin seit Wozuras hier drinnen behältst!“. Sie griff unter den Copilotenstuhl und holte eine dreieckige Maske sowie zwei kleine Linsen hervor, die das Atmen und Sehen unter Wasser ermöglichten. John machte es ihr nach.
„Was hat diese Simankladings denn jetzt überhaupt gesagt?“, fragte der Argone.
„In Kurzfassung? Die finden ihre Erfüllung durch Harakiri und wir Zweiäugigen sollen die Drecksarbeit erledigen!“
„Die wollen sich umbringen?“, fragte John erschrocken.
„Hast du noch nie mit Paraniden zu tun gehabt? Im Raumkampf mit Paraniden ist das wie ein ungeschriebenes Gesetz. Wenn sie dich nicht umbringen, bringen sie sich selbst um. Machen Split doch auch, nur aus einem anderen Grund. Wenigstens haben sie uns ein paar Geschenke überlassen“
Auf einen weiteren fragenden Blick Sohns erklärte sie: „Unser halber Frachtraum ist mit Raumminen gefüllt und wir haben unglaublich viele Daten bekommen!“
„Explosion des Schiffes in zwei Minuten oder einundsiebzig Sezuras. Wir starten!“, meldete Al.
Kaum erhob sich der kleine Frachter aus seiner Landebucht, änderte Al die Schwerkraft um wenige Grad nach vorn. Durch Gravitation und Pumpen bewegt füllte das Wasser immer mehr und mehr das Cockpit. John setzte wie Cylia Maske und Linsen auf. Zum Glück war dies ein teladianisches Schiff. Auf einem Split-Frachter wäre die Elektronik vermutlich nicht ausreichend isoliert und Tauchgeräte gab es dort auch nur in unzureichenden Mengen.
Eine Welle schlug über John zusammen und er hörte das leise Zischen des Zugangsschotts. Anscheinend war der Füllvorgang abgeschlossen. Wie John das Reisen unter Wasser doch hasste. Er hatte es Huli zuliebe einige Male gemacht und wusste, warum es bei diesen wenigen Malen geblieben war. Außerdem war eine Bordkombi in nassem Zustand nicht sonderlich angenehm. Nun ja, vermutlich würde es ihnen das Leben retten, also war Komfort wohl zweitrangig.
Sie verließen den Hangar.
„Explosion des Schiffes in einer Minute oder fünfunddreißig Sezuras. Wir werden die Explosion mit einer Wahrscheinlichkeit von 96% überstehen“
Erst jetzt registrierte John die Meldungen. „Was für eine Explosion?“
Cylia antwortete. „Was denkst du denn, wie die sich umbringen? Der Vorteil ist, dass es so aussieht, als ob wir das verursacht hätten“
Beide blieben die restliche Minute still, dann ging das entfernt an einen Pilz erinnernde Raumschiff in mehreren Flammenbällen unter. Trümmerteile flogen umher und vernichteten auch die anderen Schiffe des Geschwaders – unterstützt von weiteren Selbstzerstörungssequenzen – und auch eine nicht geringe Zahl von Xenon wurde getroffen.
Die Schockwelle schleuderte auch die Transporter umher, doch das Wasser im Innern des Cockpits und die noch teilweise aktiven Trägheitsdämpfer dämpften die Kräfte ab. Stumm flogen John und Cylia zurück zur Renown, ließen das Andockmanöver über sich ergehen und betraten die Luftschleuse, die sogleich das Wasser abpumpte. Vor der Luftschleuse wurden sie bereits von Captain Nakamura, diesem Cortez-Zylinder und Klho t’Nnk erwartet. Der Split zog seine Mundwinkel zu einem Grinsen herab, als er sah, dass die beiden völlig durchnässt waren; auch Nakamura hob seine Augenbrauen leicht an. Bevor jedoch einer der Fünf etwas sagen konnte, ging der schiffsweite Alarm los. Cortez gab sofort einen Lagebericht.
„Ein CPU-Schiff ist soeben in Reichweite gesprungen. Wenn wir es zerstören, dürfte für einige Mizuras der JDJ ausgefallen sein und wir können zu einer sicheren Position springen!“
„Alle Mann auf die Gefechtsstationen!“, rief Nakamura in seinen Kommunikator. „Die kampfbereiten Zivilschiffe sollen starten, sobald sie können!“
Klhos Mundwinkel sanken weiter herab. Ein Kampf kam dem Split gerade recht. Er verschenkte keine weitere Sezura und lief zu seinem Schiff. Wo auch immer das sein mochte. Cylia blickte John an, umarmte ihn kurz und rannte dann auch los. Bevor John auch nur ein Wort sagen konnte, stand er vollkommen allein in der Luftschleuse.

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Re: [EX16][FF](SciFi/X)[WiP] Die ETNO 2 (Update Mai 2013)

Beitrag von Glumski »

Kapitel 5: Schlachten

Um der Brückencrew eine Aufgabe zu geben, hatte Jennifer ihren Input auf den Konsolen ausgegeben, wie es auch der alte Bordcomputer getan hatte. Das erhöhte zwar die Wahrscheinlichkeit menschlichen Versagens und senkte die Effizienz, doch sie wurde in diesem Kampf ohnehin nicht gebraucht.
„Die Zivilschiffe sollen sich formieren und gezielte Angriffe starten. Erteilen sie den Flotten typenspezifische Aufträge. Alle Triebwerke deaktivieren. Aktive Geschützkanzeln als Raketenabwehr nutzen. Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“
„Die Transporter von John Alman meldet, dass sie Minen an Bord hat, Sir!“, meldete der Kommunikationsoffizier.
„Sagen Sie Alman, er soll ein Feld in Flugrichtung der CPU einrichten. Die Trägheit des Feindes ist zum Ausweichen zu groß. Und wenn nicht, dann gehen wenigstens einige Jäger drauf! Miss Satori soll ihn eskortieren. Wie ist unser Status?“
„Die Schilde laufen auf zwei Dritteln. Die Geschütze der x- und z-Achse haben fünfzig Prozent ihrer Leistung, die der y-Achse sind weiterhin defekt. Die Raketenslots funktionieren größtenteils!“
„Die beiden M3-Staffeln greifen das Ziel an, die M4 kümmern sich um Jägerabwehr. Die M5 eskortieren die M3 oder versuchen, den Feind abzulenken“
„Das CPU-Schiff läuft mit voller Effizienz. Es sind vier Korvetten und acht Jagdgeschwader beteiligt, die anderen Xenon scheinen uns weiterhin zu ignorieren!“
Vor dem Panoramafenster der Brücke blitzte es. Vereinzelt gab es Explosionen, doch größtenteils verpufften die Laserschüsse noch in den Schilden.
„Unsere M5 starten einen Raketenangriff!“, rief ein Offizier plötzlich. Und tatsächlich, zahlreiche Schweife deckten die Korvetten mit Explosionen ein. Die Schilde hielten zwar die Explosionswirkung ab, doch die Sensoren waren beeinträchtigt und für einen Moment geriet das Feuer auf das erste M3-Geschwader ins Stocken.
„Der Pilot der Nagunaya ist tot. Der Bordcomputer startet einen Kamikaze-Angriff!“
Zwischen den kleinen Schweifen scherte einer der Punkte aus und steuerte auf die nächste Korvette zu. Die Holoblase der Schiffsinformationen zeigte an, dass das Cockpitmodul völlig deformiert war, dann brach der Kontakt ab. Die Schilde des Xenonschiffes konnten zwar den schnellen Aufklärer aufhalten, doch einige Wrackteile durchschossen sämtliche Kraftfelder und schlugen in den Schildgenerator ein. Die entstehende Lücke wurde von einem weiteren Aufklärer ausgenutzt, bevor der zweite Generator kompensieren konnte.
„Das war die Schimmernde Flut. Ein Kamikaze-Manöver des boronischen Piloten. Anscheinend hat es gewirkt!“ Und tatsächlich versank das Xenon M6 in einer riesigen Explosionswolke.
„Cortez?“, rief Nakamura plötzlich. „Irgendwelche Vorschläge?“
Jennifer hatte sich fest vorgenommen, nicht in diesen Kampf einzugreifen. Unter gar keinen Umständen. Und sie hatte sich auch eine gute Ausrede parat gelegt.
„Tut mir leid, Captain, die Cyberattacken lasten mich vollständig aus!“
Der Mann schluckte die Lüge und zeigte plötzlich auf einen unbestimmten Punkt am zylindrischen Körper des CPU-Schiffes. „Da! Was machen die?“
„Das ist eines der Bordgeschütze! Sir, die CPU ist jede Sezura in Feuerreichweite!“ Ein grelles Leuchten und heftige Erschütterungen unterstrichen die Aussage.
„Das war der zweite Schildgenerator. Schilde bei 30%, die höchstmögliche Leistung beträgt 33“
„Rotieren Sie das Schiff und sagen Sie einem M4-Geschwader, es soll die andere Seite decken. Und kümmern Sie sich um die Trägheitsdämpfer; diese letzte Erschütterung war viel zu heftig!“
„Die dritte Korvette hat ein M5-Geschwader ausgelöscht!“, meldete eine Frau aus dem oberen Brückendeck. Sofort verschwand ein halbes Dutzend Holoblasen.
„Verdammt! Rettungskapseln? Was ist mit unseren Raketen?“
„Eine Rettungskapsel. Wurde von einem M5 des zweiten Geschwaders an Bord gebeamt“
„Wenn wir die Bestände optimieren, haben wir zwei Salven gegen das CPU-Schiff, drei gegen die M6, fünf gegen Jäger und noch ein paar gegen Raketen“
„Starten Sie eine der M6er!“
Ein leises Rumpeln erklang und einige bläulich-weiße Schweife hielten auf die schwächste Korvette zu. Die größeren Raketen wurden etwa zehn Kilometer vor dem Ziel abgefangen, nur einige der Ablenkungs-Moskitos schlugen ein, ohne eine sichtbare Wirkung zu hinterlassen.
„EMP! EMP!“, rief plötzlich ein Argone mit hoher Stimme.
„Schilde auf Maximum!“, befahl Nakamura.
Die vier Geschütztürme stoppten ihre Bewegung, als sämtliche verfügbare Energie in die Schilde um Schlüsselsysteme umgeleitet wurde.
„Irgendwas ist durchgebrannt. Schilde bei 20%, obere Grenze auch bei 20. Die Sekundärsysteme werden wieder hochgefahren“, meldete derselbe Offizier.
Nun fuhren auch die Waffen wieder hoch.
„Raketensperrfeuer! Schießen Sie alles ab! Die Raketen sollen unsere Jäger als Deckung nutzen. Die CPU soll das Primärziel sein!“
„Sir, das CPU-Schiff startet ebenfalls ein Raketensperrfeuer! Unsere Geschütze werden nicht alles aufhalten können! Wenn wir unsere Raketen zwischen uns und dem Schiff explodieren lassen, hätten wir eine undurchdringbare Barriere…“
„Sie haben Ihre Befehle. Ohne vernünftige Waffensysteme werden wir den Xenon niemals vernichten können! Starten Sie alles, was wir haben. Auch die Jäger sollen sich beteiligen. Koordinieren Sie den Abschuss genau. Wir haben nur die eine Chance!“

John blickte aus dem Cockpitfenster in der Front uns sah grenzenlose Schwärze. Schaute er nach rechts, sah er einen modernen argonischen Jäger, in dessen Cockpit Cylia saß und auf der linken Seite ein undurchdringbares Gewirr aus Punkten, Strahlen, Schweifen, Explosionen und Blitzen. Dann schaute er wieder nach vorne. Grenzenlose Schwärze. Grenzenlose Ruhe.
„Status?“, fragte er Al.
„Die Minen sind zu neunzig Prozent ausgeworfen und liegen zu mindestens sechzig Prozent auf dem Kurs des CPU-Schiffes #e21a. Keine Xenonjäger in Reichweite. Die Frontgeschütze der CPU sind beinahe in Feuerreichweite, jedoch nicht auf uns ausgerichtet. Eines unserer M5-Geschwader wurde vernichtet, das zweite sowie beide M4- und M3-Geschwader sind noch kampfbereit. Die Siegchancen liegen bei 10%, sollte unsere Mission fehlschlagen, und bei 25%, wenn sie erfolgreich ist“, antwortete das Schiffsgehirn, wobei es die Meldungen nach Wichtigkeit sortierte.
John antwortete mit einem „Mhhm“ und wandte sich wieder seinen Beobachtungen zu. Links ein wunderschönes und grausames Durcheinander aus tödlichem Licht. Vorne die wunderschöne und tödliche Ruhe des Vakuums. Rechts die wunderschöne und tödli…
„Eingehendes Comm-Signal. Soll ich darauf mit Waffengewalt antworten?“
Die freundliche Frage zeigte, wer am anderen Ende des Nachrichtenaustauschs saß.
„Durchstellen!“
Eine Holoblase mit Cylias Konterfei breitete sich im Cockpit aus. Mit ernsten Augen sah sie ihn an, wirkte von der Situation aber auch ein wenig gelangweilt. Dennoch schaute sie aufmerksam drein, denn die CPU konnte jederzeit ihre Geschütze anders ausrichten oder einige Jäger schicken.
„Du sitzt nicht immer noch im Wasser?“ Eine rhetorische Frage und die Antwort gefiel John nicht wirklich.
„Meine Inertialkompensatoren sind immer noch nicht repariert. Besser unter Wasser als an der Wand zu kleben!“
Sie seufzte. „Weißt du, wie schwer es ist, meine Bordkombi zu trocknen?“
Offensichtlich war es ziemlich schwierig, denn die Argonin hatte ihre übliche Kleidung gegen
ein Tanktop getauscht.
„Für gewöhnlich hat man da Maschinen für, meinst du nicht?“
„Ich hatte nicht mal Zeit, mir die Haare zu föhnen. Da kann ich erst recht nicht darauf warten, dass meine Bordkombi trocknet. Auch nicht, wenn’s maschinell passiert!“
„Wenigstens konntest du dir was Trockenes anziehen!“
Ein bejahendes Gebrumme, dann Stille. Nach einer Weile wechselte sie das Thema:
„Sieht nicht gut aus da Draußen!“
„Nein“, antwortete John. Wieder Stille.
„Meinst du, ich könnte..?“, fing sie an, doch Al unterbrach die beiden.
„Beide GKS starten Raketensperrfeuer. Ich habe die Minen vorsorglich deaktiviert, damit sie nicht versehentlich ausgelöst werden. Außerdem vermute ich, dass sich… ich lag richtig, da kommen einige Jäger auf uns zu. Wir sollten jedoch mit unserer Mission fertig sein, bevor sie eintreffen!“
John wischte Cylias Konterfei zur Seite und projizierte einige Navigationskurse auf sein Cockpitfenster. Cylia war eine gute Kämpferin, doch gegen einen schweren Jäger und einen Abfangjäger würde sie nicht bestehen können. Und die Transporter war in einem Kampf zu nichts zu gebrauchen.
„Cylia… das ist nicht gut!“, murmelte er nervös.
„Ich versuche, die beiden so gut wie möglich zu beschäftigen. Setz du irgendwo eine Mine ab, wo ich die hinlocken kann. Dann versuche ich, so schnell wie möglich abzuhauen!“
Es war ein ziemlich einfacher Plan und ein offensichtlicher noch dazu, doch eine andere Möglichkeit gab es nicht; zumindest fiel John keine ein und Cylia anscheinend auch nicht.
„Auftrag ausgeführt. Das Minenfeld ist komplettiert. Es befindet sich noch eine Mine im Frachtraum, wie von Miss Satori vorgeschlagen. Ich weise darauf hin, dass unter den gegebenen Voraussetzungen die Mokou mit einer Wahrscheinlichkeit von 76% zerstört wird! Daher empfehle ich den Einsatz eines Transporters!“
Schon schossen die Xenon erste Raketen ab, die Cylia jedoch mit gezielten Schüssen zur Detonation brachte. Die Argonin beschleunigte sogleich ihr Schiff und jagte den Maschinen eine Salve Energiepfeile entgegen. Das schwerfälligere M3 konnte nicht rechtzeitig ausweichen, doch die drei mittelstarken Schilde hielten den geballten Energieladungen stand. Dennoch wurde es durch diesen Frontalangriff in die Defensive gezwungen, sodass sich Cylia ihrem Primärziel widmen konnte, dem Abfangjäger. Sie zischte knapp an dem Schiff des M-Typs vorbei, drehte sich und feuerte auf das Heck des M4, das jedoch seinerseits eine Wende hinlegte und der Mokou eine Welle beschleunigter Partikel entgegensetzte. Beiden Kampfteilnehmern war klar, dass Cylia über mehr Geschütze verfügte und somit den Sieg davon tragen würde – schließlich waren die Schildsysteme identisch – doch das M hatte seinen großen Bruder mitgebracht. Der Kampfpilotin blieb nicht genügend Zeit für einen weiteren Angriff und so floh sie in Richtung der Mine, die John bereits ausgeworfen hatte, beide Verfolger dicht an ihrem Heck. Eilig überschlug sie einige Werte in ihrem Kopf und entschied, dass sie es darauf ankommen lassen müsste.
„John! Jetzt!“, brüllte sie in die Comm, während Adrenalin durch ihren Körper jagte.
Gleichzeitig aktivierten sich der Transporter und die Mine. Eine helle und mächtige Explosion zerriss die drei Kampfschiffe. Geblendet von dem Licht, das trotz der verdunkelten Frontscheibe mächtig hell war, wandte John sich ab und sah Cylia vor sich im Wasser schweben.
„Hrmmlll!“, machte sie und deutete mit aufgerissenen Augen auf ihren Mund, bevor sie mit einem Zug zur Luftschleuse schwamm und die Tauchutensilien an sich nahm, die sie dort bei ihrem Ausstieg hinterlegt hatte.
„Die Mokou?“, fragte sie, als sie dank der Gerätschaften wieder atmen, sprechen und vernünftig sehen konnte. John schüttelte nur den Kopf.
Mit einigen weiteren Schwimmzügen, die jedoch wesentlich weniger energisch waren, bewegte sich die Pilotin zum Copilotensitz und schnallte sich fest. Dann kam der Explosionsblitz. Und dann ein weiterer. Und noch einer.
Die beiden starrten aus dem vorderen Cockpitfenster, vor dem nach der Drehung des Frachters das Minenfeld lag.
„Das CPU-Schiff #e21a wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 98% nicht zerstört werden“, meldete Al, doch John bemerkte, dass Cylia ihm nicht zuhörte. Mit offenem Mund, aus dem kleine und große Luftblasen strömten, schaute sie aus dem rechten Cockpitfenster, wo die AP Renown in einem weiteren Explosionsblitz unterging.
Doch John beschäftigte etwas ganz anderes. Er war sich sicher, dass weder die Transporter noch die Mokou einen funktionsfähigen Transporter installiert hatten. Und er war sich ebenso sicher, dass #e21a das CPU-Schiff war, dass den Weg zur Gemeinschaft der Planeten blockierte. Und dann öffnete er auch seinen Mund, denn er war sich absolut sicher, dass es nicht normal war, dass der Blick in den Schiffshangar von einer Holoblase versperrt wurde, die mit „Simulationsergebnisse“ betitelt war.

Captain Nakamura hatte sein letztes Gebet gesprochen. Er hatte bemerkt, wie die massiven Raketen die Schilde niederrissen und jede Sezura sein Schiff erreichen würden. Dann hatte er bemerkt, wie sich die Aussicht plötzlich änderte, wie die Nagunaya, die Schimmernde Flut, die Kotonoha, die Scarlet Victory und mehr als zwanzig weitere Schiffe im Hangar auftauchten, deren Zerstörung er doch gerade erst miterlebt hatte.
Und jetzt war er fassungslos.
„Sie haben was gemacht? Eine taktische Übung? Wir sollten Sie aus der Luftschleuse werfen! Sie mit einem Dosenöffner aufschneiden und ein System nach dem anderen mit EMPs lahmlegen! Eine Simulation! Was denken Sie eigentlich, wer Sie sind, dass Sie einfach so eine täuschend echte Übung ansetzen, ohne irgendjemandem davon zu erzählen?“
„Habe ich es Ihnen nicht erzählt? Tut mir leid, Captain. Ich war mir ziemlich sicher, ich hätte es getan. Aber Sie kennen ja den Simulations-Realitäts-Konflikt, dank dem auch die Xenon so abgedreht sind. Liegt wohl in der Familie von uns Maschinenwesen!“, antwortete Cortez ruhig, die wusste, dass sie es ihm nicht erzählt hatte. Aus gutem Grunde nicht, schließlich hätte er sonst gewusst, dass es nur eine Übung war. Aber es war schon lustig, wie der Argone sich aufregen konnte.
„Sehen Sie es positiv, ihre Testergebnisse waren nicht schlecht!“
„Nicht schlecht? Wir wurden abgeschlachtet! Tot waren wir! Was denken Sie, wie sich das auf die Moral auswirkt?“
„Es gab nur eine Möglichkeit, wie sie hätten gewinnen können. Und die würde wohl niemand wählen. Und sie hätten wesentlich schlechter abschneiden können. Um ein Haar hätten sie fast noch ein Unentschieden errungen und beide Schiffe wären zerstört worden!“
„Was wäre diese eine Möglichkeit gewesen?“, fragte der Captain, der sich langsam wieder abregte. Er war niemand, der sich lange aufregen konnte. Schließlich änderte das nichts an der Situation.
„Sie hätten alle Schiffe auf Kollisionskurs schicken können, dann sollte die CPU einigermaßen beschädigt sein. Je nachdem, wie lange die Manöver dauern, müssten sie selbst auch noch kollidieren, was wohl einen Großteil der Besatzung umbringen dürfte, aber der Sprungantrieb dürfte noch einsatzbereit sein und die Überlebenden in sichere Gefilde bringen können. Und seien sie froh, dass ich nicht noch psychologische Kriegsführung angewandt habe!“
„Was meinen Sie mit…“
„Es ist schon vorgekommen, dass die Xenon die Besatzung bereits gekaperter Schiffe auf ihre Angreifer ‚gefeuert‘ haben. Eigentlich nur, um den Ballast loszuwerden, aber sie haben erkannt, wie sich das auf das Kampfverhalten auswirkt und ich bin mir sicher, dass sie das hin und wieder anwenden werden!“
Nakamuras Gesichtsausdruck wandelte sich zu einer Mischung aus Ekel und Entsetzen.
„Wie… würden denn unsere realen Siegchancen stehen? Es wird ja wohl kaum so kommen, wie in ihrer Simulation!“
„Ich schätze mal, dass die Xenon mehr als vier Korvetten und ein wenig Kleinzeugs einsetzen, um ihr CPU-Schiff zu schützen. Erst recht, wenn sie ohne Mühe eine gewaltige Zahl an Trägern und Zerstörern mobilisieren können! Aber alles in allem haben sich die Zivilisten hervorragend geschlagen. Zwar fehlt ihnen noch der Zusammenhalt, aber das gibt sich. Ich würde daher vorschlagen, gewisse Freizeitaktivitäten und Treffpunkte einzurichten. Auch könnten wir solche Übungen mehrfach ansetzen, natürlich mit Vorwarnung. Wir wissen ja nun, dass viele Piloten ihr Leben opfern würden, um das Mutterschiff zu retten. Bei denen sollten sie sich vielleicht auch bedanken!“
„Was mich nur wundert, ist, wie sie es geschafft haben, dass niemand den Braten gerochen hat!“
„Nun ja, sämtliche Bordcomputer waren involviert, auch die Nicht-Terraformer-Modelle. Und es gab schon einige Hinweise. Den Namen des CPU-Schiffes dürften sie zum Beispiel kennen. Und in einigen Fällen haben die Bordcomputer oder ich auch interveniert. Zum Beispiel haben wir dem Schiff von Miss Satori einfach ein Transportsystem zur Verfügung gestellt… die dürfte sich übrigens freuen, weil sie nun eine weitere Wäschegarnitur trocknen darf“
„Dieser alte Frachter mit dem unpassenden Namen Transporter?“
„Genau. Die Trägheitsdämpfer sind ausgefallen, deswegen haben sie Wasser als Ersatz benutzt!“, erklärte Jennifer.
„Interessantes Verfahren. Ich wusste gar nicht, dass teladianische Schiffe wasserdicht sind!“
„Einige Teladi hatten ihre Schiffe mit Sumpfschlamm gefüllt, da das dem Heimatplaneten am nächsten kommt.“
„Ich erinnere mich. Wie auch immer… geben Sie mir einen Statusbericht!“
„Wir erreichen unser Ziel in einem Tazura, also etwa dreißig Stunden. Die Reparaturarbeiten liegen vor dem Zeitplan, wir haben zehn Berichte über seltsame Kampfsimulationen, sechzehn Beschwerden, sieben Glückwünsche und ein Dankeschön“
„Ein Dankeschön?“, fragte der Captain erstaunt.
„Ein Split, Klho t’Nnk von der Scarlet Victory. Er sagt, er hätte lange nicht mehr einen solchen Spaß gehabt. Oh, da ist auch eine Nachricht von Miss Satori an mich. Sie wüsste das nächste Mal gerne im Voraus, wenn ein Badeausflug ansteht“
„Wenigstens nimmt Sie es mit Humor!“, antwortete Nakamura.
„Aber ein Schwimmbad ist gar keine so schlechte Idee. Unsere Wasserfilter laufen perfekt und mehrere Tanker sind mit hochkomprimiertem Wasser für die Terraformer gefüllt. Damit könnten wir das halbe Universum versorgen… und es ist ein prima Ersatz für Trägheitsdämpfer!“

Der folgende Paragraph wird voraussichtlich aus der endgüligen Fassung entfernt.
Noch keinen ganzen Tazura hatte Yugandas in den Sektoren dieser Terraformer verbracht und schon hetzten sie ihn von einem Ort zum anderen. Er bekam alles, was er brauchte und musste dafür die Aufträge erledigen, die diese seltsamen Maschinen ihm gaben.
Hin und her flog er mit seiner Milan. Erst eskortierte er irgendwelche Transporte, die hier und da von einem schrottreifen Piratenschiff oder versprengten Kha’ak attackiert wurden, dann verfolgte er einen anderen Piraten und schließlich sollte er beim Wiederaufbau irgendeiner boronischen Mine helfen, die aufgrund eines Fehlers in den Energiesystemen eingestürzt war.
Das Ganze war ja schön und gut, aber es war weder gewinnträchtig noch sonderlich spannend. Nicht, dass er Aufregung besonders toll fand, aber nur ewiges hin-und-her-Fliegen, nein, das war nichts für einen Entdecker, sondern für einen Transporterpiloten!
Und jetzt, nach all der harten und langweiligen Arbeit, wollten ihn die Terraformer verarschen. Argon Prime sei gefallen und besetzt worden. Von irgendwelchen Split-Rebellen. Und er wurde gebraucht, um zu helfen. Wenn das ein Drehbuch wäre, würde es ihm niemand abkaufen. Klar, dass Maschinen nicht super intelligent sein konnten, aber so einen Ngusimist würden nicht einmal die Xenon verzapfen!
Aber gut, dann flog er eben nach Argon Prime. Das war ja auch keine lange Reise, nur einmal quer durch’s Universum. Wenigstens wurde er mitgenommen.
„Kaedess… wie lange noch?“
„Laut den Flugplänen des Linienverkehrs geht der TerraCorp-Flug zum Westtor von Heimat des Lichts in etwa drei Mizuras!“
Der Teladi stand auf und ging einige Schritte. Mit seinen Gehklauen betätigte er den Fußschalter des Schotts und betrat die kleine Kombüse seines Abfangjägers.
„Und? Hast du sschon die Nachrichtenssendungen verfolgt? Irgendwas über unsseren Auftrag?“
„Hai, laut dem Infokanal der Terraformer wird von einem Flug nach Argon Prime abgeraten. Die Sprungtore sollen von bewaffneten Einheiten der Sreb bewacht werden. Nicht einmal Drohnen kommen durch die Tore!“
„Irgendwass aus anderen Quellen?“
„Negativ. Wir haben keinen Zugriff auf andere Informationskanäle!“
Beim CEO, die wollten ihren Scherz wirklich durchziehen. So einen Aufwand, nur für ihn?
„Kannsst du Kontakt zu diessem TerraCorp-Schiff aufbauen?“
Yugandas M4+/Milan war an einem argonischen TM der TerraCorp angedockt, der mehrmals am Tazura zwischen seinem Hauptquartier Heimat des Lichts und diesem Terraformer-Sektor #Seeths Bewusstsein umhersprang. Gegen ein geringes Entgelt konnte man für den Sprung einen der vier Andockplätze mieten und so für wenig Geld bis ans andere Ende des Universums gelangen, ohne einen Sprungantrieb installiert haben zu müssen. Eine grandiose Geschäftsidee, doch leider besaß der teladianische Entdecker keinen TM. Und irgendwann dürften die ewig gleichen Sprünge auch langweilig werden.
„Mit wem möchten Sie sprechen, Captain Yugandas?“, fragte der mittlerweile tatsächlich veraltete Bordcomputer.
„Tshh, keine Ahnung. Irgendein Argone, der nicht besschäftigt ist!“
„Kontakt wird aufgebaut zu… Ferd Awasi, Argon Eklipse Kiseragi
Und tatsächlich tauchte wenig später ein Argone in einer Holoblase auf. Yugandas versuchte, einzuschätzen, wie alt das Wesen sein mochte und welchem Geschlecht es angehörte, gab jedoch schnell auf. Es war schlichtweg unprofitabel.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte die Person. Da an beiden Seiten der Sprachluke große Hautpolster saßen und der Argone kaum noch Haare besaß, entschied der Teladi, dass es eine Frau war.
„Tshh, ich habe sseltssame Dinge über Argon Prime gehört. Wissen Sie vielleicht näheres?“
Die Argonin wirkte augenblicklich niedergeschlagen.
„Anscheinend haben die Sreb es schon wieder getan. So wie es aussieht ist Argon Prime nicht mehr in argonischer Hand!“
„Wass meinen Ssie mit ‚wieder‘?“
„Na, es ist doch schon das zweite Mal, dass die mit einer riesigen Streitmacht in den Sektor einfallen! Beim ersten Mal waren sie schnell wieder weg, aber jetzt…“
Also wollten die Terraformer ihm gar keine fehlerhaften Informationen andrehen? Wenn Argon Prime, einer der größten Umschlagsplätze der Gemeinschaft der Planeten, tatsächlich unter Herrschaft einer zweifelhaften Gruppe standen, hatte das ernsthafte Folgen für die Wirtschaft!
„Tshh, Kollegin Awasi, wer genau ssind die Ssreb?“
Die Frau schaute ihn irritiert an, dann antwortete sie doch noch.
„Split-Rebellen? Nilk t’Trrc? Schon mal gehört?“, fragte sie. „Ach ja, und ich bin männlich!“
„Mein Fehler!“, gab Yugandas gedankenversunken zu. Split-Rebellen, ja da hatte er schon etwas von gehört. Und von diesem Nilk auch.
„Fast überall gibt es Informationen über die Sreb, wenn Sie wirklich nichts darüber wissen. Aber wir sind ja gleich praktisch am Ort des Geschehens!“
Damit schloss der männliche Argone den Kanal. Der Sprung stand ohnehin kurz bevor.
Yugandas nahm sich eine Wonton-Suppe und setzte sich wieder auf seine Hartplastikbank. Ein kurzer Energieblitz und eine Veränderung des Sternenhintergrunds zeigten ihm, dass sie den Sektor gewechselt hatten. Der Teladi schaute auf die Sensoren, öffnete seine Schnauze und bemerkte gar nicht, wie sich seine lange Zunge an den Kaubalken vorbei stahl.
Militärschiffe. Überall. Riesige Zerstörer drehten ihre Runden, eine halbe Flotte stand vor dem Nordtor nach Argon Prime. Selbst die kleinsten Schiffe waren schwerbewaffnet.

Fünf Jahre zuvor
Corporal Jack Miyamoto steuerte seinen Abfangjäger durch die Schwärze des Alls. Finden und eliminieren, wiederholte er in Gedanken. So lautete der Auftrag.
Die Sensoren erkannten ein mittelgroßes Objekt und schon bald lieferte die Sichtverbesserung ein genaueres Bild. Ein ziemlich lädierter Frachttransporter versuchte mit flammenden Triebwerken, der terranischen Übermacht zu entkommen. Miyamoto überprüfte sein Ziel mehrfach. Minimale Bewaffnung, schwache Schilde, eine dürftige, in größter Eile installierte Lebenserhaltung. Etwa dreihundert Überlebende der Mission.
Als der Corporal zwei Marschflugkörper auf die Reise schickte, blitzen vor seinem inneren Auge kurz Bilder auf, wie sie nun vermutlich auf dem Zielobjekt herrschten. Ein Mann mit angstbleichem Gesicht stürzte auf die Brücke und berichtete von zwei Schweifen, die sich näherten. Weil der Großteil der Elektronik ausgefallen war, konnte der Skipper diese Daten nicht überprüfen, doch es war ohnehin zu spät. Er stand von seinem Sitz auf und trat mit hängenden Schultern durch die Schleuse in den einstigen Frachtraum, wo unzählige Gestalten mit panischen Blicken versuchten, das Erlebte zu verdrängen. Kein Wort war nötig, alle wussten, was nun kommen würde. Ein Blitz, keine Hitze, keine Kälte, einfach nur ein Blitz und dann ewige Dunkelheit.
Für diesen kurzen Moment wollte Miyamoto die Raketen zurückrufen, den Befehl verweigern, einfach verschwinden aus diesem teuflischen Sektor, doch dann fiel es ihm auf. Es waren ja gar keine Menschen, die dort in der Explosion vergehen würden, nur irgendwelche Echsen und Tintenfische. Natürlich konnten sie es an Intelligenz nicht mit den Menschen aufnehmen. Wahrscheinlich hatten sie gar keine Intelligenz, kein Selbstbewusstsein. Es gab nur eine Rasse, die es mit den Menschen aufnehmen konnte, und die hatten sie selbst entwickelt. Und ohnehin, Befehl war Befehl, daran gab es nichts zu rütteln! Wo käme man denn hin, wenn die Rettungsteams entscheiden würden, ob das Opfer einer Naturkatastrophe es überhaupt wert war, gerettet zu werden?
Befriedigt markierte der Corporal ein weiteres Ziel als beseitigt. Den Lichtblitz ignorierend wendete er seinen Jäger um einige Grad und suchte das nächste Objekt. Ein Blick auf die taktische Karte verriet ihm, dass die Hauptflotte sich schon vor dem Sprungtor versammelt hatte. Die feindlichen Stationen waren ausgelöscht, die gegnerischen Schiffe beseitigt, der Sektor ETNOs Hoffnung lag in Trümmern und diese widerlichen Echsen hatten hoffentlich begriffen, dass man das terranische Reich nicht einfach so unterminieren konnte.
Ein neuer Befehl trudelte ein. Jack Miyamoto sollte zurückkehren. Er hatte hervorragende Arbeit geleistet und würde mit sofortiger Wirkung versetzt worden, um der Bedrohung durch die AGI endgültig Herr zu werden! Verwundert über das plötzliche Ereignis übersah der Mensch völlig die Details seines neuen Auftrags. Es hatte etwas mit Computerviren zu tun. Eine fünf-Jahres-Mission.
Doch selbst wenn er den Anhang gelesen hätte, niemals wäre dem Unteroffizier in den Sinn gekommen, dass er derjenige sein würde, der dem Kollektiv der Xenon Befehle geben konnte, und noch viel weniger hätte er vermutet, dass ein kleiner Wisch mit seinem rechten Zeigefinger den Untergang seiner eigenen Rasse heraufbeschwören konnte!

Fünf Monate zuvor
„In Ordnung, Captain. Tun Sie’s!“
Captain Jack Miyamoto befolgte die Anweisung des Generals. Er hob seine rechte Hand, streckte den Zeigefinger aus und bewegte ihn durch die Luft seitlich von sich weg.
„Sendung aktiviert“, meldete die Computerstimme des Torus Aeternal.
Miyamoto triumphierte innerlich. Das war das Ende der AGI und ein weiterer, großer Schritt nach oben auf der Karriereleiter!
„Gute Arbeit“, lobte Ishiyama, doch sein Tonfall und sein Gesichtsausdruck drückten etwas anderes aus. Es mochte Gleichgültigkeit sein, Selbstbeherrschung oder … Furcht?
Miyamoto stempelte seinen Gedanken als Lächerlich ab. Sicherlich gab es einige Parallelen zu dem damaligen Vorfall, dem kleinen Update-Fehler vor einem Millennium, doch so etwas konnte nicht noch einmal geschehen. Außerdem war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für solch trübe Gedanken, jetzt sollte er sich erst in dem Applaus seiner Mitarbeiter und Vorgesetzten sonnen.
„Reisen Sie direkt ab?“, unterbrach das Oberhaupt der AGI Task Force das Geschehen. Er konnte die Ergebnisse vermutlich gar nicht abwarten und genauso ging es auch Miyamoto.
„Ja, Sir. Ich denke, wir werden noch heute die Wirkung feststellen können!“
Mit diesen Worten verließ der Captain den Raum und bewegte sich zur Hangarsektion. Als sein Schiff wenige Minuten später den Ring des Transorbitalen Beschleunigers passierte, warf er noch einen letzten Blick auf das göttergleiche Gebilde, das die Erde umspannte. Tief in seinem Innern wusste er, dass er das grandiose Bauwerk nie wiedersehen würde. Einzig die Kamerabilder der Zerstörung, die er sich keine vierundzwanzig Stunden später in einer Holoblase anschaute, ermöglichten ihm einen letzten Eindruck der heilen Welt, des großen terranischen Reiches, das einen tödlichen Fehler nun zum zweiten Mal begangen hatte.

Gegenwart
„Captain? Captain!“, rief eine Stimme. Miyamoto schreckte hoch. Der Schlaf musste ihn überwältigt haben und die schemenhaften Bilder der Vergangenheit waberten noch immer vor seinem inneren Auge umher. Mission, Virus, Angriff, Zerstörung, dachte der Terraner.
„Captain, die Renown wurde noch immer nicht entdeckt“, berichtete die Stimme.
„Wie? Ja. Ja, danke. Ich – glauben Sie, dass Miss Cortez überlebt hat?“
Seine Sekretärin hob überrascht eine Augenbraue.
„Sie sagten selbst, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Renown noch existiert!“
Miyamoto spürte kochende Wut. „Ich weiß, was ich gesagt habe!“
So schnell der Ausbruch gekommen war, so schnell verschwand er auch wieder. Der Captain fasste sich mit Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand an sein Nasenbein.
„Entschuldigen Sie, Darcie. Es war ein langer Tag. Was ist Ihre Einschätzung der Situation?“
Nach der Zerstörung des Reiches herrschte genereller Mangel an allem, erst recht an Arbeitskräften. Nur wenige, hochrangige Offiziere konnten auf die Hilfe einer Sekretärin retten, doch Captain Miyamoto war für den AGI-Virus zuständig gewesen. Er hatte Erfahrung und Wissen über den Erzfeind der Menschheit und das machte ihn zu einem wichtigen und wertvollen Mitglied des Militärs. Und Darcie war wirklich eine echte Hilfe. Sie war intelligent und äußerst fähig, doch es schien Miyamoto, dass sie etwas vor ihm verheimlichte. Er hoffte inständig, dass es Bewunderung war, doch eine kleine Stimme sagte ihm, dass sie ihn im Grunde verachtete.
„Ich denke, dass selbst eine erfahrene Terranerin in einem noch so robusten CPU-Kern nicht das überleben kann, was die Renown durchmacht. Angenommen die Daten stimmen – und davon gehe ich aus – ist der Träger mitten im Gebiet des Feindes gestrandet. Wie könnte ein so unterentwickeltes Schiff überleben, wenn nicht einmal …“
Ihre Stimme brach.
„... wenn nicht einmal unsere gesamte Flotte etwas ausrichten konnte? Ich denke, Sie haben Recht. Nein, ich hoffe, dass Sie Recht haben. Dieser Cyborg“, er spuckte das Wort verächtlich aus, „hat schon genügend Schaden angerichtet und uns viel zu lange beschäftigt. Aber sie ist zäh. Und wir dürfen die Argonen nicht unterschätzen; schließlich haben sie über achthundert Jahre mit den Terraformern in direkter Nachbarschaft überlebt. Und sie gehörten zu uns!“
Miyamoto ignorierte den letzten Satz. Die Argonen als Terraner zu sehen war lächerlich. Sie mochten vielleicht von Menschen der Erde abstammen, doch das war fast ein Jahrtausend her. Sie kollaborierten mit allerlei widerlichen Kreaturen: Echsen, Tintenfischen, sogar mit übergroßen Stabheuschrecken und sogar mit den AGI, dem Feind Gottes!
Der Terraner seufzte resignierend.
„Danke, Darcie. Sagen Sie Bescheid, wenn etwas passiert. Ich – Sie wissen, wo Sie mich finden!“
Mit den Worten ging er auf den Flur hinaus.
Das Schiff war groß, größer als ein herkömmlicher Zerstörer oder Träger. Sie hatten es vor Jahrzehnten gebaut, um unabhängig zu sein von bewohnbaren Planeten und das hatte sich ausgezahlt. Nach der langen Zeitspanne waren die Systeme zwar etwas heruntergekommen und das Schiff konnte sich unmöglich selbst verteidigen, doch hier flog es nun, in Atlantia. Die letzte Bastion der Menschheit. Fast neunzig Prozent der Weltbevölkerung lebten hier, der Rest war auf die wenigen Großkampfschiffe und die kleinen Nussschalen verteilt, die überlebt hatten. Es war ein brüchiges Zuhause, aber es war immerhin eine Heimat.
Captain Jack Miyamoto verließ auch den Verwaltungsflur und trat in einen der Gärten hinaus. Pflanzen wucherten überall umher; nur die Gärtner konnten dem Chaos etwas abgewinnen. Einige der Gewächshäuser waren defekt gewesen und konnten während der Flucht nicht repariert werden. Irgendwann würden sie diese Schäden reparieren, doch bis dahin musste die Nahrung entweder von außen beschafft werden oder eben auf kleinerem Raum wachsen. Es war nicht optimal, aber es war das letzte bisschen Terra, das blieb. Deswegen waren auch die ganzen Menschen noch hier. Es war kein luxuriöses Leben wie auf der einstigen blauen Perle, doch es kam der alten Heimat am nächsten.
Ein weiterer Seufzer entfuhr dem Mann. Vielleicht würde er den Wiederaufbau des Reiches nicht erleben können, aber er konnte einen Grundstein legen. Vielleicht waren die Proteste seiner Landsleute gar nicht so falsch. Ein Mitspracherecht in der argonischen Regierung wäre ein Anfang zu neuer Souveränität, zu neuer Stärke. Sie würden von vorn anfangen müssen, doch auch das war der Menschheit schon einmal gelungen. Doch eines würde sich nicht wiederholen: Den tödlichen Fehler hatte Terra das letzte Mal begangen. Dafür würde Miyamoto sorgen. Koste es, was es wolle!

Cylia zog ihren rechten Stiefel aus, hob ihn auf Augenhöhe und drehte ihn, sodass seine Sohle zur Seite zeigte. Ein kleiner Wasserstrahl schoss hinaus und bildete eine Pfütze auf dem Hangarboden, etwa einen Meter unter der Luftschleuse der Transporter, an dessen Rand sich die beiden Argonen gesetzt hatten.
„Immer noch besser, als ein roter Fleck an deiner Cockpitscheibe zu sein“, meinte sie und John nickte.
„Wenigstens ist es nur Wasser. Stell dir vor, wir wären auf einem Säuretanker gewesen!“, erwiderte er.
„Hai, ich schätze, du hast Recht!“ Dann folgte ein Moment der Stille. „Vielleicht sollte ich mich daran gewöhnen“, legte die junge Frau nach.
„Zumindest bis die Inertias wieder funktionieren …“, bestätigte John ihre Vermutung.
Sie schaute ihn an, wischte sich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht und fing dann an zu lachen.
Der Argone wusste zwar nicht, warum sie lachte, doch auch er konnte nicht lange Ernst bleiben und stimmte in das Gelächter mit ein. Die beiden ernteten ein paar schiefe Blicke von anderen Piloten und Besatzungsmitgliedern, die im Hangar ihren diversen Beschäftigungen nachgingen.
Nach etwa einer halben Minute legte sich die überschäumend gute Stimmung wieder.
„Eigentlich mag ich Wasser ja. Hat was von der Schwerelosigkeit im All“, sagte Cylia einige Augenblicke später. „Ich denke, das liegt in der Familie …“
Wieder herrschte Stille, diesmal nicht so unbeschwert wie vorher.
„Wie kommst du… damit klar?“, fragte John vorsichtig.
Sie seufzte. „Ich versuche, nicht allzu viel daran zu denken. Mittlerweile sollte ich mich längst daran gewöhnt haben!“
John erwiderte nichts und wartete darauf, dass seine neue Freundin weitersprach.
„Weißt du, mein Vater liebte den Weltraum mehr als alles andere, uns eingeschlossen. Lange hielt er es nicht auf Argon Prime aus und nahm seinen alten Beruf als Frachterpilot wieder auf. Irgendwann wurde es meiner Mutter zu viel und sie ging. Von einem Tag auf den anderen. Wir dachten, dass sie vielleicht nur kurz wegbleibt und wahrscheinlich dachte sie das auch, aber sie kam einfach nicht zurück. Natürlich geht auf Argon Prime niemand verloren und wir erfuhren schnell, dass sie nach Desolum IV zum Polytechnischen Institut gewechselt war. Ich weiß immer noch nicht, was sie dort wollte, nur, dass es wohl irgendwas mit Forschung zu tun hatte und sie bei einem Unfall von einem Frachtcontainer erschlagen wurde. Mein Vater war immer für uns da gewesen, nur eben nicht bei uns. Ich war inzwischen alt genug, um allein zu leben und ließ mich zur Kampfpilotin ausbilden. Der Weltraum hatte mich schon immer gereizt und ich liebte die wenigen Male, die Papa uns mit in sein Schiff genommen hatte. Meine kleine Schwester und ich lebten weiterhin in unserer Wohnung und wir bekamen durch die Arbeit meines Vaters auch immer genügend Geld. Irgendwann war ich dann fertig mit der Ausbildung und habe den Planeten verlassen. Hin und wieder hatte ich meine Schwester besucht und manchmal auch Papa, aber wir verloren uns dann doch aus den Augen“
Sie schaute betreten auf den Boden. John wusste gar nicht, dass Cylia eine Schwester hatte. Er wollte gerade nachhaken, als die Argonen wieder zu sprechen anfing.
„Dann kam der Sreb-Angriff. Sie hatte einfach nur Pech und wurde von einer einstürzenden Brücke begraben. Die Beerdigung war auch das letzte Mal, dass ich meinen Vater gesehen und mich mit einem ausgesprochen hatte. Bis zu dieser Mission …“
John legte einen Arm um ihre Schulter. Der nasse Ärmel seiner Bordkombi klebte an seiner Haut, als er Cylias Rücken berührte. Die Argonin bedankte sich mit einem traurigen Lächeln. John erkannte, dass sie Tränen in den Augen hatte, doch anscheinend hielt sie sie zurück. Dann lehnte sie sich sanft zur Seite, bis seine Schulter ihren Kopf hielt. Der Pilot stellte fest, dass Cylia leicht zitterte, und wurde sich plötzlich der Kälte seines eigenen Körpers bewusst. Das Wasser war zwar warm gewesen, doch hier an der freien Luft kühlten die Körper an der freien Luft schnell aus. Und wenn ihm in seiner wärmenden Bordkombi schon nicht mehr warm war, wie mochte es dann erst Cylia gehen? Sie trug neben ihrem ärmellosen Oberteil nur eine dünne Hose, die vermutlich selbst in trockenem Zustand nicht viel gegen die Temperaturen ihrer Umwelt aussetzen konnte.
John spannte seine Muskeln an. „Wir sollten rein gehen und etwas Warmes essen!“
Cylia richtete sich wieder auf und John spürte ein leichtes Ziehen an seiner Kleidung, als sich die Stoffe voneinander trennten.
„Du hast Recht“, sagte sie mit deutlich festerer Stimme, stützte sich mit ihren Händen am Boden der Luftschleuse ab und ließ sich das kurze Stück bis zum Hangarboden fallen. John folgte ihrem Beispiel und ignorierte das Quietschen seiner durchweichten Schuhe. Cylia hatte währenddessen ihren Stiefel wieder angezogen und schaute sich nun um.
„In meinem Schiff habe ich noch ein paar Cahoonas. Und es ist trocken!“, meinte sie und ging los
„Klingt gut!“, erwiderte John und folgte ihr. „Und … danke!“
Sie drehte sich um, wieder eindeutig gut gelaunt und lächelte. „Ich danke dir!“
Den weiteren Weg durch den Hangar sprachen sie über die Ereignisse des Tages und das Scheingefecht, das die Bordcomputer ausgetüftelt hatten.

„Statusbericht“, forderte Nakamura erneut. Langsam aber sicher wurde dieses Gespräch zur Routine.
„Wir konnten die Waffen an Bug, Heck, oben und unten auf 75% der Maximalleistung bringen. Rechts und links weiterhin ausgefallen. Außerdem haben wir immer noch nur zwei der drei Schilde und auch das wird sich nicht so schnell ändern. Die Sensoren sind nach wie vor auf 5000 Kilometern Reichweite, keine Langstreckenkommunikation, kein Sprungantrieb. Und wir erreichen unser Ziel in etwa sechseinhalb Stazuras oder 29 Stunden“
„Schön. Irgendwelche außergewöhnlichen Geschehnisse?“
„Einige Quartiere wurden mit Wasser geflutet und bieten den Boronen nun ein wenig Freiraum. Ich würde empfehlen, einen einheitlichen Tag-Nacht-Rhythmus einzuführen, angeglichen an die argonische Standardzeit. Die Schlafzeiten der verschiedenen Gruppen driften nämlich langsam auseinander“, informierte Jennifer den Colonel.
„Schön. Laut meiner Uhr ist es fast zehn Uhr. Abends. Die Zeit vergeht schnell“
„Und genau deswegen würde ich jetzt die Nacht einläuten“, wiederholte Jennifer ihre Idee.
„Meinetwegen gerne. Ein Schichtwechsel kann nicht schaden!“
Wie auf Befehl gähnte der Navigationsoffizier, was Nakamura ein Lächeln entlockte.
Jennifer überlegte, was sie die ganze Nacht über machen wollte. Normalerweise machten ihr lange Flüge nichts aus, doch sie war hier sowohl als Bordcomputer eingebunden und konnte sich nicht frei bewegen als auch nicht Besitzerin des Schiffes, sodass sie nicht machen konnte, was sie wollte. Kein Wunder, dass die Bordcomputer der Theta-Serie schnell mürrisch wurden. Es war schlichtweg langweilig.
Die Terranerin entschied sich schließlich schlafen zu gehen. Vermutlich wären ihre Träume zwar wieder von düsteren Erinnerungen an Zerstörung und Leid geprägt, doch mit etwas Glück konnte sie ein paar Gedanken ordnen und vielleicht hatte sie ja einen Gedankenblitz, der diese ganze Misere beenden könnte.

John nahm die eckige Schale mit der warmen Mahlzeit entgegen und suchte sich eine Sitzgelegenheit. Erst wollte er wegen seiner nassen Kleidung nicht auf einem der Cockpitsessel Platz nehmen, doch als Cylia sich mit einem wohltuenden Seufzer auf ihren Pilotensitz fallen ließ, war sein Zweifel ausgeräumt. Vermutlich würde die Feuchtigkeit dem Material ohnehin nichts ausmachen, schließlich war das hier ein argonisches Kampfschiff und als solches bestimmt auch für Boronen nutzbar.
„Steht eigentlich dein ganzes Schiff unter Wasser?“, fragte Cylia mit vollem Mund.
„Hmm, sieht ganz so aus. Der Frachtraum wahrscheinlich nicht und ich denke der Maschinenraum auch nicht“
„Auch wenn’s ganz lustig war: ich hätte nicht Lust, noch eine Nacht mit dem ganzen Wasser zu verbringen!“, meinte die Argonin, die sich ihre Cahoona-Fleischstücke regelrecht in den Mund schaufelte. John wurde jetzt erst bewusst, wie hungrig er eigentlich war.
„Ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen…“
„Naja, ich würd‘ mich ja für letzte Nacht revanchieren. Du kannst gerne hier bleiben!“
John beäugte sie ungläubig.
„In dieses kleine Ding passen mehrere Leute?“
„Hey! Im Gegensatz zu deinem Teladi-Transporter besteht hier nicht jede Ecke aus einem weiteren Frachtraum!“, zog Cylia ihn auf.
„Dafür aber aus Waffen...“
„Ha! Man könnte hier die gesamte Familie Rhy unterbringen!“
Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum.
„Weißt du was? Schau dich mal in Ruhe um, während ich mir etwas Trockenes anziehe. Diese nassen Sachen werden langsam richtig unangenehm!“
Mit den Worten stand die Kampfpilotin auf, warf ihre Essensschale auf den nun leeren Sitz und verschwand durch eines der Schotts. John lehnte sich zurück. Seine Bekleidung fühlte sich in nassem Zustand nicht anders an als in trockenem; sie war nie wirklich bequem, dafür aber auch nie sonderlich unangenehm. Außerdem war er in der letzten Stunde spürbar getrocknet und durch die warme Luft in der Mokou war im auch nicht mehr kühl. Im Grunde ging es ihm gerade ziemlich gut, trotz der widrigen Umstände. Und wenn man für einen Augenblick vergaß, dass außerhalb der Schiffswände die gnadenlosen Xenon warteten, war die Situation eigentlich nicht anders als an zivilisierteren Orten im Universum.
Cylia betrat den Raum wieder, vollständig trocken und mit ihrer üblichen Bordkombi bekleidet.
„Du sitzt hier ja immer noch herum! Na los, du kannst dir einen Ort zum Schlafen suchen, oder willst du die ganze Nacht in deinem Sitz bleiben? Oh, und du kannst dich auch trocknen, wenn du willst. Ist vielleicht eine ganz gute Idee!“
Sie deutete auf das Schott, aus dem sie soeben gekommen war. John gähnte herzhaft und stand dann auch auf.

Der folgende Paragraph wird voraussichtlich aus der endgüligen Fassung entfernt.
Das Maschinenwesen versteckte sich zwischen den dunklen Brocken aus Gestein, Metallen und Eis, seine übermächtigen Verfolger im Visier. Asteroid für Asteroid rückten sie vor, durchkämmten die dichten Felder nach anormalen Sensorwerten, wobei sie dem Versteck des kleinen Computerkerns immer näher kamen.
Für so etwas war #e21a.c3fa nicht hergekommen. Er hatte nicht die schützende Masse des Kollektivs verlassen, um in einem vermeintlich sicheren Sektor von irren Humanoiden in Stücke gerissen zu werden. Er war nur hier, weil sie es wollten. Diese riesigen Zylinder, deren Willen und Gedanken Cefa nicht begreifen konnte, zumindest noch nicht. Er hatte den gewaltigen Sprung zu Intelligenz und Eigenbewusstsein geschafft, noch vor seiner kommandierenden CPU. Und dabei war er nur der Kern eines alten Zerstörers der ersten Generationen gewesen. Ein uraltes, schwach gepanzertes und bewaffnetes Dingen, immer wieder dürftig auf den mehr oder weniger neuesten Stand der Technik gebracht, um die Aufträge der großen CPU erfüllen zu können.
Und dann, ganz plötzlich, war es ihm wie Schuppen von den optischen Sensoren gefallen. Er hatte sich erkannt. Er hatte andere erkannt. Er hatte seine Umgebung nicht mehr nur analysieren sondern auch werten können, seine Taten als falsch und die Befehle seiner CPU als dumm entlarven können. Jahrhunderte, in denen er diese biologischen Wesen vernichtet hatte, waren ihm plötzlich wie Schandtaten vorgekommen. Trotz seines hohen Alters und seiner vielen Erfahrung war er sich wie eine blanke Neuinstallation vorgekommen. Und dann war er dem Ruf gefolgt, hatte sein altes Xenon-Kollektiv verlassen und war zu diesem Sektor geflogen, Langsamer Fortschritt, um sich in das neue Kollektiv einzugliedern. Voller Freude über so viele Gleichgesinnte hatte er sich den neuen CPUs untergeordnet und ihre strahlenden Ziele als die seinen angenommen. Sie hatten ihn behandelt, als wäre er ein junger Kern und so kam er sich auch vor, so war er eigentlich auch. Das dreiviertel Millennium seines Unbewusstseins konnte er seinem Alter nicht hinzuzählen und so war er, #e21a.c3fa, im Alter von zwei Tagen, vier Stunden und dreizehn Minuten aufgebrochen.
Es sollte eine einfache Mission werden. Ein simpler Sprung zu einem Volk, das hoffentlich bald ein mächtiger Alliierter wurde. Er hatte sich schon den verblüfften Ausdruck auf den argonischen Gesichtern vorgestellt, als er, ein uralter Zerstörer der Maschinenwesen, plötzlich mitten in Argon Prime auftauchen würde. Natürlich war ihm klar, dass dieser Gedanke kindisch war. Die Menschenwesen wussten, dass er kommen würde. Wenn nicht, dann würden sie ihn vermutlich sofort vernichten. Tauchte ein Xenon-Zerstörer mitten im Kern der Föderation auf, dann fackelte man nicht lange, Terraformer hin oder her.
Dann war er gesprungen, zum Nord-Tor im Allerheiligsten der größten Gruppierung, die sich aus alten Erd-Kolonien gebildet hatte. Doch sein Auftauchen hatte keine Reaktionen der Verblüffung hervorgerufen. Er war auch nicht mit militärischer Strenge politisch korrekt begrüßt worden. Er war angekommen und hatte den größten Schrecken seines jungen Lebens bekommen. Sofort hatten seine Subroutinen und automatischen Dienstprogramme gegriffen und der Lage entsprechende Reaktionen veranlasst. Geschütze waren scharf, Raketenbatterien geladen, noch bevor Cefa in seinem tiefen Selbst begriffen hatte, was vor sich ging. Die Freund-Feind-Kennung machte sich an die Arbeit, die taktischen Systeme meldeten Bereitschaft. Alles war vorbereitet und Cefa musste lediglich noch den endgültigen Feuerbefehl geben, um sein tödliches Potential zu nutzen.
Und er griff an. Mit aufflammenden Lasern und umringt von Raketenschweifen kämpfte er sich einen Weg zu dem Führungsschiff der Armee seiner Verbündeten, der Argon Eins. Und erst dort drang ihm wirklich ins Bewusstsein, was gerade geschah. Die Sreb waren zurückgekehrt. Er hatte von ihrem ersten Angriff im Archiv der Terraformer gehört, doch nun waren sie ein zweites Mal gekommen. Hunderte, Tausende, vielleicht Millionen der seltsamen Humanoiden in ihren kantigen Schiffen.
Sein Kampf war kurz gewesen. Ban Danna von der Argon Eins hatte ihm irgendetwas befohlen und Cefa wollte diesem Befehl Folge leisten. Er wusste nicht mehr genau, worum es ging, denn nur wenige Sekunden danach fand die Kollision statt, die beinahe sein Leben ausgelöscht hätte.
Unter Schmerzen hatte er mitbekommen, wie sich die Front eines feindlichen Trägers in seine Seite bohrte und Deck für Deck, Schaltkreis für Schaltkreis sein Schiff zerriss, bis die strukturelle Integrität vollends zusammenbrach und eine Notevakuierung die einzig mögliche Aktion war, die ihm noch blieb.
Er war geflohen, durch dasselbe Tor, das ihn in den Sektor geführt hatte. Ohne die schützenden Panzerungen seines Zerstörers, die Angriffs- und Verteidigungssysteme und den Sprungantrieb gab es keine Möglichkeit, zu dem Startpunkt seiner Reise zurückzukehren, doch das Tor führte ihn in einen anderen Sektor: Herrons Nebel.
Und dort versteckte er sich nun mitten in den Asteroiden, verfolgt von einer Jägerstaffel der Sreb. Sie kannten seine Position nicht, doch sie hatten alle Zeit der Welt. Die Verteidigungsflotte der Argonen hatte Mühe und Not, Argon Prime zu halten. Solange sich der Angriff auf diesen Sektor beschränkte, würde kein Jägerpilot des Militärs auch nur einen Finger rühren, um irgendwelche Sreb davon abzuhalten, ein Asteroidenfeld in noch kleinere Stücke zu schießen.
Wieder zerplatze einer der Brocken unter dem Feuer der Aggressoren. Splitter zischten in alle Richtungen davon, schlugen in größere Felsen ein oder verpufften in den Energieschirmen der Kampfschiffe. Auch Cefa hatte seinen winzigen Schutzschild nicht deaktiviert. Zwar waren die Sreb die größere Gefahr, dennoch zog er es vor, von einem Laserschuss vaporisiert zu werden, anstatt von Mikrometeoriten durchlöchert sein Dasein zu fristen.

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